Magische Ökonomie oder politische Aufklärung?
Posted by flatter under Journalismus , Politik , Wirtschaft[14] Comments
20. Feb 2011 15:36
Wenn ein kleiner Teil der Öffentlichkeit – Publizisten, Politiker, Wissenschaftler – fordert, es müsse das Primat der Politik hergestellt werden, dann bezieht sich das zumeist auf die Entscheidungen, die im politischen Kontext getroffen werden. Parlamente, Regierungen, Ausschüsse, die unter Einflussnahme von Lobbyisten und im Sinne einer herrschenden ökonomischen Lehre handeln, anstatt sich zu fragen, wer sie gewählt hat und wie sie diesen Menschen gerecht werden können.
Bildquelle: Wikimedia Commons/Bundesarchiv
Es kommt schon kaum mehr jemand auf die Idee zu fragen, inwiefern politisches Handeln auch in der “Wirtschaft” selbst stattfindet und inwieweit eigentlich die Handelnden dafür qualifiziert oder legitimiert sind. Nicht nur, dass Wirtschaftsführer, die Politik beeinflussen auch in dieser Hinsicht ihr Tun überschauen sollten. Spätestens, wenn sie politisch relevant handeln, muss die kritische Öffentlichkeit danach fragen, ob dies auch legitim ist. Das hört auf, wo Joe Ackermann im Kanzleramt ein- und ausgeht und beginnt beim privaten Gespräch potentieller “Investoren” mit dem Gemeinderat.
Nun wird aber gerade von Ökonomen gern stur geleugnet, wirtschaftliches Handeln habe eine politische Dimension, die zu berücksichtigen wäre. Der Grundtenor ist der, es gebe objektiv günstige und weniger günstige ‘Standortfaktoren’, die von der Politik zu schaffen seien. Dabei wird verschwiegen, dass es sich dabei immer um Interessenskonflikte handelt, bei denen der eine den Vorteil und der andere das Nachsehen hat. Da ist nicht allzuviel “objektiv”, und “wissenschaftlich” ist das schon gar nicht. Eine Ökonomie, die sich zur Verfügung stellt, um strategische Interessen sog. “Marktteilnehmer” zum objektiven Sachzwang zu verklären, hat jede Reputation verspielt und ist nicht zu legitimieren.
Instrument von Interessenten
Wenn also der begründete Verdacht besteht, dass eine wissenschaftliche Kaste (von Ökonomen) sich zum Instrument von Interessenten (der Finanzwirtschaft) gemacht hat, ist spätestens der Zeitpunkt gekommen, an dem jede relevante Personalie in der “wissenschaftlichen” Ökonomie zu hinterfragen ist. Umso mehr, wenn es sich um ein hochrangiges öffentliches Amt handelt. Der Fall des Wechsels von Weber zu Weidmann an der Spitze der Bundesbank ist also ein Politikum ersten Ranges, ein Aufruf zu strenger kritischer Prüfung.
Äußerst enttäuschend fällt in dieser Hinsicht aktuell der Artikel von Robert von Heusinger und Markus Sievers dazu aus. Da werden zur Eloge die Meinungen von Ökonomen zum Ökonomen eingeholt, da wird die Bankenrettung ernsthaft zur Zauberei verklärt: Ein “fast magisches Trio” seien Weidmann, Asmussen und Weber bei der ‘Bankenrettung’ gewesen. Kein Wort von Interessen, vom Einfluss Ackermanns, von der Verteilung von Gewinnen und Risiko auf Banken und Steuerzahler.
Magie? Ja sicher: Billigstes Varieté, an dem sich posthum jetzt auch Heusinger beteiligt. Dabei wird wiederholt die Frage nach “Unabhängigkeit” genannt, ohne je gestellt zu werden. Wer hat wen beeinflusst, wer mit wem gesprochen, wer warum was entschieden? Darüber liegt der Schleier der “Magie”. Erbärmlich. Erwartet hätte ich die Frage nach Alternativen. Wenn ein Grünflächenamt Rasenmäher kauft, wird das europaweit ausgeschrieben. Der Chef der Bundesbank aber wird mal eben benannt. Wo keine Alternativen sind, da ist Zwang. Wo dieser innerhalb undurchschaubarer Zirkel ausgeübt wird, herrscht Korruption. Politisch ist das nicht, Politik erfordert Transparenz und eine überzeugende Wahl bei der Besetzung öffentlicher Spitzenämter.
