Das Grundgesetz soll wieder einmal geändert werden. Diesmal geht es um die Organisation der “ARGE”n, die vor Ort das “Fördern und Fordern” besorgen sollen, also Arbeitslose betreuen und verwalten. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember letzten Jahres festegestellt, daß die Überstellung von Kompetenzen der Kommunen auf die Arbeitsagentur gegen die im Grundgesetz festgelegte “Kompetenzordnung” verstößt. Heute einigten sich die Sozialminister der Länder darauf, die Verfassung entsprechend zu ändern.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei dies eine Detailfrage und es sei im Gegensatz zu anderen Attacken auf die Verfassung (etwa im Bereich Innere Sicherheit) eine Formalie, die da nur en passant geklärt werden müßte. Tatsächlich aber wird auch an diesem Beispiel wieder deutlich, daß sich die Große Koalition der Regierenden Kompetenzen anmaßen, die ihnen nicht zustehen. Niemand wird behaupten, daß die Organisation der Arbeits- und Sozialämter ein Ruhmesblatt deutscher Geschichte sei. Eine Neuorganisation war offenbar angezeigt, und eine Änderung des Grundgesetzes in diesem Zusammenhang wäre durchaus diskutabel gewesen. Allein die Vorgehensweise zeugt aber einmal mehr davon, daß eine Politik nach Gutsherrenart sich nicht um die eigenen Gesetze schert, Ideologie vor Vernunft geht und Inkompetenz das Geschehen bestimmt. Wenn der Chef der “Bundesagentur”, Jürgen Weise, die Zusammenarbeit der BA mit den Kommunen als “Katastrophe” bezeichnet, hat er völlig recht. Ist das aber eine hinreichende Begründung, quasi als Reparaturmaßnahme, die Verfassung zu ändern? Das Gegenteil ist der Fall. Grandios hat die beliebte Chefin der unbeliebten Bundesegierung dokumentiert, daß sie keine Ahnung hat, welche Folgen die “Hartz-Gesetze” haben. Nicht einmal die wichtigsten Eckpunkte von “HartzIV” sind ihr bekannt, geschweige denn hätte sie sich je mit dem Alltag der Betroffenen beschäftigt. Hiermit sind nicht nur die Arbeitslosen gemeint, sondern ebenso die Sachbearbeiter und der ganze zuständige Verwaltungsapparat. Genau dafür gibt es die Kompetenzordnung, die eben dafür sorgen soll, daß nicht auf jeder staatlichen Ebene Gesetze gemacht werden dürfen, die in die Kompetenzen der anderen eingreifen. Eine Zeitlang war der Begriff “Subsidiaritätsprinzip” en vogue, Entscheidungen sollten möglichst auf der untersten Ebene getroffen werden. Diese Vorgehensweise gilt als effektiv, weil die Wege so am kürzesten sind und die Kenntnisse der Lage vor Ort so optimal genutzt werden können. Es darf sogar als “wirtschaftsfreundlich” betrachtet werden, da eine zentralistische Verwaltung besonders bürokratisch und langsam arbeitet. In bezug auf die Kontrolle und Gängelung der Bürger, insbesondere der Armen, weht ein anderer Wind. Von oben herab soll sichergestellt werden, daß die politischen Vorgaben der Parteienherrschaft überall durchgesetzt werden. Daß so etwas im Chaos endet, soll kein Hinderungsgrund sein. Zur Verschlankung der Bürokratie wird halt das Widerspruchsverfahren eingedampft. Wenn die besser informierten Einrichtungen der Kommunen dem im Weg stehen, werden sie halt entmündigt. Wenn die völlige Unwissenheit der zentral Regierenden zu Lasten der Bürger geht, sind diese selbst schuld. Eine bis ins Kleinste verzahnte Propagandamaschine sorgt dafür, daß den Menschen dieser Unsinn als höhere Vernunft eingetrichtert wird.
Dem ist ein Grundgesetz nur im Wege, das bewundernswert durchdacht war. Warum soll es geändert werden? Schafft es doch einfach ab!