Die geschätzten Kollegen Chat Atkins und Jochen Hoff werfen die Frage auf (Diskussion dazu bei letzterem), wie es um die Verantwortlichkeit von Managern steht. Nicht zuletzt kommt der Zweifel auf, ob und inwieweit die Herren sich im Klaren sind über die Folgen ihres Tuns. Die aktuelle Ideologie des Kapitalismus zeichnet sich in bemerkenswerter Weise dadurch aus, daß die “Argumente” einer Logik, zumindest einer Linie folgen, ohne daß ersichtlich wäre, wer da in wessen Interesse und auf welcher Basis diskutiert und entschiedet. Daß man “Marktgesetze” postulieren und interpretieren kann, ist unbestritten. Aber wer stellt die Fragen nach der Wahrheit, der Relevanz, den Prioritäten und den Folgen? Wo wäre etwa eine Grenze, an der Ökonomie sich vor etwas ihr Äußerem rechtfertigen muß? Und kann sie das überhaupt? Ist es die Aufgabe eines Managers, sich Gedanken über die sozialen Folgen seines Handelns zu machen? Ist es die seines Auftraggebers? Ist es Aufgabe “der Politik”, solche Fragen zu stellen, Antworten zu finden und Entscheidungen daraus abzuleiten? Sind die Vetreter von Eigentümern und Unternehmen darauf zu verpflichten, sich aus der politischen Debatte herauszuhalten? Oder sind sie darauf zu verpflichten, in der Debatte auch solche Aspekte zu berücksichtigen, die nicht mit ihren Interessen und Arbeitsweisen zu vereinbaren sind? Hieße das wiederum, daß unternehmerische Entscheidungen nur mit Rücksicht auf soziale Folgen zu treffen wären?
Ist es darüber hinaus so, daß eine “Globalisierung” wirtschaftlicher Strukturen und Sachzwänge einer sozialen Verantwortung der Unternehmer und Eigentümer entgegenstehen?
Die Sache ist nicht so einfach. Vor allem ist sie nicht so einfach, wie sie von neoliberalen Lautsprechern stets gemacht wird. Schon gar nicht sind solche Vereinfachungen ungefiltert von Parteien und Medien zu übernehmen. Was mir auffällt ist, daß es in der Geschichte der Kulturen immer Philosophien gegeben hat, in deren Mittelpunkt die je aktuellen Fragen der gesellschaftlichen Wirklichkeit standen. Es war jeder Oberschicht ein “Muß”, in solcher Philosophie gebildet zu sein. Daraus resultierte immer zweierlei: Ein (gebremster) Fortschritt des Wissens über das Hier und Jetzt sowie die Ausbildung einer herrschenden Ideologie.
Zu keiner Zeit aber war die herrschende Klasse so ungebildet und tumb gegen ihre eigene Zeit wie heute. Selbst Machiavelli, die geheime Inquisition oder staatstragende preußische “Aufklärer” waren so weit auf der Höhe ihrer Zeit, daß sie ihre ideologischen Pamphlete nah an den Zweifel über ihr Tun heran brachten. Selbst das finstere Mittelalter produzierte en masse Dissidenten in den Reihen derer, die für den Erhalt der Herrschaft zuständig waren. Es gibt philosophische Disziplinen, Schulen und Kategorien für alles, das soziale und politische Relevanz hat: Ethik, Moraltheologie, Rechtsphilosophie, Utilitarismus, Ästhetik, Dialektik, Idealismus… Philosophie eben. Selbst die autoritärsten Herrscher scharten Gelehrte um sich, die noch selbst denken durften. Es hat sie diese wohl beizeiten den Kopf gekostet, aber ihre Wahrheit war dann immerhin ausgesprochen und wirksam.
Und heute? Welche Rolle spielt das Glück des Einzelnen, der Glanz des Monarchen, das Schicksal des Ganzen, das Gute, Wahre und Schöne? Welche Relevanz haben die Menschenrechte, wenn eine unternehmerische Entscheidung getroffen wird? Wer interessiert sich für solche Fragen in Politik und Medien?
Nein, sie wissen nicht, was sie tun. Sie wissen nicht einmal mehr, daß sie es nicht wissen. Die Leistungsträger und ihre Zuträger sind völlig unbeleckt von philosophischer Bildung, und zumindest für dieses Land gilt, daß diese Dummheit längst auch an den “Universitäten” Einzug gehalten hat. “Cogito ergo sum”? Descartes wäre heute ein linksradikaler Kulturpessimist. Man würde ihm ankreiden müssen, er behaupte die Nichtexistenz der Menschheit.
Dabei müßte es nicht einmal “Philosophie” sein, schon gar nicht die große. Ein kleiner Zweifel hier und da wäre völlig ausreichend. Aber den können wir uns wegen der harten Konkurrenz im globalen Wettbewerb nun einmal nicht leisten.