Guttenberg von keinem öffentlichen Interesse
Das Autorenkollektiv zu Guttenberg lässt weiterhin zurückweisen, was sich eigentlich nicht leugnen lässt: Einige der vierhundert Seiten wurden gar nicht versehentlich abgeschrieben. Die volle Kooperation zur brutalen Aufklärung habe er im übrigen geleistet, immerhin stellte er sich den brennenden Fragen der Gutachter – nicht in den Weg. “Kein Kommentar” ist ja auch einer.
Die Strategie folgt offenbar folgendem Plan: Guttenberg verweist auf seine Anwälte. Die verweisen auf ein mögliches Strafverfahren. Das wiederum kommt nicht zustande, weil keiner der Betroffenen persönlich Anzeige erstattet hat. Bei einem Urheberrechtsverstoß durch einen Politiker, der Bundesminister wurde und schon als Kanzler gehandelt, besteht kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung. Es werden alle Register gezogen, um der Unschuldskonstruktion zu ihrem Recht zu verhelfen. Kommt der KaTe dann ungeschoren davon, wird dies wiederum das Argument dafür sein, dass er nicht absichtlich plagiiert habe – sonst wäre er doch verurteilt worden. Das muss man dann nur noch erfolgreich dem Wähler vermitteln.
Zu doof für Demokratie
An der Vermittlung scheiterte offenbar auch der Versuch, den Isländern das vulgärdemokratische Grundprinzip beizubiegen: Das Volk hat gefälligst in seine Entrechtung einzuwilligen, wenn es dazu aufgerufen wird. Jetzt haben die Eisköppe schon zum zweiten Mal versagt – der Bank ihre Rettung. Knapp 12000 Euro pro Einwohner sollen die Isländer für die Pleite einer privaten Bank an geschädigte in Holland und England zahlen, zuzüglich Zinsen. Das sehen die immer noch nicht ein, obwohl doch schon die verlangten Zinsen gesenkt wurden auf läppische 3,8%. Diese Wikinger sind einfach zu doof für Demokratie.
Liberalala und die Lehrer
Ralph Bollmann hat in der (No-Link-) FAZ eine bemerkenswerte Analyse des deutschen Liberalismus hingelegt. Kernthese: “Vor nichts haben die deutschen Liberalen mehr Angst als vor dem Markt und vor dem freien Wettbewerb.” Auch die Grünen kriegen ihr Fett weg. Vor allem die Anmerkung, nach einer Umfrage “würde die Partei bei einer Bundestagswahl von 41 Prozent der Beamten mit Hochschulabschluss gewählt“, bereitet Schmerzen. Unter Lehrern steuern sie also auf die absolute Mehrheit zu. So sehen sie inzwischen auch aus. Die Grünen; die Lehrer sowieso.
Die FDP ihrerseits hätte gern einfach irgendwo noch Mehrheiten. Rösler, vermitteln Sie! (Lacher vom Band).
April 10th, 2011 at 13:48
Ralph Bollmann ist jener Dummschwätzer, der sich mit der Einführung von Hartz IV als deren und dessen Verfechter 2005 in der taz profilierte. Da ich bis 2002 Moderator beim taz-Forum war und da dieses Forum als “die Stimmen von unten” eingestellt wurde, war Bollmann für mich ein Indiz dafür, dass die taz einen neoliberalen Schwenk vollführte.
PS.: Mir ist jetzt nicht klar, ob du den Artikel von Bollmann positiv oder eher negativ bewertest? Das heißt, ob du ihn für zutreffend hälst oder eher nicht?
April 10th, 2011 at 13:54
Was Bollmann zu Schröder und HartzIV sagt, bestätigt diese Einschätzung. Das ändert aber nichts daran, dass seine Analyse die FDP und ihr Verhältnis zum Staat betreffend weitgehend richtig und fundiert ist. Diese Ohrfeige von einem politischen ‘Freund’ dürfte mehr schmerzen als jede Kritik von links.
