godinc“Es darf jetzt keine Denkverbote geben” ist eine Phrase, die sich selbst beim Bullshit-Bingo verbietet. Gerade darum ist sie vielleicht derzeit so beliebt, insbesondere bei der Bundesregierung. Köstlich: Als hätte je irgendwer der Gurkentruppe vom Spreebogen das Denken verboten! Die Ersatzhandlung, die stets an der Stelle erfolgt, wo Denken genau die richtige Maßnahme wäre, würde man ihnen allzu gern verbieten. Das Minimum an Talent, dessen es bedarf, um eine kognitive Anstrengung mit Erfolg durchzuführen, würde man ihnen herzlich gönnen. Allein: Das Wunder bleibt aus.

In einer einzigen Woche soll nun schon die zweite Aufhebung eines Denkverbotes ergehen. Die PKW-Maut will der Verkehrsminister vom Denkverbot befreien, nachdem bereits der Vorschlag ergangen war, HartzIV-Empfänger zur Zwangsarbeit in der Pflege heranzuziehen. Man wird doch einmal darüber reden dürfen. Aber wie Sarrazins rassistisches Hetzen kein “Reden” war, so ist kein “Denken”, was sich über die Gesetze des Verstandes und des Anstands hinwegsetzt, anstatt sich an deren Leitlinien zu orientieren.

Wenn Deppen denken

Schon gar nicht hätte je ein Verbot geherrscht. Was an den Rand der Meinungsfreiheit und ganz sicher weit über den der Konsensfähigkeit hinweg palavert wird, ist kaum je verboten. Es macht sich nur zum Deppen, zum Hanswurst, im günstigsten Fall zum Gesetzlosen, wer es dennoch tut.
Der Sinn ist aber ein ganz anderer: Man stellt sich selbst als Opfer dar. Opfer einer Unterdrückung, die nicht zulassen will, was doch ach so sinnvoll und gut für die Menschheit ist.

Konkret ist das Beispiel der PKW-Maut noch recht harmlos. Als die LKW-Maut eingeführt wurde, waren die Sorgen groß, dass das System für eine Totalüberwachung des Verkehrs genützt werden könnte, da es sich hervorragend dazu eignet. Damals wurde zur Beruhigung behauptet, es werde niemals zu Fahndungszwecken oder für PKW angewendet. Das war eine Garantie. Davon abzuweichen ist kein Denkverbot, sondern ein Betrug. Obendrein ist die dreifache Belastung von Autofahrern durch Mineral- und KFZ-Steuer sowie Maut kein wirklich kluger Gedanke, zumal neben der Pendlerpauschale auch ein Anteil der Maut wieder freigestellt werden müsste, da sie das verfügbare Einkommen absenkt. Denken? Gern, fangt getrost damit an und legt die Machete an den deutschen Steuerdschungel.

Der lästige Artikel 1

Eine ganz andere Kategorie ist die Drohung, Arbeitslose in Pflegejobs zu zwingen, womöglich für einen Euro die Stunde. Was hier als “Denkverbot” deklariert wird, ist dieser lästige Artikel 1 des Grundgesetzes. Das Motiv ist der pathologische Hass auf die Verlierer der Gesellschaft, denen man ihre Freizeit nicht gönnt, in der sie sich mit Schnaps und Spielen von ihrem trüben Dasein ablenken. Bestrafen soll man sie, mit harter Arbeit als Befehlsempfänger, einer Arbeit, von der sie zwar immer noch nicht leben können, die sie aber ganz in Anspruch nimmt.

Das ist schon mies genug, aber die Opfer der Veranstaltung sind noch ganz andere, diejenigen nämlich, denen man solche Sklaven auf den Hals schicken will. Wer pflegebedürftig ist, so die Logik, hat keinen Anspruch auf qualifizierte Fachkräfte, die sich adäquat um ihre Klienten kümmern. Er hat sich vielmehr zur Verfügung zu stellen als Material, das von abkommandiertem Abschaum bearbeitet wird. Die merken ja eh nix mehr, die Alten und Behinderten.

Eine seltsame Vorstellung von Würde muss haben, wer dergleichen befürwortet. Vermutlich muss man Christ sein, um das zu verstehen – wobei die heilige Mutter Kirche ja bekannt ist für ihre strikte Ablehnung von Denkverboten. Kurz vor Ostern kommt dieser Vorstoß daher gerade recht. Wer sich auf die alten Tage pflegen lässt, sollte keine hohen Kosten mehr verursachen und sich ein Beispiel am Erlöser nehmen. Dem ging es in seinen letzten Tagen ja auch nicht besser.