Mir ist in den vergangenen Tagen aufgefallen, daß es nicht immer hilfreich ist, über ein Thema so viel wie möglich zu wissen oder gar eine Ausbildung vorweisen zu können, die jemanden als “Experten” ausweisen. Selbstverständlich ist ein gewisses Grundwissen Voraussetzung zur sinnvollen Teilnahme an einer Diskussion. Mindestens so nützlich ist meist eine solide Allgemeinbildung, wenigstens aber die Fähigkeit und der Wille sich “schlau zu machen”, wenn es in die Tiefe geht.
Etwas ganz anderes als die Kenntnis von Hintergründen sind die Fähigkeit und der Wille, zu überzeugen. Hier stehen gerade die (gern selbsternannten) Experten oft in einem fahlen Licht. Wenn jemand etwa anbringt, er sei seit zweiundneunzehn Jahren in der IT-Branche tätig, womöglich gar selbständig, dann ist das schlicht kein Argument dafür, einen relevanten Wissensvorsprung zum Thema “Internet” zu haben. Nicht nur ein studierter Wirtschaftswissenschaftler kann fundiert zum Thema “Marktwirtschaft” argumentieren. Im Zweifelsfall wird aber das angebliche Expertentum selbst häufig zum (Totschlag-)Argument. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Experte, der nicht überzeugend argumentieren kann, ist keiner. Jedenfalls nicht im Rahmen einer Diskussion. Er mag sich selbst ein äußerst fundiertes Bild der Lage machen, aber wenn er es nicht vermitteln kann, ist er fehl am Platze.
Im bezug auf Nachrichten und ihre Auswertung sind Blogger ein zurecht selbstbewußtes Völkchen, das sich von Journalisten die Welt nicht vorkauen läßt. Für viele ist die Unzufriedenheit mit der Qualität journalistischer Erzeugnisse ja gerade der Grund, selbst zu publizieren. Inwieweit dieses Selbstbewußtsein im Einzelfall simple Selbstüberschätzung ist, will ich nicht diskutieren. Es ist mir allerdings daran gelegen, daß die Öffentlichkeit der Laien, die Blogs darstellen, das Gegenteil von Expertentum und Stellvertreterpublizistik ist. Wir sind keine ausgebildeten Informationsarbeiter, sondern äußerungsfreudige Menschen, die ihre Gedanken kundtun und austauschen. Das hat vor allem den Vorteil, daß wir uns auf einem großen Forum der Konkurrenz um Überzeugungen stellen müssen. Es macht da keinen Sinn, möglichst vielen Leuten irgend einen Blödsinn unterzujubeln. Das haben verdammt viele Blogger nicht kapiert, vor allem diejenigen, die glauben, es hätte eine Bedeutung, soundsoviele Links vorweisen zu können oder mehr Leser zu haben als andere. Letzteres ist auf lange Sicht natürlich ein Kriterium, aber nur dann, wenn die Besucher wirklich lesen wollen, was man schreibt. Sie mit ganzjährigem Karneval anzulocken oder immer dieselben Claqeure zu versammeln, sticht nicht. Das kann das lokale Anzeigenblättchen besser.
Was mich erfreut, sind gute Argumente, wohlgesetzte Spitzen und vor allem die richtigen Fragen. Wenn ich sehe, daß jemand eine Meinung hat und sich kultiviert zu streiten weiß, bin ich da, wo ich hin will. Leute, die immer schon die Weisheit mit Löffeln gefressen haben oder ihr häßliches Ego mit dem öligen Lappen polieren, öden mich an.
Also: Immer her mit den Neugierigen, die trotzig den kleinen Sinn im großen Ganzen suchen!