“Politik machen” heißt, Interessen durchzusetzen. Was auf der Agenda steht, ist mehr oder weniger wichtig, aber in aller Regel einigt man sich darauf, anstehende Entscheidungen zu diskutieren, vorzubereiten und zu treffen.
Ein Extremist in solchen Fragen war der Agenda-Kanzler Schröder. Was er mit seinen Getreuen ausbaldowerte, wurde durchgepeitscht, nicht nur mit dem “Machtwort”, sondern unter wiederholter Rücktrittsdrohung. Alle haben sich dem gebeugt.
Ausgerechnet diejenigen in der hessischen SPD, die ihre Positionen aus den Resten der Schröder-Ära im Einklang mit Schröders Mannen beziehen, haben jede Verlässlichkeit über Bord geworfen und nicht nur regieren unmöglich gemacht, sondern jede Politik der SPD.
Zu fragen: “Woher kommt eigentlich die Wut über die Abweichler?”, womit der Artikel von Timo Frasch auf der FAZ-Homepage eingeleitet wird, ist daher müßig. Ebenso müßig wie die zitierte, dümmlich tendenziöse Behauptung von Forsa, daß 63% der Deutschen “die Entscheidung der drei Abgeordneten Carmen Everts, Silke Tesch und Jürgen Walter, Andrea Ypsilanti nicht zur Ministerpräsidentin zu wählen, für gut befinden.” Forsa macht dumpfe Propaganda, und wer Forsa zitiert, tut nichts anderes. Dieselben Trommelschläger, die da feixend applaudieren, würden jede Regierung für heruntergewirtschaftet befinden, der auch nur zwei Abgeordnete die Gefolgschaft verweigern. Also was nun: Erwarten wir völlig freie Parlamentsentscheidungen oder stabile politische Verhältnisse? Ich kann mit beidem leben, aber nicht mit gezinkten Wahrheiten, die nur die herrschende Minderheitsmeinung verbreiten.

Was ganz unten am Rand der Agenda 2010 geschieht, zerstört jede Gemeinschaft und zuerst die Familien. HartzIV bedeutet, daß sich die Armen gegenseitig zu alimentieren haben. Jeder, dessen Tür offen steht für Partner, Verwandte oder Verwandte von Partnern, hat für diese finanziell aufzukommen. Dies bedeutet unmittelbar, daß Solidarität mit den Allernächsten in den Ruin führen kann. Ziehe ich mit meiner Freundin zusammen? Ich bin doch nicht blöd! Nehme ich ihren Sohn auch noch auf? Bin ich die Caritas? Danke, ihr feinen Sparfüchse, euch opfern wir die letzten Reste menschlichen Anstands, damit wir unsere Banken noch hinreichend unterstützen können.

Wer schon mal gar nicht interessiert, das sind die Versager, die seit Jahrzehnten auf keiner Agenda stehen: Die unverschuldet Ungebildeten, die Vergessenen und der ganze Rest derer, die zu stumpfsinnigem Konsum verführt wurden und nie in Kontakt kamen mit der Notwendigkeit, seinen Standesdünkel in angemessener Rechtschreibung zu Papier zu bringen. Während die Leistungslüge für jeden pädagogisch-didaktischen Dilettantismus herhalten darf und kein Ranking zu überflüssig schien, gelten die Hauptschulen inzwischen nicht einmal mehr als Symptom für ein zynisches Schulsystem. Hauptschüler sind in der Masse zu schlecht für eine Überprüfung ihres Leistungsstandes. Viel zu spät erkennen die Vertreter des feudalen dreigliedrigen Schulsystems, daß nichts, aber auch gar nichts mehr zu retten ist. Was tun? Totschweigen! Daß Deutschland in puncto Bildung ein Entwicklungsland ist, soll niemand wissen dürfen. Zurecht bemerkt Thomas Kerstan in der “ZEIT”:
Statt den Leistungstest der Hauptschüler auszusetzen, sollten sich die Kultusminister das Drama vor Augen führen. Und unter diesem Druck endlich die Bildungsverlierer in den Mittelpunkt ihrer Politik rücken.

Wozu? Es ist doch alles sozial in diesem Land. Wir haben doch Arbeitsplätze geschaffen.