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Jährliches Treffen festangestellter Fachkräfte an der Ostsee

Eine Meldung mit Gewohnheitswert ist heute der Aufmacher bei FR-Online: Die “Nettolöhne sinken”. Eine Studie des DIW belegt nicht nur dies, sondern auch, dass Einkommenssteigerungen in den letzten zehn Jahren (der Zeitraum davor wurde nicht untersucht) Reichen vorbehalten blieben. Wer arm war und ist, wird es bleiben: Die Geringstverdiener haben die größten Verluste zu tragen. Sie haben Reallohneinbußen in Höhe von 22% zu verkraften. Das sind dann übrigens in aller Regel die, denen man keine Erhöhung ihres Regelsatzes zubilligt.

Die Politik hat die Reformschraube überdreht“, kommentiert der DIW-Forscher dies. Merke: “Reform” ist alles, was neoliberal ist, vor allem alles, was Kosten auf Kosten der Mitarbeiter senkt. So etwas ist ein Kahlschlag und keine “Reform”, aber auch das DIW trötet gern die modernen Weisheiten in die Welt hinaus und ist dem Neusprech entsprechend verfallen. Interessant übrigens auch, dass es für das DIW jetzt “die Politik” ist, der mehrfach die Schuld zugesprochen wird. Als seien Arbeitgeber, Vorstände und Teilhaber Opfer der politischen Ideologie. Ein Treppenwitz.

Humankapital, Stückgut

Flankiert wird die ja immerhin löbliche Erkenntnis, dass man von den Löhnen hier nicht mehr leben kann, durch eine weitere Studie des DIW zur Leiharbeit. Das Resultat: “Steigt der Anteil der Leiharbeitskosten an den Personalkosten kontinuierlich weiter, wirkt sich dies negativ auf die Lohnstückkosten aus“. Wer nicht der Religionsgemeinschaft Hayek angehört, hat auch das geahnt. Auch hierin zeigt sich die Irrationalität der Ideologie: Es wird weiter marschiert, selbst wenn alle wissen, dass die Richtung nicht stimmt. Rückwärts nimmer!

Die nähere Begründung für diesen Umstand eröffnet einen tiefen Blick ins Denken solcher Ökonomie:
Schließlich wird zunehmend die Bedeutung des firmenspezifischen Humankapitals der Mitarbeiter für den Erfolg der Unternehmen erkannt. Leiharbeiter verfügen in der Regel aber nicht über dieses sehr spezifische Wissen.

Es schüttelt mich noch immer, wenn ich Vokabeln wie “Humankapital” lese. Eine sich durch und durch individualistisch gebende Ideologie betrachtet die Menschen, die den Reichtum erarbeiten, als formlose Verfügungsmasse. Das ist der Kern eines Weltbildes, das Menschen zu Stückgut macht. Es ist kein Nazivergleich, darauf hinzuweisen, dass dies die notwendige Bedingung für Massenvernichtung ist. Egal übrigens, wem man die Waffen dazu liefert.

Paradiesischst mögliches Paradies

Dass Leiharbeit “spezifisches Wissen” zerstört, ist völlig klar. Nomaden wissen halt nicht allzu viel von “Standort”. Gerade eben das, was sie brauchen, um beim Abgrasen zuzuschauen und weiter zu ziehen. Da ist der Arbeiter tatsächlich so zugerichtet wie das Kapital und seine Eigner, ein einig Schwarm von Heuschrecken. Und dann wird geschrien, man habe keine “Fachkräfte”. Die Alten werden aussortiert, die Jungen herumgestoßen. Wo sind jetzt bloß die Leute, die sich hier auskennen? Da haben Politik und Hochschulen versagt, ja sicher.

Man braucht schon viel Humor, um nicht dauernd zu lachen. Der Neoliberalismus schafft an allen Enden Probleme, die er dann durch mehr vom Selben zu lösen versucht. Seine Methoden widerlegen sich selbst, die Resultate widersprechen stets den Prognosen, er fördert maximale Ungleichheit, generiert Krisen in atemberaubendem Maß und Tempo und das alles im Rahmen eines Menschenbildes, das die Würde zur Ware macht. Willkommen im best möglichen Paradies auf Erden, Ihrer Sozialen Marktwirtschaft®.