April 10th, 2011 at 14:11
okay.
April 10th, 2011 at 14:12
Wieso stimmen denn in Island immerhin noch 42% für die Insolvenz einer Privatbank zahlen zu dürfen? Wirkt die Propaganda so langsam und bei der vierten Abstimmung haben die dann da ne Mehrheit, oder wie sieht der Plan aus?
Erinnert mich an Irland und Lissabon-Verträge.
April 10th, 2011 at 14:17
Das habe ich auch schon gedacht.
April 10th, 2011 at 14:40
Nicht absichtlich abgeschrieben, wie?!
Heißt das dann nicht auch, dass er ein totaler Voll… ähm, dass er eher soziale (zur Bild und seinen Facebookjubelpersern nämlich) Kompetzenz besitzt?
Aber nee, das kann ich so nicht sagen, dass wäre ja Majestätsbeleidigung.
Hetz… ähm “Meinungsfreiheit” geht ja immer nur von oben nach unten (s. Sarrazin, Clement etc.) WEIL von unten nach oben ist es ja bloß “Neid”, “Jammerei” und Populismus”.
Maul aufmachen in Bälde nur noch mit Advocard oder einem Allgemeinplatz bei Plassberg??
Meinungsfreiheit 2011.
April 10th, 2011 at 15:30
“Die Tradition der Staatsnähe und Konfliktscheue wirkt bis heute. Kein einziger Bundesminister der FDP hat jemals in einem Unternehmen der freien Wirtschaft gearbeitet. Vertreten ist die FDP im Kabinett durch den Rechtsanwalt Guido Westerwelle, den Amtsdirektor Rainer Brüderle, die Patentbeamtin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, den Bundeswehrarzt Philipp Rösler, den Zeitsoldaten und Arbeitsvermittler Dirk Niebel. Deshalb klingen ihre Plädoyers für radikale Marktfreiheit oft so realitätsfern und abgehoben.”
Sehr nett von Bollmann, die Staatsnähe der FDP als ihr historisches Erbe zu bezeichnen. Die Wahrheit ist für meinen Geschmack dann doch ein bisschen trivialer. Der freie Markt ist anstrengend, man weiß schließlich nie, ob man am Ende des Monats die Miete bezahlen kann. Schöner ists dann doch, wenn Papa Staat monatlich 5000 € Minimum überweist. Man kann ja immer noch in der freien Wirtschaft verdienen, wenn der eigene Arsch fest mit dem Abgeordnetenstuhl verschraubt ist -zB in dem man lukrative Vorträge bei Firmen hält, die man vorher begünstigt hat.
Der freie Markt ist eine schöne Sache für diejenigen, die entweder skupellos sind (Mafia) oder aus historischen Gründen schon mit reichlich Kapital gesegnet sind (Guttenberg, Klatten, Quandt und Co.). Man kann immer leicht bei Monopoly gewinnen, wenn einem am Anfang schon die Schlossallee und die Parkstrasse gehören und einige Hotels bereits darauf stehen.
April 10th, 2011 at 15:46
Vor nichts haben die deutschen Liberalen mehr Angst als vor dem Markt und vor dem freien Wettbewerb.
Deshalb heißt das ja auch heute Wirtschaftsliberalismus. Der Positionierungsbetrieb der Großen mit Hilfe der Ausrichtung des Mittelstandes auf sich selber. Liberal, ist nur die Wirtschaft. (Als Ganzes). Der Wettkampf ist dann eine Ebene höher zu verorten. Also, deutsche Wirtschaft gegen franz. Wirtschaft usw. usf. Europäisches Potenzgehabe des schönsten, besten und tollsten BWLers, der nur zweidimensional auf der eigenen Ebene denken kann. Echter Wettbewerb die Ebene darunter, mit wirklicher möglicher Kreativität, wäre nicht mehr steuerbar. Soviel zur Liberalität. Wird sich aber gnadenlos rächen.
