Pofalla ist für die CDU ein großer Redner
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
24. Jun 2008 0:28
“Kernkraft ist für die CDU Ökoenergie”, sagt er, der GAU deutscher Nuschelrhetorik. “Die Schöpfung” will er “bewahren”. Nun, wer glaubt, ein Mann im Himmel habe die Welt in sechs tagen geschaffen, hat mit Fakten und Begriffen so seine Probleme. Vermutlich hat er all sein wissen aus Quellen wie “Welt.de”, deren strunzdumme Behauptungen zum Komplex “Kernkraft” keiner Einzelkritik würdig sind.
Daß die Lobbyisten der Stromkonzerne und ihrer AKW-Abteilungen womöglich persönliche Gründe haben, diese Trommel zu rühren, sei einmal außen vor. Es gibt jenseits der ideologisch oder sonstwie korrumpierten “Argumente” aber deutliche Hinweise darauf, daß es keinen Sinn macht, jetzt auf Atomstrom zu setzen.
Die CO2-Bilanz von AKWs etwa ist alles andere als unstrittig gut. Zwar ist es offenbar so, daß derzeit noch die gesamte Verwertungskette vom Uranabbau bis zur Endlagerung mittelfristig weniger CO2 hinterläßt als alle fossilen Energieträger, aber selbst das könnte sich in Zukunft ändern.
Darin besteht aber auch schon das einzige Argument, das evtl. für Kernkraft spräche. Das Kernproblem, die rasante Verteuerung der Energie in den letzten Monaten und Jahren, ist hausgemacht, und Reaktionen, die auf kurzfristige Preiseffekte setzen, sind nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch widersinnig. Tatsächlich war es schon lange zu erwarten, daß Energie spürbar knapp und teuer wird. Der Preisanstieg trägt dem rechnung und zwingt zu einem Umdenken, das längst hätte stattfinden müssen. Wenn jeder Schüler vor seinem 14. Lebensjahr schon einige zehntausend Flugkilometer hinter sich hat, stimmt etwas nicht mit der Nutzung wertvoller Energieträger.
“Weiter so” und ein “Zurück in die Kernkraft” helfen da nicht, und wer so mutig ist, AKWs für eine gute Sache zu halten, der sollte sich wenigstens mit der Tatsache befassen, daß sie Rohstoffe brauchen, um zu laufen. Um diese sieht es gar nicht gut aus. Man kann offenbar schon jetzt viel Geld damit verdienen, daß sich Uran rasant verknappt. Die Prognosen belaufen sich auf wenige Jahrzehnte, für die die Reserven noch ausreichen. Schon heute ist absehbar, daß der Abbau aufwendiger und somit teurer wird. Uran ist “kaum sicherer als Öl“. Wer jetzt AKWs baut, gerät mit großer Wahrscheinlichkeit schon während der Laufzeit einer einzigen Kraftwerksgeneration in eine Preisspirale, aus der es gar kein Entrinnen mehr gibt. Deutschland sollte froh sein, den Einstieg in den Ausstieg gefunden zu haben, schon aus Kostengründen.
Die Risiken der Kernenergie, das Problem der Inneren Sicherheit und eine äußerst problematische Lagerung sind dabei noch gar nicht berücksichtigt – nicht einmal auf der Kostenseite.
Wenn also Springer und die CDU im Gleichschritt die Posaune pro Atomstrom blasen, hat das viele Gründe, Vernünftige sind dabei wie so oft nicht zu erkennen.
Juni 24th, 2008 at 09:50
Nur ein kleiner Hinweis:
Uran ist immer noch deutlich unterexploriert. Alle Reichweitenschätzungen gegehn von den bekannten, explorierten und halbwegs sicheren Vorräten aus. Daneben werden in manchen Staaten Vorräte nicht angegebene, da diese dort der Vermögenssteuer unterliegen. Daher gehen immer in 20 bis 40 Jahren die Lichter aus :-)
Des weiteren sind die Rohstoffpreise für die Betriebskosten minimal(Verglichen mit Kohlenwasserstoffen)
Das entscheidende Argument gegen Kernkraft ist das systemimmanente hohe Risikopotenzial und die völlig ungeklärte Endlagerung.
Die Rohstofflage ist es nicht, auch wenn die immer gerne von interessierten Kreisen breitgetreten wird. (Das ist sowas wie die von Windkraftanlagen erschlagenen Adler :-) )
Gruß
Mike
(Fachmann für langweilige Felsformationen)
Juni 24th, 2008 at 11:13
Ich bin wahrlich kein Fachmann für interessante Uranfunde, aber es fällt mir doch auf, daß sich die Meldungen gleichen. Beim Öl waren die Prognosen ja ähnlich, und immerhin haben wir Peak Oil offenbar erreicht. Hinzu kommt, daß der weltweite Uranbedarf explodieren würde, wenn jetzt alle industrieländer massiv auf diese Karte sezten. “Uran statt Öl und Gas” läuft darauf hinaus, daß wir wieder mit Strom heizen. Dieses Konzept ist reiner Irrsinn.