Bildquelle: א(Aleph)/Wikimedia Commons
Journalistische Blaskapellen
Wenn aber die Öffentlichkeit schläft und in Form journalistischer Blaskapellen zur Freude und Feier der Herrschaft aufspielt, kann man nicht erwarten, dass sich im inneren Zirkel jemand Gedanken darüber macht, ob die Entscheidungskriterien den Ansprüchen demokratischer Politik entsprechen. Wo einst die Macht einer kontrollierenden Öffentlichkeit drohte, waltet meist nur mehr kritiklose Kumpanei.
Dabei geht es auch anders. Lucas Zeise etwa nimmt die politisch motivierte Ökonomie der Bundesregierung auseinander, zeichnet den Weg von Tietmeyer bis Merkel und nennt Ross und Reiter. In der gebotenen Kürze zwar, gelingt es ihm aber, sowohl einen Einblick in ökonomische Zusammenhänge zu vermitteln als auch in die Verflechtung eines Politikansatzes mit einer bestimmten Sichtweise von Wirtschaft. Er kommt dabei nicht zufällig zu interessanten Schlüssen, zu denen die meisten seiner Kollegen nicht mehr fähig sind. Die riskieren halt auch ungern die doppelte Majestätsbeleidigung gegen die Mächtigen in Politik und Wirtschaft.
Februar 20th, 2011 at 19:06
Politik erfordert Transparenz und eine überzeugende Wahl bei der Besetzung öffentlicher Spitzenämter.
Das ist doch das nichtendende Problem Vetternwirtschaft Seilschaften Klüngel Filz..der Bürger bekommt alle paar Jahre die möglichkeit eine Wahl aus der Vorauswahl zu treffen und glaubt er habe gewählt…fein gelenkt durch unsere offiziellen Qualitäts Pressehauptorgane …
666
Februar 20th, 2011 at 19:32
Genau. Und hat in Hamburg endlich wieder soziale Gerechtigkeit gewählt.
Februar 20th, 2011 at 19:45
Jetzt kann sich der Michel beruhigt zurück lehnen,es geht aufwärts
:-D
Februar 20th, 2011 at 20:01
“Jetzt kann sich der Michel beruhigt zurück lehnen,es geht aufwärts
:-D”
Stimmt. Der nächste Berg liegt vor uns.
Februar 20th, 2011 at 20:19
“Genau. Und hat in Hamburg endlich wieder soziale Gerechtigkeit gewählt.”
D… Das erste Statement in der “Elefantenrunde” vom SPD-Ole: Sparen, Wirtschaft und Sicherheit…
Das waren schon immer die zentralen Themen der SPD.
Februar 20th, 2011 at 22:04
Demokratie ist ein Mäntelchen, dass sich die von den Herrschenden beauftragten Regierenden umhängen dürfen, solange das höhere Profite garantiert als eine Diktatur.
Keine Regierung der Welt kann heute noch gegen die Interessen der Großbanken handeln, denn die Macht kommt nicht mehr, wie vielleicht noch zu Maos Zeiten, aus den Gewehrläufen, sondern von denen, die in der Wirtschaft das Sagen haben.
Wenn sich Unternehmer fragen, ob ihr Handeln der Demokratie dient, dann sind das weiße Raben wie Götz Werner, aber die meisten Unternehmer werden sich fragen, ob ihr Handeln dem Ertrag, dem Profit des Unternehmens dient. Und zwar bei Strafe der Pleite.
Trotzdem will ich nicht sagen, dass Politik keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten hätte. Aber da eher auf Umfragen geschielt wird als auf die Bedürfnisse der Bürger, engen die Politiker ihre Möglichkeiten oft noch mehr ein.
