Das Internet – Hort des Hasses
Posted by flatter under KulturKommentare deaktiviert
13. Mai 2008 0:50
Nicht gar so geifernd wie seine Kollegen, aber auch herzlich desorientiert über die Wirklichkeiten läßt sich Jens Jessen über das Internet und seine gehässigen ‘Bewohner’ aus. So beklagt er etwa
“die von allen sozialen und intellektuellen Zugangsschranken befreite Öffentlichkeit“.
Jeder trifft dort jeden, auch solche, die sich sonst aus dem Wege gehen, und so würden Konflikte geschürt und ausgetragen, die sonst nicht stattfänden. Eine Ursache dessen sieht Jessen in dem Umstand, daß man ja nichts zahlen muß:
“Das ist im Prinzip auch mit den Druckerzeugnissen nicht anders, die in einem Kiosk ausliegen; jedoch muss man sie kaufen, und diese kleine finanzielle Zumutung ist offenbar eine zuverlässige Sperre, sich von dem fernzuhalten, was einen nichts angeht.[...] Das ist ein bedeutender Umstand. Der publizistische Frieden bleibt bewahrt durch die Segmentierung des Publikums.”
Dem entgegen steht “das alltägliche Grauen des Netzes“.
Dies Grauen sei real, denn:
“Das Internet als virtuellen Raum zu denken war nichts als ein Irrtum, der durch die Möglichkeit zu Maskeraden, zu Schein- und Tarnidentitäten inspiriert wurde.”
Zu einer solchen Bewertung der virtuellen Realität kommt man freilich, wenn man die Welt im allgemeinen und das Netz im besonderen mit seiner gemütlichen Redaktionswirklichkeit vergleicht, die einem der Nabel der Welt ist. Das “Netz” ist aber unbestreitbar ein Raum. Und er ist virtuell, insofern er körperlos ist. Der virtuelle Raum als solcher ist also einer der Begegnung ohne physische Anwesenheit. Ansonsten spielt sich hier ab, was in der physikalischen Welt auch stattfindet, mit dem Unterschied, daß hier keine Zähne gespuckt werden und niemand tot umfällt. Dazu bedarf es noch einer Begegnung im Real Life. Vergleicht man nun sinnvollerweise das Netz mit anderen Räumen der Begegnung, wird es ganz und gar undramatisch. Herr Jessen sei der Besuch einiger Kneipen und ähnlicher Etablissements empfohlen. Dort wird er Einseitigkeit, Provokation, Extremismus und Hass reichlich finden, ganz wie im Internet. Und auch dort muß man meist keinen Eintritt zahlen. Auch dort gibt es friedlichere und weniger friedliche Ecken. Auch dieser Raum ist nur bedingt segmentiert, und das ist begrüßenswert, auch und gerade für Journalisten. Im Kontext mit dem schönen Thema “Integration” ist das Gejammer immer groß, daß sich da welche friedlich abspalten. C’est la vie, was will er denn?
Ich unterstelle Jessen nicht, daß er mit seiner Einlassung Zeitungskunden gewinnen will oder gar eine böse kapitalistische Gesinnung entäußert. Nein, er ist einer jender Simpel seines Standes, für die Journalismus eben gut und freie Kommunikation im Netz böse ist. Die Betriebsblindheit, mit der er zu Werke geht, ist nur deshalb nicht erschütternd, weil man sich bereits daran gewöhnt hat. Er meint:
“Auf nichts anderem beruht der strategische Einsatz von Videos (auf YouTube beispielsweise), um Politiker zu diskreditieren oder zu promovieren oder auch nur, wie jüngst geschehen, eine private Scheidungsgeschichte öffentlich zu machen. Die Mobilisierung von öffentlichem Hass auf den Ehemann soll sich selbstverständlich nicht auf das Netz beschränken, sie soll in der realen Welt den Prozessausgang beeinflussen.”
Private Scheidungsgeschichten von Politikern oder anderen Promis öffentlich zu machen, ist also das Grauen des Netzes, vor dem der gute Journalismus schützt? Herr, laß Hirn vom Himmel fallen!
Die Konsequenz, die Jessen fordert, ist dieselbe, die Leute wie Jörges und Konken in einem Mix von Anhnungslosigkeit und der Sehnsucht nach der Diktatur beschreien:
“Verhindert werden kann dies nur, wenn das Internet nicht weiterhin als nahezu rechtsfreier Schonraum behandelt wird, sondern die Gesetze, die für andere Medien gelten, auch dort systematisch zur Geltung gebracht werden. Insbesondere Anonymität darf nicht geduldet werden, wenn man nicht zulassen will, dass ein namenloser Pöbel marodierend durchs Netz zieht.”
Wie oft man es ihnen ins Ohr träufeln, vor die Stirn hämmern, geduldig vorbeten, daß das Netz nicht kontrollierbar ist? Es sei denn, man macht es wie China, Nordkorea und andere Staaten, die nicht nur ihr eigenes Volk unterjochen, sondern auch dafür sorgen, daß von draußen nichts Mißliebiges eindringt? Soll er doch deutlich sagen, wie er sich das vorstellt: “Gesetze” “systematisch zur Geltung” zu bringen! Ist er intellektuell dazu nicht in der Lage, oder bringt er den Mut nicht auf? Wie dem auch sei, es bleibt trostlos.
Mai 13th, 2008 at 08:50
[...] mit Bildzeitungsschlagzeilen zu tun haben… aber egal: Also nicht hier rumlesen, sondern schnell abgeflattert. (Hey, einen maroden Wortwitz pro Beitrag müsst Ihr mir gönnen…) Geschrieben von Hokey in [...]
Mai 13th, 2008 at 08:50
[...] mit Bildzeitungsschlagzeilen zu tun haben… aber egal: Also nicht hier rumlesen, sondern schnell abgeflattert. (Hey, einen maroden Wortwitz pro Beitrag müsst Ihr mir gönnen…) Geschrieben von Hokey in [...]
Mai 13th, 2008 at 09:37
Auch reingelesen demletzt, Haken dran gemacht, wieder vergessen…
Lustig fand ich speziell, wie der ehrenwerte Herr von “herrisch”en Bloggern daherfaselt, selbst aber es sich nicht klemmen kann, von seinem hohen Ross herunterpredigen zu versuchen.
Mai 13th, 2008 at 09:37
Auch reingelesen demletzt, Haken dran gemacht, wieder vergessen…
Lustig fand ich speziell, wie der ehrenwerte Herr von “herrisch”en Bloggern daherfaselt, selbst aber es sich nicht klemmen kann, von seinem hohen Ross herunterpredigen zu versuchen.
Mai 13th, 2008 at 14:03
Der von Dir angesprochene Mix von Ahnungslosigkeit und Sehnsucht nach der Diktatur ist für mich der Kernsatz Deines Beitrags zu dem Thema.
Wunderbar auf den Punkt gebracht. Die Herren können es nur einfach nicht ertragen, daß sie als “Wichtigmänner” der “Leitmedien” nicht mehr ernst genommen werden – daher schreien sie auch brav Hurra und freuen sich über ministeriale Schützenhilfe, und sei sie noch so blöd, fad und peinlich.
Arme Johurnalistenbande…
Mai 13th, 2008 at 14:03
Der von Dir angesprochene Mix von Ahnungslosigkeit und Sehnsucht nach der Diktatur ist für mich der Kernsatz Deines Beitrags zu dem Thema.
Wunderbar auf den Punkt gebracht. Die Herren können es nur einfach nicht ertragen, daß sie als “Wichtigmänner” der “Leitmedien” nicht mehr ernst genommen werden – daher schreien sie auch brav Hurra und freuen sich über ministeriale Schützenhilfe, und sei sie noch so blöd, fad und peinlich.
Arme Johurnalistenbande…
Mai 15th, 2008 at 08:39
[...] die Herren Feynsinn gestolpert, die zum Themenkreis “Internet-Anonymität-Hass” eine sehr feines Schriftstück verfasst [...]
Mai 15th, 2008 at 08:39
[...] die Herren Feynsinn gestolpert, die zum Themenkreis “Internet-Anonymität-Hass” eine sehr feines Schriftstück verfasst [...]
Mai 15th, 2008 at 10:15
Mit genügend eigenen leidvollen Erfahrungen bin ich zwar durchaus ausgestattet, wobei ich hier auf Links bewusst verzichte (sonst entspreche ich dem Bild des Link-geilen Hyperbloggers), dennoch verstehe ich Jessens Problem und das jedes Printjournalisten durchaus: Bisher hat er den Mob unter seinen Lesern nur als Lesebriefschreiber kennen gelernt. Das waren wohl oft dann die ganz heftigen, aber eben, die Hemmschwelle war grösser (wann haben Sie Ihren letzten Brief geschrieben?). Jetzt können diese Figuren nicht nur kommentieren, sie können auch ohne jeden Aufwand bloggen, anonym zwar keine Scheiss verschicken, aber entsprechend schreiben. Und das geschriebene Wort, das im Netz eh nie verschwindet, hat mehr psychologische Wirkung als das gesprochene am Stammtisch. Das IST so.
Natürlich sind die Vorschläge zur Abhilfe hilflos, um die Sache mit dem Hirn nicht zu wiederholen…
Es bleibt nur die Demut, mit dem eigenen Beispiel zu versuchen, Contra zu geben. Selbst das tun, was man unter Qualität versteht, ist alles, was bleibt. Und das entspricht der Essenz des eigenen Tuns, wann immer man Schriftliches veröffentlicht: Wir werden immer erstaunt erleben, wie das von anderen wahr genommen wird.
Ob sich Qualität durchsetzt, weiss ich nicht. Ich weiss nur eines: Sie bekommt Leser, und sie erhält sie sich. Ob es viele oder die meisten sind, wage ich nicht zu orakeln. Nur untergehen wird man mit Qualität nie. Gerade dann nicht, wenn die Veröffentlichung nicht die gleichen wirtschaftlichen Mittel benötigt wie ein Print-Erzeugnis!
Mai 15th, 2008 at 10:15
Mit genügend eigenen leidvollen Erfahrungen bin ich zwar durchaus ausgestattet, wobei ich hier auf Links bewusst verzichte (sonst entspreche ich dem Bild des Link-geilen Hyperbloggers), dennoch verstehe ich Jessens Problem und das jedes Printjournalisten durchaus: Bisher hat er den Mob unter seinen Lesern nur als Lesebriefschreiber kennen gelernt. Das waren wohl oft dann die ganz heftigen, aber eben, die Hemmschwelle war grösser (wann haben Sie Ihren letzten Brief geschrieben?). Jetzt können diese Figuren nicht nur kommentieren, sie können auch ohne jeden Aufwand bloggen, anonym zwar keine Scheiss verschicken, aber entsprechend schreiben. Und das geschriebene Wort, das im Netz eh nie verschwindet, hat mehr psychologische Wirkung als das gesprochene am Stammtisch. Das IST so.
Natürlich sind die Vorschläge zur Abhilfe hilflos, um die Sache mit dem Hirn nicht zu wiederholen…
Es bleibt nur die Demut, mit dem eigenen Beispiel zu versuchen, Contra zu geben. Selbst das tun, was man unter Qualität versteht, ist alles, was bleibt. Und das entspricht der Essenz des eigenen Tuns, wann immer man Schriftliches veröffentlicht: Wir werden immer erstaunt erleben, wie das von anderen wahr genommen wird.
Ob sich Qualität durchsetzt, weiss ich nicht. Ich weiss nur eines: Sie bekommt Leser, und sie erhält sie sich. Ob es viele oder die meisten sind, wage ich nicht zu orakeln. Nur untergehen wird man mit Qualität nie. Gerade dann nicht, wenn die Veröffentlichung nicht die gleichen wirtschaftlichen Mittel benötigt wie ein Print-Erzeugnis!
Mai 16th, 2008 at 16:49
schade das ich die zeit schon länger nicht mehr kaufe herr jessens ausfall wäre ein schöner grund es zu lassen.
letztendlich ist es der machtverlust der eliten die sie das netz so hassen läßt, da kommt eine beinharte ständementalität zum vorschein.
demokratie ist nur dann gut wenn sie die eigene macht legitimiert.
um unsere presse und unsere parteien ist es schon länger großteils nicht mehr schade.
ich gönne den printmedien ihren untergang so langsam von herzen, vor fünf jahren hätte ich das so noch nicht gesagt und gesehen.
Mai 16th, 2008 at 16:49
schade das ich die zeit schon länger nicht mehr kaufe herr jessens ausfall wäre ein schöner grund es zu lassen.
letztendlich ist es der machtverlust der eliten die sie das netz so hassen läßt, da kommt eine beinharte ständementalität zum vorschein.
demokratie ist nur dann gut wenn sie die eigene macht legitimiert.
um unsere presse und unsere parteien ist es schon länger großteils nicht mehr schade.
ich gönne den printmedien ihren untergang so langsam von herzen, vor fünf jahren hätte ich das so noch nicht gesagt und gesehen.