Ich wage übrigens eine Wettte auf weiter stark steigende Uranpreise. Da bin ich einfach ein wohl orientierter Kenner der geliebten Marktwirtschaft.
Juni 24th, 2008 at 12:29
@Mike
Mensch, das schmerzt. War so ein schönes Argument, mit dem man in der Diskussion auch bei energiepolitisch unsensiblen Gemütern immer wieder punkten konnte. Das “systemimmante Risikopotential” wird von diesen Leuten gerne ignoriert ( “ja, in Belutschistan vielleicht, aber unsere superduper deutschen AKWs , die sind sicher” ) ,und das wirklich heftige Problem der Endlagerung ist vielen zu abstrakt. Wie gesagt, “Flasche leer” wird leichter verstanden.
Aber es ist doch schon so, daß der Uranpreis massiv gestiegen ist, seit nicht mehr so viel spaltbares Material aus Abrüstungsbeständen ( Raketenverschrottung) zur Verfügung steht? Und daß – vielleicht weiss der Felsenkundler das – für 1 Tonne Spaltbares ca. 1 Mio Tonnen Abraum umgewälzt werden müssen?
Juni 24th, 2008 at 16:44
Wenn ich den Pofalls so reden hoere – beinahe kein Satz, der ohne “Schoepfung” auskommt – dann krieg ich das Gruseln und es waechst in mir die Befuerchtung, dass demnaechst an deutschen Schulen “Intelligent Design” als Pflichtfach eingefuehrt werden koennte.
Andererseits beruhige ich mich schnell wieder, da gerade Ronald Pofalla eigentlich der performative Widerspruch per se zur These vom “intelligenten Design” ist.
;-)
Juni 24th, 2008 at 20:55
Frankie, es tut mir ja wirklich leid…
Für Eine Tonne Spaltbares werden übrigens bis paar 1000 Tonnen Gestein durchgesetzt.
Die Preise steigen, da der Uranpreis zu Abrüstungszeiten völlig zusammenbrach, denn das überschüssige Waffenuran machte die Preise langfristig kaputt.
Somit wurden unrentable Minen dichtgemacht und die teure Exploration eingestellt. Jetzt kommt das OHWEH der Verbraucher, und eine Uranmine (wieder) in Betrieb zu nehmen dauert teilweise Jahre.
Ergo steigt der Preis.
@flatter: Du hast natüprlich völlig recht, Gas und Öl durch Uran zu ersetzen ist Irrsinn, da zum einen die entsprechenden Lagerstätten erst mal exploriert werden müssen (das dauert Jahre…) zum anderen die Notwendigen Kraftwerke erst gebaut werden müssen (das dauert Jahre) und endlich die Endlagerungsproblematik gelöst werden muß. (Da gibt es noch gespenstische Probleme, die über den gemeinen Pfusch a la Asse hinausgehen)
Die Situation ist aber mit Peak Oil nicht vergleichbar, da die Urangewinnungstechnik sich doch von der Ölförderung signifikant unterscheidet. Ausserdem ist über Öl unendlich mehr an Information verfügbar, so dass jetzt tatsächlich für Öl eine halbwegs fundierte Gesamtschätzung möglich ist. Wobei sich da die Potennziellen Fehler immer noch im Trillonen-Barrel Bereich bewegen.
https://www.nature.com/nature/journal/v445/n7123/full/445014a.html
Nature ist ein ziemlich seriöses Blatt :-)
Der in den letzten Jahrzehnten viel zu niedrige Uranpreis wird sicher weiter steigen. (Wie die anderen Rohstoffpreise auch z.B. Eisen oder Kupfer)
LG
Mike
Juni 24th, 2008 at 22:30
Wer auf Kernkraft setzt, kann wirklich kein As sein (und Pofalla ist sowieso keines). Man denke aktuell nur an Asse.
Juni 24th, 2008 at 22:50
Kernkraft als “Öko-Energie” zu verkaufen ist schon eine ziemliche Dreistigkeit zu einer Zeit, in der im Salzstock “Asse” die radioaktive Suppe durch die Stollen schwappt.
Juni 25th, 2008 at 00:31
Powasweißich könnte ein ernstzunehmender Beleg gegen die Existenz Gottes sein.
Tja, zur Atomkraft fällt mir Tschernobyl ein, wo noch heute die leute unter dem GAU leiden, die Spitze wird sogar erst gegen 2020 erreicht sein (Krebserkrankungen u.ä.). Von Assen, was zur Zeit in aller Munde ist, gar nicht zu reden. Dazu habe ich dann noch lesen dürfen, daß der CO2-Ausstoß auch nicht von schlechten Eltern sein soll bei den Atomkraftwerken, von wegen saubere Energie… Also, ich halte das für einen Schritt zurück, da aber gerade unsere Regierung eh nur rückwärtsgewandt ist (acuh zurück zum Frühkapitalismus – feudale Strukturen bis hin zum dazu passenden Wahlrecht usw.) wundert mich das nicht mehr…