Februar 20th, 2011 at 22:11
->Bonsta
Ja die Demenz .. wer hat uns verraten…Sozialdemokraten,und wer war dabei die gruene Partei .
Is’ ja zum kotzen ,warte ert ab was morgen das regierungsamtliche Zentralorgan BILD schreibt .
Das ist eben unsere Buergerliche Demokratie Farbe,Richtung egal denn sie ist das Werkzeug zur Ausbeutung und Unterdrueckung der Mehrheit der Bevoelkerung, ein Werkzeug in den Haenden der reichen Minderheit zur Aufrechterhaltung ihres verfassungsmaeßig garantierten Vorrechts, die Mehrheit der Bevoelkerung ausbeuten zu duerfen, nur weil sie ueber das Kapital verfuegt … laehmend
Februar 20th, 2011 at 22:46
“Is’ ja zum kotzen ,warte ert ab was morgen das regierungsamtliche Zentralorgan BILD schreibt .”
Das tue ich mir schon lange nicht mehr an…
Der “Bürger” bekommt die “bürgerliche Demokratie”, die er verdient. Erst wenn der “Bürger” wieder kurz vorm verhungern ist, steht er mal kurz auf, um dann sogleich wieder zu gehorchen. Ganz und gar wie ein Hund der treudoof hechelnd seinem Herrchen huldigt, vor allem dann wenn er gut erzogen ist ;)
Februar 21st, 2011 at 05:21
Auch einem Götz Werner geht es einzig um seinen Profit!
Er möchte die Sozialkosten aus den Arbeitskosten heraus haben.
Damit wären ‘wir’ dann ‘billiger’ als jeder ‘Chinese’.
Das ist noch größere Sch… in buntem Bonbon-Papier.
Diese Verpackung trotzdem öffnen, bitte^^
Btw. Bin jetzt Gutti & Co. ernähren, heißt auf Deutsch: arbeiten.
Februar 21st, 2011 at 08:27
Nu hört aber mal auf, es geht doch voran: In Hamburg wurden mit Scholz ein lupenreiner™ Sozi gewählt. Damit gehts den 25 Mrd. Schulden an den Kragen, was immerhin ein paar Mrd. Schulden mehr sind als Kalifornien hat, was größer als Deutschland und quasi pleite ist. Zudem haben sich die Sozis durchgesetzt (jawoll) und von der Regierung erzwungen, ja, erzwungen, dass – äh – in diesem Jahr erst mal alles bleibt wie es war, und ab 2012 ein satter Geldregen von jährlich (!) 36 Euro zusätzlich auf Hatz-IV-Minderleister herabregnet. Zeit- und Leiharbeiter sollen einen nicht näher definierten Mindestlohn bekommen, also noch lange keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, aber Politik ist eben die Kunst des Machbaren.
Wenn das mal kein veritabler Linksruck ist. 8-(
Februar 21st, 2011 at 10:46
Tröstlich zu wissen, dass auch eine echte Demokratie früher oder später – wohl vom Anfang an, eigentlich – unter Filz, Seilschaften, Machenschaften usw. usf. leiden würde.
Also leben wir doch in der besten aller möglichen Welten, denn es kann nur besser oder schlimmer werden. Keine Langeweile! (Wetten, die auf “besser” setzen, nehme ich nicht an, weil ich sie für zu unrealistisch halte. Solche, die auf “schlimmer” setzen, nehme ich auch nicht an, weil man nicht auf Sicheres wettet. It’s called “hedging your bets”). ;)
Februar 21st, 2011 at 11:15
ninjaturkey meint:
Februar 21st, 2011 at 08:27
“Nu hört aber mal auf, es geht doch voran: In Hamburg wurden mit Scholz ein lupenreiner™ Sozi gewählt.”