April 10th, 2011 at 16:59
das verhalten guttenbergs ist typisch für das in der herrschenden politik übliche verhalten. so lange man in der defensive ist, macht man vernünftig klingende zusagen; doch kaum wittert man wieder oberwasser, tut man genau das gegenteil von dem, was man vorgestern noch zugesagt hat.
sergio leone hat das in ZWEI GLORREICHE HALUNKEN mit eli walach zur darstellung gebracht. nicht, dass er politiker gewesen wäre, aber er hat auch immer alles mögliche versprochen, so lange er auf seinen gegenspieler clint eastwood angewiesen war.
April 10th, 2011 at 17:22
klaus baum
„Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“ *
So einfach kann es sein ;-)
*Konrad Adenauer
April 10th, 2011 at 18:46
Die Uni Bayreuth möchte offenbar standhaft bleiben. Alles andere ließe sie auch noch schlechter aussehen als ohnehin schon. Also wünschen wir ihr mal viel Glück und dass ein eventueller Rechtsstreit nicht gerade vor dem Landgericht Hamburg stattfindet. ;)
April 10th, 2011 at 19:37
Die Abhaengigkeiten der Uni Buyreuth zum Hause Googelsberg wurden schon bis zu abwinken durchgekaut..also was erwartet den die Nation nun ausser abwiegeleien und maximal dem Einraeumen von Versaeumnissen blablabla..? Der adlige Felix Krull ist und bleibt eben das Opfer Linker agitation, komme da was da wolle…
Zu dem Thema ist alles schon gesagt, nur noch nicht von jedem …
April 10th, 2011 at 19:43
Soso.
Da hat doch die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gerade in einem Interview zugegeben, dass “sie sich zur Plagiatsaffäre hätte äußern müssen, gerade aufgrund ihrer Funktion, dies aber bewusst unterlassen hat, um nicht in CSU-Belange einzugreifen.”
Ich bin immer wieder begeistert, wenn sich Politiker selbst die Maske vom Gesicht ziehen. Leider sind häufig die Medien zu obrigkeitshörig oder zu dumm, solche Steilvorlagen mit einem Lächeln zu versenken.
April 10th, 2011 at 19:48
Lutz Hausstein
Das spielt doch alles keine Rolle mehr..was immer sich Politiker reissen ob Maske vom Gesicht oder Kohle in die eigene Tasche,lecker Aufsichtsrats-Poestchen unter den Nagel ..Scheiss drauf,den hirntoten Michel kratzt nichts mehr…leider,leider,leider
666
April 10th, 2011 at 20:56
@Lazarus09
Kann ich gut nachempfinden. Irgendwie ……
April 10th, 2011 at 23:56
Ich befürchte, da ist gar nichts unter der Maske, nicht einmal mehr ein Gesicht, denn das setzt eine irgendwie geartete Persönlichkeit voraus.
April 11th, 2011 at 00:58
Warum muß der nächste Monarch denn unbedingt der TK-Guttenberg sein. Karl Alexander von Hohenzollern halte ich für besser geeignet!
April 11th, 2011 at 07:33
Mir schleierhaft, wie man angesichts der hier sonst so verbreiteten Standpunkte den FAZ-Artikel empfehlen kann. Ist doch nur eine Variante des (pseudo-)marktradikalen Neusprechs, der sich bei genauerer Betrachtung gg. Demokratie u. den damit verbundenen Gottseibeiuns Redistribution wendet. Dass es in diesem Fall mal zulasten der FDP geht, welcher der Abfall von der wahren Lehre als Sündenfall vorgeworfen wird, macht es dann nicht wirklich besser…
April 11th, 2011 at 07:53
Konrad Kujau, der Fälscher der Hitler-Tagebücher bekam als Strafe 4 1/2 Jahre Knast, von denen er 3 absitzen musste. Und das war nur eine “Münchhausen-Affäre”. Guttenberg weiss von seinen Juristen, was ihn im schlimmsten Fall erwartet.
