US-Wahlen: Großes Theater um Republik und Demokratie
Posted by flatter under Politik[19] Comments
25. Sep 2008 1:26
Barack Obama verweigert sich der großen nationalen Aufgabe. Anstatt den Flutopfern in den Banken zu helfen, will er diskutieren. Wahlkampf will er machen vor einer Wahl, und das mitten im Krieg!
McCain, präsidential wie bislang nur der große GW, weiß, worauf es ankommt:
” «Lasst uns die Politik beiseite stellen», sagte McCain. Er verglich die derzeitige Finanzkrise mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Jetzt sei erneut Patriotismus und gemeinsames Handeln notwendig.”
Und eigentlich immer. Patriotismus, das ist, wenn Republikaner mit Notstandsmacht regieren, wie Bush und seine Homeland Security oder Finanzminister Paulson und seine Billionen. Es ist eine böse Bedrohung! Sie ist da draußen, das heißt: Mitten unter uns. Wir müssen zusammenstehen und unseren Führern vertrauen. Es gibt nichts zu diskutieren, nichts zu wählen und nichts zu denken. Wir müssen die Demokratie retten, unsere Soldaten unterstützen, unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand.
Derlei Sätze werden hundertfach aneinander gereihert, keine große Geste ist zu peinlich, keine Hymne zu laut gesungen, um die Republik in den Staub zu treten. Die res publica, die öffentliche Sache, ist der Feind dieser “Republikaner”, denn Öffentlichkeit, eine lebhafte Debatte, ist das Medium der demokratischen Wahrheit. Beides ist den planlosen Machthabern spinnefeind. Sie versuchen, mit aller Gewalt an einer Macht festzuhalten, die nicht nur obszön ist, sondern in ihrer orgiastischen Form offenbart, daß sie noch in der letzten Konsequenz eine Lüge ist: Diese Macht ist ohnmächtig im Angesicht ihres eigenen Treibens und will es nicht wahrhaben. Müßig zu erwähnen, daß der “Kampf gegen den Terror” nicht nur selbst Terror ist, sondern den Terror der anderen Seite vervielfacht, den sie angeblich beherrschen will. Daß es immer wieder, immer zuerst um Geld und Bereicherung geht, ist die Wahrheit, die nicht ans Licht kommen darf. Daß diese Wahrheit nunmehr für Jedermann greifbar ist und dennoch irrelvant, ist die historische Ironie. Beinahe wie in einem antiken Drama taumelt die Macht in den Abgrund, einem scheinbar unabwendbaren Schicksal folgend.
Die postmoderne Version des Dramas weicht freilich in einigen entscheidenden Aspekten von ihrem antiken Vorbild ab: Sie findet als Realität statt, ihre Könige sind unbeleckt von höheren Prinzipien. Sie haben keinerlei Respekt vor der Macht des nicht gar so göttlichen Schicksals. Die Hybris ist nicht menschliche Verfehlung, sondern der große Plan, der nicht aufgeht, und die Katarsis weicht mangels Einsicht gleich der nächsten irrsinnigen Hybris.
Eher antik gestaltet sich das Bewußtsein der Mächtigen. Die Rationalität, nach der sie handeln könnten, verhallt wie der warnende Chor. Taub gegen dessen Stimmen wird getan, was schon immer getan wurde. Am Ende verliert der König seinen Kopf und wundert sich. Wiederum postmodern ist die Variante, in der ein Heer kopfloser Könige die Realität des eigenen Todes ignoriert.
Diese Farce endet mit dem Absingen der Nationalhymne, ein anderes Lied steht ja nicht zur Verfügung. Das Volk, für dessen Befriedung dieses Theater veranstaltet wird, erhebt sich und singt mit. Das ganze Volk? Nein.
Es ist keine große Leistung von Barack Obama, sich diesem Schwachsinn nicht unkritisch hinzugeben. Wenn er auf die moderne Inszenierung des politischen Realtheaters in Form des anstehenden Rededuells besteht, kann ihm allerdings ein Lehrstück gelingen. Es ist ein Stück über Religionen, über Macht und Verantwortung. Es kann lehren, daß Religion, sei es die bigotte Schaumparty “christlicher” Moralapostel oder die neoliberale Erwerbslehre, nicht mehr zeitgemäß ist – schon gar nicht in Kombination. Es kann lehren, daß Macht wichtig ist. Und es kann lehren, daß Macht Verantwortung bedeutet, ohne die sie ins Chaos führt. Wenn Obama also fordert, daß wer nach Macht strebt, sich öffentlich verantworten muß, erweist er sich als wahrer demokratischer Republikaner.