Dazu ein paar nüchterne Fakten: Wahlbeteiligung gerade 57% (!) -was während der totalen Pro-SPD-Jubelberichterstattung konsequent unterschlagen wurde.(2008 noch 63,5%)
Von diesen 57% aller Wahlberechtigten wählten nach dem vorläufigen Endergebnis genau 12% Die Linke und “Andere”, die es allerdings nicht in die Bürgerschaft schafften.
Summa summarum: Der herrschende bürgerlich/kleinbürgerlich-neoliberale Einheitsblock aus CDU/SPD/FDP/GAL kommt gerade mal auf 45% Aller Wahlberechtigten, wobei knapp die Hälfte davon auf die SPD fiel, die der CDU fast die Hälfte aller ihrer vorherigen Wähler abspenstig machen konnte. Ein winzige Minderheit der übrigen abspenstigen bürgerlichen CDU-Wähler lief zur FDP und GAL über.
Erreichen konnte Olaf Scholz mit seinen Seeheimer-Freunden und “Schröderianern” seinen “großartigen SPD-Sieg”(!?) mit etwa 22% ALLER Hamburger Wahlberechtigten mit der plattesten Wahlkampfaussage, die gegenwärtig in Hamburg ein bürgerlich-kleinbürgerlicher Politiker überhaupt machen kann: Genau da und genau so weitermachen, wo der Schwarz-Grüne Senat aufgehört hat….., natürlich ein klarer Wählerauftrag der Noch-Satten, Noch-Zufriedenden,”Leistungsträger”, Aufstiegswilligen…!
Wer daher von einem “Machtwechsel” in Hamburg faselt wie die Jubel-Perser gerstern Abend in den Medien hat und will nichts kapieren.
Alles bleibt NACH der Wahl wie es VOR der Wahl war, lediglich Visagen wurden von der üblichen Wählerschaft ausgewechselt.
Februar 21st, 2011 at 11:21
@Wat.(9): Das glaube ich nicht. Werner könnte wie Kollege Anton Schlecker einfach die Lohne ins Bodenlose drücken und fiele damit nicht einmal auf. Oder er könnte wie alle anderen die üblichen Modelle favorisieren, um Löhne (vulgo “Nebenkosten”) zu drücken. Macht er aber nicht. Die Unterstellung überzeugt schon deshab nicht. Schließlich: Es ist nicht sinnvoll, um der lieben Vorurteile willen Unterschiede zu leugnen, die offensichtlich, das macht eine Argumentation schwach. Es ist auch ein relevanter Unterschied, ob jemand Sklaven nur hält oder sie auch noch auspeitscht.
Februar 21st, 2011 at 18:30
@flatter # 13
Glauben… Du, ich hab’ ihn deshalb auch nicht persönlich gesprochen.
Meine Einschätzung hat weniger mit Symphatie oder Antiphatie gegenüber diesem Mann zu tun.
Ich habe mir angeguckt, was Ausgangspunkt (ist) und was Resultat (sein könnte).
Ich kam zu dem Ergebnis, was ich oben schrieb.
Denn, machen wir uns doch nichts vor, die wirklichen Abgaben für dieses bGE bringen wieder die, die genau das bGE eigentlich haben sollen.
Da steht nicht, und das habe ich bestimmt nicht überlesen, daß er neben dem Verzicht auf alle Subventionen auch für seine (gesamten privaten) Einkünfte eben diese 50 % abführen möchte – da steht in etwa: wird gegenfinanziert mit 50 % Umsatzsteuer.
Das ist die Konsumsteuer – wieviel davon fallen auf seine persönlichen Ausgaben und wieviel auf meine oder Deine von den jeweiligen Gesamt-Einnahmen…^^
Das heißt, der liebe Staat soll mal wieder was richten.
Es soll allen gut tun und ihm nicht schaden.
So weit ok.
Aber wie macht das Staat ohne Einnahmen von denen, die echt oberhalb der Existenz hätten^^
Geld drucken – prima – ich freu mich drauf.
PS – Gerade noch einmal wenigstens in die Kurzvariante von Wikipedia getaucht…
Sorry, gegenfinziert mit 100 % Mehrwertsteuer (USt), aber von seinen Einkünften steht da eben nix…
https://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen