Hinter dem beherrschenden Thema des Tages, einem grottenüblen Kick mit glücklichem Ausgang für die deutsche Nationalmannschaft, verstecken sich zwei bemerkenswerte Interviews. Die Sueddeutsche stellt bissige Fragen an Gerhard Cromme, der sich mit seinen Plattitüden zum Thema “Corporate Governance” bzw. “Verhaltenskodex für deutsche Manager” schlicht blamiert.
SpOn liefert ein Gespräch mit Oskar Lafontaine, in dem dieser behandelt wird wie ein ganz normaler Politiker. Für beides muß man schon dankbar sein, und ich bin voll des Lobes.
Die Ausführungen Lafontaines geben einen Hinweis darauf, warum die Linkspartei derzeit so erfolgreich ist. Es sind die Inhalte, für die sie steht. Lafontaine verweist souverän die Fragen nach Machtperspektiven an die Zentralen der anderen Parteien, vor allem natürlich der SPD. Diese habe entschieden, auf Bundesebene nicht zu kooperieren. Er nimmt das hin und fokussiert auf inhaltliche Fragen, konkrete politische Foprderungen, die die Linke stellt.
Aufhorchen ließ mich der folgende Passus, und ich bin ein wenig verwirrt:
SPIEGEL ONLINE: Braucht die Linke ein Bad Godesberg wie die SPD in den fünfziger Jahren, um den Schritt in die Regierung machen zu können?
Lafontaine: Nein, wir übersehen ja nicht die Entwicklung der linken Parteien in Gesamteuropa. Sie geraten in Schwierigkeiten, wenn sie ihre Grundsätze in Frage stellen.

Tatsächlich ist die “Linke” mit ihren politischen Vorstellungen sehr nah am Godesberger Programm der SPD. Dieses ist vor allem deshalb zum geflügelten Wort geworden, weil sich die SPD darin zur Marktwirtschaft bekennt, wenngleich mit deutlichen Einschränkungen gegenüber einem unkontrollierten Marktliberalismus. Nimmt man Lafontaine beim Wort, tritt er für soziale Einschränkungen des Neoliberalismus ein, wie sie im Godesberger Programm zu lesen sind. Daß es eine Marktwirtschaft gibt, nimmmt er schlicht zur Kenntnis und hält daher wohl ein Bekenntnis zu ihr für so notwendig wie ein Bekenntnis zur Luft in der Erdatmosphäre.
Diese Deutung seiner Antwort ist aber schon Spekulation. So gar nicht erschließt sich mir, was “ein Godesberg” für die Linke denn wäre. Weder, was die Interviewer damit meinen, noch, was Lafontaine darunter versteht. Der Tip ist aber doch gar nicht schlecht: Vielleicht sollte die Linke mit dem Original zur nächsten Bundestagswahl antreten. Dann könnten die Wähler sich ganz klar entscheiden – zwischen Sozialdemokratie und SPD.