Barack Obama verweigert sich der großen nationalen Aufgabe. Anstatt den Flutopfern in den Banken zu helfen, will er diskutieren. Wahlkampf will er machen vor einer Wahl, und das mitten im Krieg!
McCain, präsidential wie bislang nur der große GW, weiß, worauf es ankommt:
«Lasst uns die Politik beiseite stellen», sagte McCain. Er verglich die derzeitige Finanzkrise mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Jetzt sei erneut Patriotismus und gemeinsames Handeln notwendig.
Und eigentlich immer. Patriotismus, das ist, wenn Republikaner mit Notstandsmacht regieren, wie Bush und seine Homeland Security oder Finanzminister Paulson und seine Billionen. Es ist eine böse Bedrohung! Sie ist da draußen, das heißt: Mitten unter uns. Wir müssen zusammenstehen und unseren Führern vertrauen. Es gibt nichts zu diskutieren, nichts zu wählen und nichts zu denken. Wir müssen die Demokratie retten, unsere Soldaten unterstützen, unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand.
Derlei Sätze werden hundertfach aneinander gereihert, keine große Geste ist zu peinlich, keine Hymne zu laut gesungen, um die Republik in den Staub zu treten. Die res publica, die öffentliche Sache, ist der Feind dieser “Republikaner”, denn Öffentlichkeit, eine lebhafte Debatte, ist das Medium der demokratischen Wahrheit. Beides ist den planlosen Machthabern spinnefeind. Sie versuchen, mit aller Gewalt an einer Macht festzuhalten, die nicht nur obszön ist, sondern in ihrer orgiastischen Form offenbart, daß sie noch in der letzten Konsequenz eine Lüge ist: Diese Macht ist ohnmächtig im Angesicht ihres eigenen Treibens und will es nicht wahrhaben. Müßig zu erwähnen, daß der “Kampf gegen den Terror” nicht nur selbst Terror ist, sondern den Terror der anderen Seite vervielfacht, den sie angeblich beherrschen will. Daß es immer wieder, immer zuerst um Geld und Bereicherung geht, ist die Wahrheit, die nicht ans Licht kommen darf. Daß diese Wahrheit nunmehr für Jedermann greifbar ist und dennoch irrelvant, ist die historische Ironie. Beinahe wie in einem antiken Drama taumelt die Macht in den Abgrund, einem scheinbar unabwendbaren Schicksal folgend.
Die postmoderne Version des Dramas weicht freilich in einigen entscheidenden Aspekten von ihrem antiken Vorbild ab: Sie findet als Realität statt, ihre Könige sind unbeleckt von höheren Prinzipien. Sie haben keinerlei Respekt vor der Macht des nicht gar so göttlichen Schicksals. Die Hybris ist nicht menschliche Verfehlung, sondern der große Plan, der nicht aufgeht, und die Katarsis weicht mangels Einsicht gleich der nächsten irrsinnigen Hybris.
Eher antik gestaltet sich das Bewußtsein der Mächtigen. Die Rationalität, nach der sie handeln könnten, verhallt wie der warnende Chor. Taub gegen dessen Stimmen wird getan, was schon immer getan wurde. Am Ende verliert der König seinen Kopf und wundert sich. Wiederum postmodern ist die Variante, in der ein Heer kopfloser Könige die Realität des eigenen Todes ignoriert.
Diese Farce endet mit dem Absingen der Nationalhymne, ein anderes Lied steht ja nicht zur Verfügung. Das Volk, für dessen Befriedung dieses Theater veranstaltet wird, erhebt sich und singt mit. Das ganze Volk? Nein.
Es ist keine große Leistung von Barack Obama, sich diesem Schwachsinn nicht unkritisch hinzugeben. Wenn er auf die moderne Inszenierung des politischen Realtheaters in Form des anstehenden Rededuells besteht, kann ihm allerdings ein Lehrstück gelingen. Es ist ein Stück über Religionen, über Macht und Verantwortung. Es kann lehren, daß Religion, sei es die bigotte Schaumparty “christlicher” Moralapostel oder die neoliberale Erwerbslehre, nicht mehr zeitgemäß ist – schon gar nicht in Kombination. Es kann lehren, daß Macht wichtig ist. Und es kann lehren, daß Macht Verantwortung bedeutet, ohne die sie ins Chaos führt. Wenn Obama also fordert, daß wer nach Macht strebt, sich öffentlich verantworten muß, erweist er sich als wahrer demokratischer Republikaner.
Daß McCain und seine faden Laiendarsteller das Rennen machen würden, habe ich übrigens keine Sekunde lang auch nur in Erwägung gezogen, da kann die hiesige Journaille noch so durstig an jedem Strohhalm nuckeln, den ihr die Demoskopen hinhalten.