Die führende, weil staatlich befohlene Kunstrichtung in der DDR (und anderen Ländern des Ostblocks) war der “sozialistische Realismus”. Der kommt heute sogar noch ganz gut an, weil sich das Banausentum der Mehrheit nicht lange mit Abstraktionen oder Hintergedanken herumschlagen muss. Man erkennt etwas (wieder) und findet das schön oder nicht, aber man erkennt es eben.

So funktioniert auch die neoliberale Herrschaftskunst, nennen wir sie “Gagaismus”. Sie ist vor allem in der journalistischen und politischen Literatur und Aktionskunst zuhause und schließt unbewusst an den Dada an. Der war ganz absichtsvoll ein Babygebrabbel, die Entkleidung der Kunst von Sinn und Zweck. Der Gagaismus ist versehentlich ein Rückfall ins Vorschulalter, naives Blabla in der Absicht, ein Weltbild von Deppen für Narren zu kreieren.

Das Werk der Woche hat Harald Martenstein abgeliefert, eine ‘Argumentation’ reinster Kindergartenweisheit, die von sich dennoch forsch behauptet, sie fuße auf einer “Logik”. Nach Piaget bleibt diese allerdings auf dem Niveau der “präoperationalen Phase”, sie ist schlichtes “magisches Denken”. Zitat:

Kein Süß mehr da, kein Geld mehr da

Sorry, ich habe damit ein logisches Problem. Wenn man den Reichen ihr Geld wegnimmt, kann man für eine gewisse Weile auf die gewohnte Weise weiterwirtschaften, gewiss. Aber was tut man, wenn das Geld der Reichen aufgebraucht ist? Neue Reiche dürften ja wohl kaum nachwachsen, in dem total gerechten System des Sozialismus.”

Das Geld wird in Haralds bunter kleiner Welt “aufgebraucht”. Das kennt jeder: Man geht zum Kiosk, kauft Süßkrams ein, isst den auf und alles ist weg. Kein Süß mehr da, kein Geld mehr da. Erst lange nach dem Abschluss ihres Journalistikstudiums lernen viele Kinder, dass das Geld gar nicht weg ist, sondern woanders wieder und wieder “ausgegeben” wird. Die Kinder, die das nicht lernen, sind oft die talentiertesten Gagaisten. Wir kennen sie aus Zeitung, Funk und Fernsehen.

Nur auf dem zweiten Platz landen die schon etwas weiter entwickelten, dafür aber jammervoll gescheiterten Kerstin Andreae und Christine Scheel, die sich heillos im Labyrinth formaler Operationen verirrt haben. Bei dem Versuch, eine Statistik zu verstehen, kamen sie mit größter Überzeugung zu der Ansicht, Birnen seien zu große Äpfel als dass sie noch Obst sein könnten. Und das geht so:

Die richtigen Zauberwörtchen

Andreae und Scheel halten dagegen, dass drei Viertel der Firmen Personenunternehmen sind, bei denen der Eigentümer selbst haftet. “Ohne diese Unternehmen ist die ökologische Modernisierung der Wirtschaft nicht zu bewältigen.” Ihre Gewinne würden aber durch Spitzensteuersatz und die – ebenfalls geforderte – Vermögensabgabe doppelt belastet.

“Drei Viertel”, das klingt erst mal gut. So gut, dass die Zahl keines Nachweises bedarf. Schon gar nicht kommt den lieben Kleinen in den Sinn, dass wenn einige von ganz vielen ganz viel bezahlen müssen, das etwas anderes ist, als wenn alle von den vielen ganz viel bezahlen müssen. Das ist ja auch wirklich kompliziert. Und weil dieser Zwischenschritt noch viel zu schwer ist für die beiden, kommen sie auch nicht darauf, dass alle die vielen “Personenunternehmen” gern viel bezahlen würden, wenn sie dafür Millionäre wären.

Das Klassenziel haben aber auch Kerstin und Christine erreicht, denn sie haben die richtigen Zauberwörtchen genannt: “Unternehmen”, “Modernisierung der Wirtschaft”, “Investitionskraft”. Das ist dann wieder die Geschichte von dem Geld, das weg ist, wenn man es den Menschen zum Ausgeben gibt. Gagaismus auf der Höhe der Zeit eben.