Vorab: Ich halte mich nicht für linksradikal, sondern empfinde meinen politischen Standort eher als “sozialliberal”. Aber auch aus dieser, meiner ganz persönlichen “Mitte” heraus, ist ein Zustand erreicht, der drastische Maßnahmen rechtfertigt.
Nachdem schon die Verhandlungen im Öffentlichen Dienst nach dreisten “Angeboten” der öffentlichen Arbeitgeber zu einem lächerlichen “Vorschlag” der Schlichter geführt haben, erfolgt nun ein Angebot der Arbeitgeber im NRW-Einzelhandel, das dem Faß den Boden ausschlägt. Schlimm ist nicht nur der Versuch, weitere Reallohnsenkungen durchzusetzen, schlimmer ist noch die dummdreiste Propaganda, mit der dieser Schwindel schöngerechnet wird. Nachdem sich Gewerkschaften jahrelang “Lohnzurückhaltung” haben aufschwätzen lassen, sollen die Belegschaften künftig für weniger Kaufkraft mehr arbeiten. Die Arbeitgeber rechnen derweil “Brutto + Netto = Netto” und lügen Zahlen in die Welt, angesichts derer jeder Zweitklässler die Augen verdreht.
Man kann es auslegen, wie man will: Arbeit soll sich nicht lohnen. Manager, Arbeitgeber und ihre neoökonomischen Experten behandeln Angestellte als reine Kostenfaktoren. Am liebsten würde man sie ganz eliminieren, aber es kann halt nicht alles von Maschinen erledigt werden. Da man bislang nur die Maschinen besitzen kann, die also Mehrwert erzeugen ohne Forderungen zu stellen, muß man sich zu den Mitarbeitern etwas einfallen lassen. Zunächst war das die “schlechte” Wirtschaftslage, der Preis der “Globalisierung”, die zur freiwilligen Selbstausbeutung geführt hat. Da sich aber die hohen Gewinne der letzten Jahre nicht verhehlen lassen, greift man zu allen denkbaren Taschenspielertricks. Ein Medienkonzern tummelt sich im Postgewerbe, kauft sich als Arbeitgeber eine Gewerkschaft und “berichtet” mit Millionenauflage, warum das alles gut und richtig ist. Ein Konglomerat aus Wirtschaft, Politik und Medien macht uns nach wie vor weis, Gewinnerwartungen von 25% für “Anleger” seien ebenso normal wie Reallohneinbußen noch bei bester konjunktureller Lage.
Wenn ver.di nun feststellt, daß man über solche “Angebote” gar nicht erst verhandelt, ist das nicht nur richtig, sondern notwendig. Aber nicht nur das konkrete Angebot ist nicht mehr verhandelbar. Es kann nicht zur Debatte stehen, ob sich Arbeitnehmer in diesem Land weiterhin derart verarschen lassen, wie das in diesen Tagen zelebriert wird. Es wäre Zeit für einen Generalstreik. Einen Streik, an dessen Ende diejenigen endlich abtreten, die für die menschenunwürdige neoliberale Ära verantwortlich sind.