Man wird in einigen Jahren die Ausgaben des “Spiegel” dieser Zeit zur Hand nehmen und weise nicken, wenn man die Artikel über Kurt Beck mit denen über die Agenda-Fraktion vergleicht. Man wird sich fragen, wie es dazu kommen konnte, daß ein Nachrichtenmagazin derart offen Partei ergriff. Ganz gleich, ob dies dann endgültig üblich sein wird für den gesamten Journalismus – dann werden es halt ein paar verschrobene Akademiker sein, die den Zeiten nachtrauern, da man noch etwas anderes erwarten durfte als offene Manipulation. Oder, wenn es denn besser kommt, als man heute hoffen darf, werden die Leute sagen: Das sind die, die einen Berufsstand diskreditiert haben unter der falschen Flagge der Aufklärung.
Aktuell bläst SpOn zum Sturm aufs Kanzleramt und macht seinen Lesern weis, Steinmeier hätte eine Chance, Kanzler zu werden. Er hat dieselben wie Kurt Beck sie hatte, egal, wie sehr die Tendenzschreiberlinge von der Brandstwiete ihn hochjubeln:
Berlin- Angela Merkel und die Union müssen gewarnt sein. Diese SPD unter ihrem neuen Spitzenduo Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier hat der angeschlagenen Partei neues Leben eingehaucht.
Worin dieses neue Leben besteht, wird nicht mitgeteilt. SpOn bedient sich eines erbärmlichen Tricks, um das “Spitzenduo” besser aussehen zu lassen. Fettgedruckt ist zu lesen:
Wahl Steinmeiers mit mehr als 90 Prozent der Stimmen“. Daß Müntefering mit 85% der Stimmen ein miserables Ergebnis erzielt hat (im Vergleich etwa zu Beck, der es auf 95,5% brachte), nennt SpOn lediglich einen “Dämpfer”, davon ist nichts fettgedruckt. Es ist eines der schlechtesten Ergebnisse in der Geschichte. Außer bei Kampfkandidaturen haben nur Schröder und Scharping schlechter abgeschnitten.
Hätte Beck ein solches Ergebnis eingefahren, SpOn würde ihn sofort zum Rücktritt auffordern und feststellen, wie schlimm er schon abgewirtschaftet hätte. Dazu gäbe es ein mitleiderregendes Foto von ihm. Hätte er sich in einer solchen Siegerpose gezeigt wie Müntefering, ihm würde (zurecht) Realitätsverlust nachgesagt.
Für Müntefering sind es knapp 10% weniger als bei seiner letzten Wahl. Wo da der Grund zum Optimismus ist, soll mir einmal jemand verraten. SpOn wird es bald (oder haben sie schon?) mit den hochwissenschaftlichen Umfragen dieses Güllner belegen.
Wenn die Sozen dann trotzdem die Wahl vergeigen, sind’s die Populisten schuld. Die Welt der hohen Politik kann so einfach sein – wenn man sie derart tumb zurechtbiegt.