Ob Blogger Journalisten sind, kann man in Deutschland derzeit nicht fragen. Zu viele Kuhjournalisten wissen, daß erst der Presseausweis den Mann und der Verlag die Qualität ausmacht. Zu viele Blogger wehren sich gegen das Mißverständnis, ihnen läge etwas daran, von einer arroganten Minderheit von Schreibern als Menschen anerkannt zu werden.
Die Eingangsfrage ist da spannender. Wenn Konrad Lischka bei SpOn feststellt, der Fall Zwanziger sei “ein Beispiel für die Chancen von Bloggern, Öffentlichkeit zu schaffen“, ist das mehr Symptom des bestehenden Verhältnisses als ein Zeichen von Offenheit. Die Formulierung ist ungeschickt, Blogger müssen nicht über ihre “Chancen” belehrt werden. Es ist ja auch kein Beispiel für eine Chance, sondern für ein Phänomen, das nicht zu leugnen ist: Es gibt eine noch kleine Öffentlichkeit, die sich nicht von Verlegern, Redaktionen und Anzeigenkunden deckeln läßt. Die Arroganz, mit der manche Lobbyisten (ihrer selbst) in manche Redaktionsstube einfallen, hat hier draußen keine Chance. Wo Journalisten der Mut fehlt, sind Blogger bisweilen eher übermütig, vor allem aber widerborstig. Ein Journalist läßt sich für seine Meinung und allzuoft für die Wahrheit abwatschen, Blogger eben nicht. Der alltägliche kleine Skandal abhängiger Meinungsmacher bricht sich über das Medium Blog bahn. Kein Journalist wagt es, über Bevormundung in seiner Redaktion zu schreiben – es würde ja eh nicht veröffentlicht. Über den Umweg der Blogsphäre dürfen Journalisten hingegen über derartiges berichten. Daß SpOn in der besprochenen Affäre als “Blogger” wieder einmal nur Journalisten erwähnt, die Blogs betreiben, verkürzt ganz nebenbei die Sicht auf “die” Blogger. Sie wissen noch immer nicht, mit wem sie es in Zukunft wirklich zu tun haben werden.
Eine ähnliche Tendenz weisen die Ausführungen von Eric Alterman im Interview mit der Sueddeutschen auf. Er weist auf die Probleme des Printjournalismus hin und zeigt hintergründig auf, wie Journalismus zwischen Nachrichtenarbeit und Finanzierungbedarf zum Drahtseilakt wird. So recht fällt ihm auch nicht ein, wie der Journalismus in Zukunft seine Demokratie erhaltende Funktion noch ausfüllen soll. Daß derzeit aus wirtschaftlichen Gründen gute Leute arbeitslos werden und was sie in Zukunft tun könnten, legt er so dar:

SZ: Was wird aus all den erstklassigen Journalisten, die demnächst entlassen werden?

Alterman: Einige werden beruflich überleben, wenn sie ein professionelles Blog gründen. Sie können mit Blogs sogar Geld verdienen, weil aufgrund Ihrer fachlichen Expertise und hoher Nutzerzahlen Werbegelder fließen werden. Aber dieser Markt ist begrenzt. Die meisten werden dem Journalismus wohl den Rücken zukehren.

Letzteres ist eine Schande angesichts derer, die weiter gutes Geld mit schlechtem Journalismus machen werden. Was die zukünftigen Blogger angeht, verharrt er zu sehr im status quo. Ob sich wirklich Geld mit Bloggen verdienen läßt, sei dahingestellt. Die strikte Trennung von Printmedien mit angeschlossenen Online-Auftritten hier und Blogs dort wird sich aber nicht aufrecht erhalten lassen. Die Zukunft wird anders aussehen. Wenn “Print” aus Geldmangel nicht völlig untergehen soll, weil sich nur noch Titten-und Hitlerjournaille verkaufen läßt, muß es einen dritten Weg geben. Eine Kooperation von noch-Bloggern und noch-Journalisten bis hin zur Unkenntlichkeit der Clubfarben und völlig neue Formen der medialen Öffentlichkeit werden die Zukunft sein. Was der Journalismus an Nachrichtenbeschaffung und halbwegs massenverständlicher Aufbereitung zu bieten hat, wird sich mit der Leidenschaft unbeugsamer Netzbewohner paaren müssen, um eine lebensfähige res publica medial zu organisieren. Bis es so weit ist, müssen viele unbelehrbare Schlipsträger und Nerds abtreten und wir alle noch verdammt viel lernen.