April 11th, 2011 at 08:48
@altautonomer: …und Kujau hat seine Fälschungen alle noch selbst gemalt! Da gab`s noch kein copy & paste. Man darf nicht vergessen, dass Kujau selbst tatsächlich ein hervorragender Handwerker und Künstler ist.
April 11th, 2011 at 11:13
Kujau wurde nicht bestraft weil er die Fälschungen anfertigte, sondern weil er diese Fälschungen als “Echt” verkauft hatte.
April 11th, 2011 at 11:23
@db (18): Wie ich schon unter (2) sagte, halte ich die Kritik Bollmanns für fundiert. Er misst die FDP an ihren eigenen Maßstäben und kommt zurecht zu dem Schluss, dass sie dem nicht standhält. Das ist wesentlich mehr als bloß Neusprech, sonst hätte ich es nicht zitiert. Und warum sollte ich nur Leute zitieren, die meiner Meinung sind? leuchtet mir nicht ein.
April 11th, 2011 at 17:02
@ninjaturkey
Ja, da haste recht! Wahre Künstler werden entweder nicht erkannt, eingesperrt oder müssen ins Exil. Wie seiner Zeit Courbet nach Frankfurt, der die Vendome Säule in Paris gesprengt hatte.
Übrigens: Ich geh davon aus, daß Kujau mehr drauf hat als der “Blaublütler”!
April 11th, 2011 at 17:17
@ Kowalski 21:
Und wo ist da jetzt der Unterschied zu Gutti?
April 11th, 2011 at 17:21
@Lutz Haustein
Naja, den Kunstmarkt zu bescheissen ist ja ein nicht zu überbietendes Kapitalverbrechen…;-)
Der Gutti hat doch nur die verstaubten Aktenordner ein wenig irrelaufen lassen…..
April 11th, 2011 at 17:50
@ 24 Lutz Hausstein
Kujau hatte eine fundierte und qualifizierte Ausbildung, zudem war er ein absoluter Könner in seinem Fach. Seine Fälschungen haben die Fachwelt getäuscht (siehe Hitler Tagebücher)und er ist letztendlich über seine Gier oder sein Ego gestolpert, was mMn das einzige ist was Guttenberg und Kujau gemeinsam haben.
Ansonsten hat Guttenberg eine Arbeit aus Plagiaten talentlos zusammen dilettiert und versucht diesen Mist als Doktorarbeit zu verkaufen.
btw. Kujau ist 2000 gestorben.
April 11th, 2011 at 18:43
Mir ging es doch vor allem um die Aussage “diese Fälschungen als echt verkauft”. Nicht anderes hat Gutti auch getan. Solange, bis es gar nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Und noch ein bisschen darüber hinaus.
Wenn Kujau damals dafür ins Gefängnis musste, was müsste dann Gutti? ;-)
republica bananas
April 11th, 2011 at 20:44
So gesehen hast Du natürlich recht.
Kujau hat es z.B. dem Stern für echt verkauft und Geld dafür erhalten.
Guttenberg hat uns sein Pamphlet aka Doktorarbeit für echt verkauft und Ämter dafür erhalten.
Beides ist für mich vorsätzliche Täuschung aber ich bin mir nicht sicher ob Guttis Tat justitiabel im strafrechtlichen Sinne ist.
Meinem empfinden nach schon, doch das ist nicht relevant.
April 11th, 2011 at 22:21
….@Kowalski…………”justitiabel im strafrechtlichen Sinne ist”…………wird´s wohl nicht sein….Mutti hat ihn ja nicht wegen des Dr. als Minister eingestellt……lach……..
April 11th, 2011 at 23:23
… ja stimmt.
Und Kujau war ja auch nicht Hitlers Biograph ;-)