spiegelmoskEine sehr gute Analyse zur Situation der Partei “Die Linke” liefert Wolfgang Lieb auf den Nachdenkseiten. Leider zieht er die falschen Schlüsse daraus und überfordert die einzige Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, als müsse sie ein Heilsbringer werden.

Es wird deutlich, dass die Linke ihrem Parteiprogramm zuviel zutraut und doch auf einem vortheoretischen Niveau bleibt. Letzteres ist nichts Schlechtes für ein Parteiprogramm. Wenn es aber im Grunde Gott und die Welt programmatisch erfassen will, ist dies ein Manko. Man müsste sich hier wohl entscheiden, ob es eine konsistente Theorie werden soll, aus der sich alle Positionen ableiten lassen oder sich bescheidener gibt und weniger Festlegungen trifft.

Mehr Selbstbewusstsein

Dass die Partei sich vom neoliberalen Gegner treiben lässt und Medienkampagnen wie die zum angeblichen Antisemitismus im Programm verarbeitet, ist durchaus zu bedauern. Auch ist es nicht wirklich hilfreich, alle Eventualitäten einer Regierungsbeteiligung vorab zu regeln. Sie verkennt dabei, wie Parteiprogramme gemeinhin wahrgenommen werden: Gar nicht. Wer etwa das der SPD liest, wird sich fragen, ob ihre Funktionäre das je zur Kenntnis genommen haben. Selbst Wahlprogramme sind bei den anderen am ‘Tag danach’ nur noch unkomfortables Klopapier. Es ist sympathisch, wenn die Linken das anders sehen, aber ihr Eifer ist auch naiv.

Liebs Hinweis auf die notwendige Medienkritik ist im Kern konsequent und richtig. Ich möchte nicht die Personalfrage aufwerfen, aber bislang war es rhetorischen Großmeistern wie Gysi und Lafontaine vorbehalten, vom Mainstream abweichende Positionen überhaupt so zu vermitteln, dass sie wahrgenommen wurden. Die Linke muss hier sehr viel mehr Selbstbewusstsein entwickeln, denn die Inhalte, die ihre Promis vorbringen, sind auch deren Instrumente. Die Linke ist die Alternative zur Alternativlosigkeit. Sie ist allein dadurch schon attraktiv. Sie muss, auch da hat Lieb recht, ihre Positionen vermitteln und nicht die der anderen ausstechen.

Allerdings kann und darf man ihr nicht abverlangen, gleich ein neues ökonomisches Modell auf die Beine zu stellen. Genau sowenig ist sie gut beraten, sich auf Marx zu berufen, im Gegenteil. Selbst eine ganze Riege blitzgescheiter und uneitler marxistischer Theoretiker würde im politischen Tagesgeschäft hoffnungslos scheitern. Es gibt wahrlich Einfacheres, das die Leute auch schon nicht verstehen. Sonst könnte man ihr vielleicht sogar den Flassbeck ans Herz legen.

Kritische Politik

Die Sehnsucht nach einer Theorie, nach einem noch so blassen Entwurf für eine Zukunft jenseits des der kalten Herrschaft des Kapitals ist verständlich. Auch die Diskussionen hier kreisen immer wieder darum herum. Allein, was soll da werden? Eine paradiesische Utopie, wie es nach dem endgültigen Zusammenbruch neu los gehen soll? Beides, der Zusammenbruch wie die Utopie, sind Mühlräder am Hals eines Politikers, der sich Gehör verschaffen will. Das macht aber nichts, denn die Zeit der Theorien ist ebenfalls passé.

Der Marxismus mündete nicht zufällig in die Kritische Theorie, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich an der gesellschaftlichen Realität abzuarbeiten. Benennen, was falsch ist, analysieren, wie es dazu kam und wem es nützt, erinnern, welche die eigentlichen Ziele sind. Die des Humanismus, die der Demokratie und die des Sozialismus. Wenn die Linke das leistet, ist sie da, wo sie hingehört. Was sich daraus ergibt, kann sie nicht schon vorab ins Programm schreiben. Vielleicht könnte ausgerechnet die Linke sogar die erste Partei werden, die versteht, dass es ein ‘Ziel der Geschichte’ nicht gibt.