Eine Verschwörungstheorie, die dem Begriff gerecht wird, baut auf unbelegten Prämissen auf, die gemeinhin mit der Behauptung von Mächten verbunden sind, welche im Verborgenen operieren. Dafür bieten sich Zirkel an, die selbst großen Wert auf Intransparenz legen und nachweislich politische oder wirtschaftliche Macht repräsentieren. Ganz vorn zum Beispiel die “Bilderberger”, ein Haufen von Managern, Milliardären und Politikern, die sich jährlich von der Öffentlichkeit abgeschottet die Hinterteile pudern. Denen kann man darum alles unterstellen, von der Verabredung zu 9/11 bis hin zu künstlichen Erdbeben.

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Nicht wirklich “VT” hingegen sind Analysen, die feststellen, dass scheinbare Fehler im System eben keine Pannen sind, sondern das System selbst geradezu definieren. Dazu bedarf es übrigens keiner Absicht von Handelnden. Die kann zwar auch am Werk sein, wenn etwas scheinbar schief geht und dann ganz zufällig denen nützt, die auch vom ungestörten Ablauf profitieren, aber im Fall des Kapitalismus ist es zweifellos die Gesetzmäßigkeit des Systems, die zu Krisen führt. Ebenso ist es dem System zueigen, dass immer die Reichen profitieren, egal ob am Wachstum oder an sogenannten “Krisen”.

Dazu muss man freilich einen Schritt zurücktreten und sich einen Überblick verschaffen. Wenn an allen Börsen die Kurse rutschen, so ist damit nur scheinbar ein Verlust verbunden. Einfach gesagt: Es sind nur Zahlen. Zwar kann sich im Einzelfall auch ein Milliardär verzocken und zum einfachen Millionär degradiert werden, das ist aber die große Ausnahme. Noch seltener ist der Fall, dass jemand aus ‘normalen’ Verhältnissen reich wird. Der Neoliberalismus hat diese Bahnen noch zusätzlich stark verengt.

Schulden gehören dazu, und es ist eine Lachnummer, wenn dauernd vor Staatsschulden gewarnt wird, ohne die das System gar nicht auskommt. Noch irrwitziger ist die Argumentation der neoliberalen Casinokapitalisten, die Schulden jetzt in ‘gute’ und ‘böse’ Schulden einteilen wollen. Die guten Schulden sind natürlich die zur “Rettung” der Märkte, also der Spekulationsspielplätze, während die anderen Staatsschulden böse sind – die zur Aufrechterhaltung von Infrastruktur, der Sozialhaushalte, der Bildung etcetera. Das ist zwar schlicht pervers, aber eben gängige Ideologie.

Pervers, aber gängig

Dass es allein schon ökonomisch nicht durchzuhalten ist, den Staat, seine Einnahmen und Ausgaben schlank zu halten, erkennt man aber bereits an der Beliebigkeit der politischen Argumentation. Das beste Beispiel dafür ist der Schauspieler Steinbrück, der mit dem immer gleichen Brustton der Überredung sein “Augenmaß” in Stellung bringt. Und zwar meistens, um “kommende Generationen nicht über Gebühr zu belasten” oder “sich nicht totzusparen”, ganz wie es ihm gerade beliebt. Haltbare Erklärungen dafür gibt er nie ab. Dementsprechend muss man ihm angesichts der Folgen seines Treibens mindestens eine Sehschwäche bescheinigen. Wahrscheinlicher sind aber noch intellektuelle Defizite bzw. eine innige Aversion gegen Wahrheit.

Der Bundeskanzlerin fällt wie immer nichts anderes ein als ihre faden Phrasen, siehe “Wettbewerbsfähigkeit für unsere Kinder und Enkel“. Es wird so getan, als stünden wir vor einer unumkehrbaren Katastrophe, die ‘uns’ für hunderte Jahre zum Abzahlen von Staatsschulden zwingt. Die ‘Belastung kommender Generationen’ ist aber ein Hirngespinst. Schaut man sich allein die Haltbarkeit des durchschnittlichen Staatsgebildes an, kommt man schon nicht auf zwei Generationen. Berücksichtigt man dann noch Schuldenschnitte, Währungsreformen und Zäsuren wie große Kriege, wird deutlich, warum der Kapitalismus bislang so wenige globale Schuldenkrisen erlebt hat. Er kam einfach nicht dazu.

Die unerhörte Ignoranz – oder soll man sagen “Dummheit”? – der neoliberalen Eliten und ihres Hoffräuleins Merkel ist schlicht indiskutabel. Sie erwägen nicht einmal Maßnahmen innerhalb des kapitalistischen Systems wie Steuererhöhungen, Sonderabgaben oder strengere Kartellgesetze. Im Gegenteil sollen nicht einmal die aktuellen Rituale verändert werden. Die Tage sind gezählt, bis dieser Unsinn in Rauch aufgeht.

Ein Krieg gegen die Völker

Dennoch wird so getan, als sei der Staatshaushalt ein mit schweren Hypotheken belastetes schwäbisches Fachwerkhaus, in der ein Mütterlein ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann und schon so übern Durst geprasst hat, dass ihre Kinder ihr Lebtag dafür schuften müssen.
Welch ein Blödsinn. Nicht nur, dass selbst die das Erbe ausschlagen könnten. Der Staat kann alles mögliche tun – eben Steuern erheben oder Geld drucken oder enteignen zum Beispiel.

Ohne jede Not ist mit dem Euro eine Währung geschaffen worden, in der die Möglichkeiten der Staaten stark beeinträchtigt sind. Anstatt dies zu ändern – und sei es notfalls mit einer Währungsreform – soll der Handlungsspielraum der Staaten noch weiter begrenzt werden und die Bürger noch weniger über ihr eigenes Land bestimmen können. Natürlich ohne dass irgendwer danach gefragt wird. Und ganz selbstverständlich wird nicht einmal erwähnt, was eigentlich hinter den “Schulden” steckt, denen wir das angeblich verdanken, wer also die Gläubiger sind.

Das sind nämlich die Eigentümer der Wertpapiere, Rohstoffe und Ländereien, die paar Prozent Reiche, jene, vor deren “Erwartungen” die gesamte Weltwirtschaft in die Knie geht. Die Schulden der Staaten sind nichts anderes als der Eigentumsanspruch dieser winzigen Minderheit gegenüber den Völkern der Erde. Die Behauptung, ‘wir’ wären für Generationen verschuldet, bedeutet also die Bereitschaft der Politik, die Eigentumsansprüche der Profiteure für weitere Jahrzehnte gegenüber den Bürgern zu verteidigen. Es ist die Ankündigung eines schwelenden Bürgerkriegs, der jederzeit zum Flächenbrand werden kann. Wer nicht völlig verblendet ist, kann das längst hören, sehen und riechen.