Durch eine Meldung von WDR2 wurde ich heute auf einen Umstand aufmerksam, mit dem sich die “Welt” schon am 12. April befaßt hat: Deutsche Bauern und Landbetriebe finden keine Erntehelfer. Das Thema war schon desöfteren in den Schlagzeilen, zumeist, um Arbeitslose zu diffamieren. Diese werden nämlich regelmäßig unter Zwang zu solchen Arbeiten verpflichtet. Die Bauern ihrerseits verzichten gern auf solche zugewiesenen Arbeitskräfte, weil die Arbeit hart ist und viele Arbeitslose schneller beim Arzt sind und sich ein Attest geholt haben, als sie ein Kilo Gemüse ernten können. Sie arbeiten lieber mit Polen und anderen freiwilligen Saisonarbeitern. Aber auch diese bleiben dem Dienst am Spargel und der Gurke neuerdings fern. Der Grund ist schlicht marktwirtschaftlicher Natur: In Deutschland werden sie zu schlecht bezahlt. In anderen europäischen Ländern verdienen sie mehr.
Den Gesetzen des Marktes gehorchend, müßten also die Löhne adäquat erhöht werden, und es fänden sich auch wieder Arbeitskräfte ein. Diese Art der Marktwirtschaft gefällt aber den Agenturen gegen Arbeitslose und den Agenda-Gesetzgebern nicht. Sie kürzen hier Arbeitslosen den Lohn, denen das Preis-Leistungsverhältnis bei der Ernte nicht zusagt, und helfen den Betrieben, ihre Dumpinglöhne durchzusetzen. Ob gezwungen oder nicht, jedenfalls werden den Tagelöhnern die Einkünfte aufs Existenzminimum aufgestockt, da man davon nicht leben kann. Anstatt also den Betrieben Löhne zuzumuten, mit denen man wenigstens Polen kaufen kann, wird aus öffentlichen Mitteln erzwungene Arbeit finanziert. Dieses Vorgehen, da muß man den Liberalismus in Schutz nehmen, hat mit Neoliberalismus nichts mehr zu tun. Das ist staatlich organisierte Ausbeutung zu Lasten der Steuer- und Beitragszahler, eine Art Sozialismus zugunsten privater Betriebe. Heißen Dank an die “Sozialdemokraten”, die das “Fördern und Fordern” nennen. Wir wissen jetzt, wie’s gemeint ist.
April 25th, 2008 at 07:40
Das ist nicht nur in Deutschland so, in England erwächst es zu einem echten Problem:
https://www.duckhome.de/tb/archives/2376-United-Kingdom-of-Great-Britain-and-Northern-Ireland.html
Wir müssen auch zwischen dem ursprünglichen Marktliberalismus und dem Neoliberalismus unterscheiden. Der Neoliberalismus ist eine Religion der Ahnungs- und Verantwortungslosen. Beraterbuzzwordbingo mit viel zu viel Geld im Hintergrund.
Es gibt das alte Sprichwort:
“Du sollst dem Ochsen der da drischt, das Maul nicht verbinden.”
Gemeint ist er im Kreis laufende Ochse der die Dreschmaschine antreibt. Die Neoliberalen wollen dem gar nichts zu essen geben und ihn zusätzlich noch prügeln.
Am Ende stehen sie vor einem toten Ochsen und rufen nach dem Staat der nun gefälligst einen neuen Ochsen beschaffen soll.
April 25th, 2008 at 09:33
Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob die Bauern dieses Vorgehen der Arbeitsagenturen überhaupt wollen. Die meisten sehen in dieser “Zwangsbeschäftigung für Deutsche” wohl eher einen Standortnachteil.
Sprich, die Politik arbeitet aus blanken ideologischen Gründen und zur Aufrechterhaltung der Lufthoheit über den Stammtischen nicht nur gegen die Hartz-4 Arbeitslosen (die durch diese Knochenarbeit keinen signifikanten Finanziellen Vorteil erlangen, sehr motivierend…) sondern auch gegen die Bauern.
Ich bin wirklich begeistert…
Gruß
Mike
April 25th, 2008 at 21:11
Einspruch! Das ist Neoliberalismus pur. Die neoliberalen “Sklaventreiber” wollen und brauchen den “starken Staat” für sich und ihre eigennützigen Interessen. Denn auf Dauer kann nur der autoritäre Minimalstaat die Privilegien der Reichen absichern.
April 26th, 2008 at 00:23
Ich schwinge mich ja hier nicht zum großen Konrad auf und lege Begriffe fest. Daher sind mir die Einwände klar, und “Neoliberalismus” bezeichnet sowohl eine Nuancierung des Liberalismusbegriffs, als auch eine radikale Marktideologie. Letzteres ist problematisch, da kapitalismuskritische Ansätze nicht zuunrecht den Begriff als generelle Schmähung jener Ideologie verwenden. Es zerreißt aber den Begriff, wenn ein “-Liberalismus” sehr offenbar sogar die Freiheit des Marktes negiert. Insofern habt ihr zwar recht, aber ich weise darauf hin, daß solcher Neoliberalismus eben in keiner Weise mehr “liberal” ist.
April 26th, 2008 at 03:50
Ich sehe die Hatz IV Gesetze als demokratieschädlich an. Sie dienen nur einem einzigen Zweck: Menschen zu zwingen, zu jedem Preis arbeiten zu gehen, daher auch die ganzen Bestimmungen – es muß halt nur “verfassungskonform” verpackt werden. Darin liegt dann wiederum die Chance, sich zu wehren gegen die zu einseitig gegen die Arbeitslosen gerichtete Auslegung des Gesetzes von seiten der ARGEn.
Hartz IV würde rasch kippen, wenn keine Sanktionen mehr verhängt werden könnten und 1. in D endlich ein vernünftiger Mindestlohn eingeführt würde.