Sahra Wagenknecht in einem interessanten Interview der FR:

Wenn die Leute den Eindruck haben, trotz Börsenabstürzen und Schuldenkrise diskutiert die Linke über Mauerbau und Castro, bekommen sie natürlich Zweifel an unserer Zurechnungsfähigkeit.

Damit bringt sie das Problem der Linken auf den Punkt, das im Wesentlichen drei Ursachen hat: Die Wahrnehmung der Partei in den neoliberal geprägten Medien, die Schwäche der Partei, ihre wesentlichen Inhalte deutlich zu kommunizieren und das Faible einiger Funktionäre (aber auch Grüppchen) für Rotfront-Romantik. Letzteres wird sich wohl nicht ändern lassen, wenngleich zu hoffen ist, dass sich wenigstens die Parteispitze mittelfristig gewisser Abenteuer enthalten würde. Es hilft auch niemandem, dass geschichtlich betrachtet sozialistische Kampfrhetorik einmal ein gutes Recht hatte. Diese Zeiten sind nämlich vorbei, und weder Arbeiterlieder noch Klassenkampf-Parolen sind mehr zeitgemäß. Das gilt umso mehr, als dass der Klassenkampf ja nach wie vor geführt wird. Man muss ihm aber völlig anders begegnen.

Cui bono?

Es muss darum gehen zu erklären, wer wie welchen Einfluss nimmt und was daraus resultiert. Das ist der Klassenkampf von heute. Die ihn von oben führen, haben ein Heer von Kommunikatoren, deren Parolen kraft ihrer Wiederholungen Wirkung zeitigen. Diese Parolen sind allzu angreifbar, aber nur, wenn man sie mit der Wirklichkeit konfrontiert, der Gegenwart. Eine “Geschichte der Klassenkämpfe” oder abgehalfterte Ikonen der jüngeren Geschichte sind da wenig hilfreich. Und sogar das Festhalten am Guten der DDR kann nur so gelingen.

Was die schräge Macht einer ‘sozialistischen’ Nomenklatura an gesellschaftlicher Freiheit übrig gelassen hatte, wo ist das hin? Was sich DDR-Bürger eingerichtet hatten, ihre Treffs, ihre Rituale, ihre Kultur, was ist davon übrig? Es wurde überrollt von einer Gesellschaft der Konsumenten und Einzelkämpfer. Diese Entwicklung und der Verlust, der damit verbunden ist, müssen anschaulich dargelegt werden. Noch besser wäre natürlich ein Neuaufbau von Strukturen jenseits von Konkurrenz und Vermarktung. Das ist ein Thema, mit dem man nur gewinnen kann. Wer dazu alte Fahnen braucht, dem ist nicht zu helfen.

Heute links- warum?

Dass die Linke als solche eine tendenzielle Bedrohung für die neoliberale Konkurrenz darstellt, liegt in der Natur dieser Polarität. Sie wird so wahrgenommen und es gibt gute Gründe, das Bild der furchtbaren Bedrohung zu überzeichnen. Der Kanal, der dafür immer offen ist, ist die “Mauer und Stacheldraht”-Nummer. Wann immer das Thema aufkommt, begibt sich der Bürger der Mitte in die Arme der rechten Bewahrer. Die Antwort darauf muss die sein, mit den ‘linken’ Themen nach vorn zu kommen, die nicht nur mehrheitsfähig sind, sondern von der Mehrheit längst getragen werden. Wagenknecht spricht einige an, vor allem in Form der Kritik an den Grünen. Deshalb braucht die Linke ‘zurechnungsfähige’ Frontleute, die in der Lage sind, sich damit besser durchzusetzen als das Personal, das derzeit dort dilettiert.

Die aktuellen Wahlen zeigen dabei, dass die Linke trotz aller Fehler und Anfeindungen erstaunlich stabil dasteht. Während die “Mitte” allmählich zu einer Partei zusammenwächst, sogar die SPD völlig grundlos Stimmen der anderen zurück gewinnt und verzweifelte Halbgescheite sich im Braunen wälzen, lässt sich ein linker Wählerstamm auch nicht von schlechter Presse in die Flucht schlagen. Dies sollte ein guter Anlass sein, sich aus den Grabenkämpfen zu lösen, die immer nur den anderen nützen. Erklärt den Leuten, warum ihr heute links seid, und zwar so, dass sie es verstehen. Dann ist alles möglich.