Es wurde hier schon häufig darauf aufmerksam gemacht, daß Kurt Beck bei Spiegel, SpOn und anderen Medien schlecht wegkommt. Das ging so weit, daß ich zwischenzeitlich auf Links verzichtet habe, die auf solche Artikel verwiesen. “Beck-Bashing” ist ein beliebtes Spiel bei all denen, die so gern Steinmeier oder sonstwen an der Spitze der Partei stehen sähen, der Schröderismus ohne Schnörkel verspricht. Ob sie den Münte wiederhaben wollen, den Clement fragen oder eben den angeblich so beliebten Steinmeier – Hauptsache nicht Kurt Beck, der mit den Linken tanzt und deshalb sogar für zukünftig verlorene Wahlen verantwortlich ist. Ein Höhepunkt der SpOn-Kampagne war der journalistische Offenbarungseid unter dem Titel “Zwei Drittel der Deutschen wollen Beck weg”. Boulervard ist nicht erbärmlicher, vor allem aber ist da ein entscheidender Unterschied zwischen “Bild” und “Spiegel”: Letzterer ist mächtiger. Wenn der “Spiegel” etwas meldet, dann wurde bislang vermutet, dahinter stecke schon etwas Wahres. Wenn der “Spiegel” von “Putsch” spricht, dann werden die Messer gewetzt.
Und er spricht von Putsch, expressis verbis, garniert mit einem hohlen “Beck soll weg”.
In der SPD haben Vertreter des rechten Parteiflügels nach SPIEGEL-Informationen über einen Putsch gegen den Vorsitzenden beraten“, wird gemeldet, und ich habe mich schon bei der ersten Lektüre gefragt: Warum nennen sie nicht Roß und Reiter? Was sind “Spiegel-Informationen”? Hat da wer, der es wissen muß, geplaudert? Womöglich jemand, der an solchen Plänen beteiligt ist? Wenn das der Fall ist, wie kann sich ein “Nachrichtenmagazin” in solche Ränkespiele einbinden lassen? Zumal, wenn es ohnehin unter dem Verdacht steht, das Putschopfer selbst geringzuschätzen? Die einfachste Antwort wäre die: Sie tun es aus Überzeugung, der “Spiegel” selbst will Beck loswerden. Es scheint mir auch die plausibelste. Wer aber glaubt solchen Hasardeuren noch ein einziges Wort ?
Sie selbst scheinbar nicht, denn mit dem nachgeschobenen Artikel* erklärt der Spiegel seine angeblichen “Informationen” zu “Gerüchten”. “Putschgerüchte und Parteichaos” überschreibt SpOn die nächste Attacke gegen den Allschuldigen Vorsitzenden und setzt nach:
Die SPD-Rechte berät nach SPIEGEL-Informationen über einen Putsch gegen Kurt Beck, die Umfragewerte sind miserabel, junge Genossen flirten mit der Linken – der Parteichef bekommt seine Chaos-Truppe nicht in den Griff. Aufgeben will er aber nicht: “Ich werde stehen”, verkündet er jetzt.
Unfragewerte, Personalien, Intrigen – SpOn interessiert sich ausschließlich für Machtpolitik und fühlt sich inzwischen berufen, direkt mitzumischen. Wenn Beck nicht freiwillig geht, werden eben schamlos Gerüchte gestreut. Sollte sich wirklich endlich jemand finden, der Beck das Messer in den Rücken rammt, dann wissen alle, wer es geschliffen hat.
Die offensichtliche und aggressive Einflußnahme eines führenden Mediums auf die Bundespolitik ist eine Sache. Moralische Empörung hilft hier nicht, die Arroganz, aus der so etwas hervorgeht, ist für Appelle unzugänglich. Schlimmer noch ist aber die Dummheit, mit der jede Substanz zerstört wird, von der die politische Öffentlichkeit zehrt, allen voran der “Spiegel” selbst. Man wird ihm nichts mehr glauben. Die Beziehungen von Politikern zu solchen Journalisten und umgekehrt werden nichts mehr von Respekt, Ehrfurcht oder kritischer Gegnerschaft haben. Es wird Freunde und Geber auf der einen Seite geben und nur noch Feinde auf der anderen. Man wird nicht mehr miteinander sprechen, jedenfalls nicht ehrlich. Das ist in vielen Bereichen schon heute so.
Und selbst der Einfluß, den man da gern nehmen möchte, entzieht sich selbst jede Wirksamkeit. Nehmen wir an, die Schröderianer, Seeheimer und Neoliberalen in der SPD nähmen das Heft vollends in die Hand – wem soll das nützen? Was soll die SPD mit einem Vorsitzenden Steinmeier? Man kann den Parteichef natürlich auch gleich je aktuell von Emnid bestimmen lassen, dann kann niemand sagen, der unbeliebte Vorsitzende schade der Partei. Aber hat einmal jemand die Mitglieder gefragt? Nicht zuletzt die, die aus der Partei ausgetreten sind? Die Mitgliederentwicklung ist katastrophal, und die SPD hat sich seit Schröder an einen jährlichen Schwund zwischen 23000 und 43000 Mitgliedern, allein durch Austritte, gewöhnt. Daß Sozialdemokraten mit den Sozialisten inzwischen eine neue Partei gegründet haben, sollte doch zu denken geben. Was bleibt von der SPD, wenn die Linken, die Arbeiter und die traditionell wirtschaftskritischen Altmitglieder davongejagt werden? Wer ernsthaft glaubt, eine reine Agenda-SPD wäre auf die Dauer auch nur für 5% gut, baut auf Sand.
SpOn ist das egal. Berauscht von der eigenen Größe, betäubt von der arroganten Sphäre der Macht, in die man sich fest integriert hat, wird die Politik nicht mehr kritisch begleitet, sondern stümperhaft gemacht. Der Schaden, den SpOn da anrichtet, ist kaum überschaubar, ein Nutzen nirgends in Sicht.

* inzwischen hat SpOn umgetitelt in “Parteichaos” – ohne “Gerüchte”. Selbstverständlich geben sie keinen Hinweis auf die ursprüngliche Version. Google ist mein Zeuge, dort findet man den Artikel noch unter “Putschgerüchte + Beck”.