Daß McCain und seine faden Laiendarsteller das Rennen machen würden, habe ich übrigens keine Sekunde lang auch nur in Erwägung gezogen, da kann die hiesige Journaille noch so durstig an jedem Strohhalm nuckeln, den ihr die Demoskopen hinhalten.
September 25th, 2008 at 07:53
Ich bin inzwischen gar nicht mehr so sicher, dass Obama die Wahl gewinnen wird. MaCain, der sympathische Veteran mit dem Anpackerhandschuh hat sich eine erzreaktionäre, aber jung-dynamische Lady aus dem geografischen Off ins Boot geholt, die genau die Phrasen, Botschaften und “Wahrheiten” verkündigt, die dem entsprechen, was, so fürchte ich, ein Großteil der Amerikaner zu denken glaubt.
Den Rest könnte das bisschen Kampfrhetorik und Aktionismus bringen, die aus republikanischer Ecke gerade – ich denke, bloß der Form halber – gegen “die Bänker” vorgetragen werden.
An einen Wahlsieg Obamas glaube ich inzwischen erst wieder, wenn alle Wahl-Manipulationsversuche der Gegenseite verhindert und alle Stimmen ausgezählt sind. Zu Obamas Gunsten.
September 25th, 2008 at 08:08
Macht, die sich nur auf die Gewehrläufe stützt, ist nicht von Dauer.
(Dalai-Lama, geistliches und politisches Oberhaupt der Tibeter)
Bin zwar kein Fan des Zitatgebers, aber diesen Gedankengang sollte sich so manch Amerikaner, egal welcher Partei zugehörig, durch den Kopf gehen lassen (andere Völker natürlich auch, aber von denen ist hier ja nicht die Rede).
Bisher ist noch jedwede Großmacht in der Geschichte irgendwann Geschichte geworden, darum könnte man von diesem Anspruch irgendwann auch mal ein wenig abrücken (wenn nicht jetzt, wann dann…?)
Nach Machtwechseln fallen aber auch die neuen Machthaber immer wieder in die alten Verhaltensmuster der Vorgänger, um die Macht zu erhalten.
Das Kind muss wohl immer erst in den Brunnen fallen und die Frage ist, ob diese menschliche Gesetzmäßigkeit überhaupt zu ändern ist (nicht theoretisch, sondern praktisch;-)
September 25th, 2008 at 09:27
Die Demokraten sind eine Partei unfähiger Weicheier und Schaumschläger, denen Aggressivität und Bosheit fehlt um eine Wahl zu gewinnen (Clintons Wahlkampagne hatte sie… aber davor? Carter ist nur gewählt worden als Reaktion auf den Nixon-Skandal und dann musst du bis Anfang der ’60er zurück gehen um die letzte demokratische Administration zu finden.) Und bei Obama ist das um keinen Deut anders. Ja, Populist isser. Ja, reden kann er. Aber Präsident wird er nicht. Dafür sind McCain/Palin zu abgebrüht. McCain hat das Netzwerk und die Massen lieben Palin noch mehr als Obama. Diese Wahl kann Obama nicht gewinnen, die kann McCain höchstens verlieren.
September 25th, 2008 at 11:24
Nette Wette. Ich fürchte, ihr überschätztz vor allem Palin, die eine korrupte, unfähige Fanatikerin ist. Sollte es zu einem Duell mit Biden kommen, wird er die Dame verfrühstücken.
Der Wunsch der Amerikaner nach einem Wechsel ist auch noch ungebremst, wenngleich die Begeisterung ein wenig gewichen ist angesichts der deprimierenden Situation. Als Krisenmanager taugt McCain zu gar nichts, sein Versuch, den Wahlkampf auszusetzen, wird uhm zurecht als Schwäche ausgelegt werden. Vor allem aber ist Obama geistig beweglicher als seine Gegner. Diese Ressource ist derzeit Gold wert. Wenn man im übrigen sieht, wie schnell und effizient Obamas Team auf McCains Vorschlag reagiert hat, muß man sich nicht unbedingt Sorgen machen. Die werden nicht mit einem Messer zur Schießerei gehen.
Aber man kann lange argumentieren. Wir werden sehen…
September 25th, 2008 at 13:10
ich hoffe mal, dass Du recht behälst :-/
September 25th, 2008 at 18:25
Sehr schöner Text!
“Daß” solltest du aber durch “Das” ersetzen.
September 25th, 2008 at 19:43
Nö, das wäre nämlich falsch ;-)
September 25th, 2008 at 22:59
@ flatter
Wer ist “uhm” und was wird diesem Unbekannten zurecht als Schwäche ausgelegt werden? Daß er nicht richtig schreiben kann!
;-)
September 25th, 2008 at 23:49
@4 Flatter
es geht nicht darum Palin zu unter- oder überschätzen. Es geht darum, wie die Dame bei den Wählern ankommt, und das tut sie ganz gut.
G.W.B. wird für gewöhnlich auch gewaltig unterschätzt (vor allem sein Intellekt); davon abgesehen hat mit Intellekt noch keiner eine Wahl gewonnen ;)
September 26th, 2008 at 00:35
Die Dame kann man einschätzen, wie man will. Ich gehe davon aus, daß sie sich outet als das, was sie ist. Die Wähler, bei denen sie am Ende noch ankommt, werden die Wahl nicht entscheiden.
Ömm… “gewaltig unterschätzt (vor allem sein Intellekt)” Was soll da bitte unterschätzt werden? Die Raumtemperatur?
September 26th, 2008 at 01:18
@ 10
Du unterschätzt die Wähler bei denen sie ankommt: sowohl in der Einstellung als auch in der Anzahl. Ferner unterschätzt Du GWB: Er ist nicht der, als der er sich in den Medien darstellt. In den Medien stellt er sich als derjenige dar, der Botschaften “einfach” vermittelt. Wer denkt, dass GWB ein Volltrottel ist, hat entweder keine Ahnung, oder ist selber einer. Eine Partei, egal in welche Land, würde keinen Volltrottel zum Regierungschef machen.
September 26th, 2008 at 01:22
… aber zum Finanzminister, so wie hier bei uns.
September 26th, 2008 at 01:32
@12
1. wird dieser nicht gewählt
2. glaube ich nicht, dass dieser ein Volltrottel ist
Das Problem ist, dass die Volksvertreter, egal in welchem Land, nicht mit der Wahrheit rausrücken, sondern nur mit hohlen Phrasen….
September 26th, 2008 at 01:54
“Wer denkt, dass GWB ein Volltrottel ist, hat entweder keine Ahnung, oder ist selber einer.”
Schönen Dank auch. Ich gebe das Kompliment zurück ;-)
September 26th, 2008 at 07:46
Du verwechselst Bushs Auftreten mit seinem Intellekt
September 26th, 2008 at 10:46
Paß ens opp: Du magst mich ja gern für einen Deppen halten, aber ich weiß schon noch, was ich sage und bin nicht dafür bekannt, meine Worte rein zufällig zu wählen. Read my lips: Bush ist noch dümmer als Reagan, du solltest dir vielleicht da eine oder andere Zitat des Herrn zu Gemüte führen. Ich habe ja zur Kenntnis genommen, daß du da entschieden anderer Meinung bist, aber sei doch gut und lasse mir meine, ohne mich zu entmündigen. Fände ich echt gnädig.
September 26th, 2008 at 13:22
@ 7Schläfer: du hast gesagt, keine Partei würde einen Volltrottel zum Regierungschef machen, darauf bezog ich mich, denn unser Finanzminister ist von Parteien zum Finanzminister gemacht worden. Warum du nun als Antwort schreibst, daß der Finanzminister nicht gewählt wird, ist mir ein Rätsel. 1. weiß ich das selbst und 2. solltest du vielleicht mal deine eigenen Texte lesen, bevor du besserwisserisch daher kommst.
September 26th, 2008 at 21:16
@16
das Posting war nicht spezifisch gegen Dich gemünzt! Ich halte Dich nicht für einen Deppen, mich stört nur die Einstellung andere Menschen als “dumm” zu erachten.
September 26th, 2008 at 21:30
@17
das sollte heissen, dass man als Wähler beim Regierungschef Einfluss nehmen kann, beim Finanzminister allerdings nicht. Da habe ich wohl einen Schritt übersprungen. Wahrscheinlich war es auch hier die Einstellung, andere Menschen als Trottel zu bezeichnen, die mich die Reihenfolge und Vollständigkeit der Argumente durcheinanderbringen ließ.