Im Zusammenhang mit meinem Artikel von gestern wurde ich auf einen Artikel aufmerksam gemacht, der sich mit Studien genau zu der aufgeworfenen Frage befasst, die zu bemerkenswerten Ergebnissen führten:

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„Fakten haben nicht unbedingt die Macht, unsere Meinungen zu ändern. Tatsächlich gilt eher das Gegenteil.

Stattdessen scheint es, dass uninformierte Menschen oft die stärksten politischen Meinungen haben.

Vielleicht noch erschütternder: Diejenigen, die am sichersten waren, recht zu haben, waren bei weitem diejenigen, die am wenigstens über das Thema wussten.

Charles Taber und Milton Lodge von der Stony Brook University zeigten, dass politisch gebildetere Denker noch weniger offen waren für neue Informationen als weniger gebildete.“

Niemand revidiert je seine Meinung

Der letzte Satz mag ein wenig verwirren: Zuvor wurde deutlich, dass die Ahnungslosen zuallerletzt Zweifel an ihrer Meinung hegten, schließlich wird aber behauptet, gebildetere Menschen seien am wenigsten bereit, neue Informationen in ihr Meinungsbild einfließen zu lassen.

Das muss kein Widerspruch sein. Es hieße lediglich, dass im Grunde niemand je seine Meinung revidiert, bloß weil es neue Fakten gibt. Es hieße, dass mangelndes Wissen durch Treue und Ignoranz kompensiert wird, frei nach dem Motto: “Meine Partei hat immer recht”. Es hieße darüber hinaus, dass Bildung zu der Erkenntnis führt, dass sich Sachlagen ändern können, dass Menschen gern bereit sind, neue Informationen zu verarbeiten, solange sie nicht unmittelbar das vorgefertigte Bild zerstören. Es heißt vor allem, dass Fakten nahezu keinerlei unmittelbaren Einfluss haben auf die Bildung von Meinungen.

Dass dies sogar nachhaltig der Fall sein kann, zeigt die Trotzreaktion der Guttenberger. Das war der Anlass für mich, nach der Relevanz von Verstand in der politischen Debatte zu fragen. Ich befasse mich durchaus nicht zum ersten Mal mit diesem Phänomen, vielmehr war es ironischer Weise sogar ein Kernthema meiner Promotion. Dass alle Rationalität suggestiv ist, dass es kein Wissen gibt, welches nicht von Motiven geprägt ist, meine These.

Ein Betrug führt zum nächsten

Allerdings fragt sich, ob es wohl überhaupt noch einen Einfluss von Erkenntnis auf Meinung gibt und wie dieser gemehrt werden könnte. Eine meiner Thesen war dabei die, dass der Vorteil rationaler und faktenreicher Weltbilder in ihrer Stabilität liegt. Einfacher: Wenn ich nicht ständig mich und andere belüge, muss ich meine Scheinwelt nicht ständig mit Updates an die sich entfernende Wirklichkeit anpassen. Wo ein Betrug zum nächsten führt, geht irgendwann jeder Zusammenhang verloren. Bis dahin ist allerdings alles möglich und selbst der dümmste Quatsch hat prima Chancen, zu herrschendem Wissen zu werden.

Es ist also ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist Propaganda das Mittel Wahl. Will man Menschen beeinflussen, muss man sie manipulieren. Stakkatohaft mit einfachen wiederholten Botschaften beschallen. Möglichst Reizkopplungen nutzen: Begeisterung, Sex Appeal, Aussicht auf Lust und Erfolg an einfache ‘Wahrheiten’ binden. Das funktioniert. Der große Nachteil dieser Methode: Das können andere auch. Ein weiteres Problem: Sind die Menschen erst einmal so programmiert, hat man keine plausible Erklärung, wenn die eingeimpfte Meinung auf eine abweichende Realität prallt. Daraus resultieren Spannungen, die sich unkontrolliert entladen können.

Eine weitere Einschränkung der oben skizzierten Katastrophe besteht in der Langzeitwirkung von Überzeugungen. Die Erfahrung lehrt, dass Informationen oder Argumente, die zunächst zurückgewiesen werden, dennoch in die Meinungsbildung einfließen können. Etwas, das man plötzlich sieht, mag man eine Weile aus Trotz ignorieren, es ist aber nicht aus der Welt geschafft.

Die Attraktivität der Propaganda

Gefährlich ist angesichts dieser Erkenntnisse die Attraktivität der Propaganda auch für diejenigen, die eigentlich überzeugen wollen. Die Parteien sind längst sämtlich der verdummenden Propaganda verfallen, die vermeintlich durch ihre kurzfristig bestätigte Wirkung erfolgreich Wahlen beeinflusst. Dass sie auf Dauer aber mehr schaden als nutzen, schlägt sich u.a. in der stetig sinkenden Wahlbeteiligung nieder.

Umso wichtiger sind wiederum Journalisten und ihre Medien. Deren Unabhängigkeit ist die einzige Chance auf eine relevante Meinungsvielfalt, die wiederum eine Chance für Argumente bietet. Wo alle dasselbe erzählen, sind ‘falsch’ und ‘richtig’ verlorene Kategorien. Dass gerade in diesem Zusammenhang der Fall Guttenberg ein Lehrstück darstellt, darauf verweist auch Stephan Hebel. Dass es schon wieder einer von der FR ist, der den Knall gehört hat, ist eher entmutigend. Die Presse ist Lichtjahre davon entfernt, unabhängig zu berichten, vom Fernsehen einmal ganz zu schweigen.

So stellt sich am Ende die Frage, wohin das alles führen soll. Dass Blogger die Demokratie nicht retten, sollte inzwischen klar sein. Wenn die großen Medien also nicht endlich mehr für ihre Unabhängigkeit tun, hat am Ende doch der Italiener recht, der zuletzt erklärte, soweit wie Berlusconis Medienlandschaft wären wir hier noch nicht – mit der herzlichen Empfehlung wohl, so etwas auch hierzulande einzurichten.