Was braucht ein Volk mehr? Härte hilft gegen alles Böse und bringt Sicherheit. Jede Verfehlung der Jugend erklärt sich aus mangelnder Härte. Auch gewalttätige Jugendliche brauchen mehr Härte, denn die hilft. Immer.
Abgesehen vom wahlkämpfenden Koch, der wie alle großmäuligen Unionisten ein windelweiches Placet von seiner Partei-und Regeierungschefin bekommen hat, tut sich einmal mehr Wolfgang Bosbach hervor, der Spezialist fürs Primitive. Ausgerechnet er wirft Brigitte Zypries vor, sie sei “ahnungslos”, bloß weil sie sich in einem Interview zu “Boot Camps” geäußert hat, die er so nicht gemeint haben will. Soll er doch mal Roland Koch fragen oder noch besser dessen potentielle Wähler, was die sich unter einem “Erziehungscamp” vorstellen. Er meint nämlich solche: “In diesen Erziehungscamps geht es nicht um einen menschenverachtenden Umgang mit jungen Straffälligen, sondern darum, ihrem Leben eine feste Struktur zu geben und um die Beachtung von Regeln, ohne deren Einhaltung eine Resozialisierung nicht möglich ist ” Was glaubt der Mann eigentlich, was die ganze gottverdammte Kinder- und Jugendhilfe von morgens bis abends tut? Was glauben er und ähnliche Experten seiner Gesinnung, was ein Jugendstrafrecht und pädagogische Ergänzungsmaßnahmen noch retten, wenn ein junger Erwachsener sich eine Identität als Schläger aufgebaut hat? Ernsthaft machen die Vetreter dieser Idiotenpädagogik eine “rotgrüne Kuschelpädgogik” für diese Existenzen verantwortlich. Ahnungsloser geht es nicht.
Und es geht auch nicht verlogener. Um Roland Koch im Sattel zu halten, wird pünktlich zum Wahlkampf jeder sensationell anmutende Fall ans trübe Tageslicht gezerrt, der Gnadenlosigkeit zum Verkaufschlager macht. Weil es dem sadomasochistischen Weltbild der verdummten Klientel so herrlich zupaß kommt.
Ein wunderbarer Einfall, Menschen mit Härte und Mißachtung umerziehen zu wollen, die durch Härte und Mißachtung zu dem geworden sind, was sie darstellen. Mißachtung ist hier übrigens nicht nur das Desinteresse von Eltern, Schule und Gesellschaft für den Nachwuchs, sondern auch und gerade Verwöhnung und Überbehütung als Begleiterscheinung von Gewalt im Alltag. Auf den Explosiven Mix weist zurecht Annette Ramelsberger in der Sueddeutschen hin:
“Besonders schwierig ist die Situation für Jugendliche aus Migrantenfamilien: Oft werden sie von ihren Müttern verwöhnt, von ihren Vätern mit viel zu hohen Ansprüchen belastet, sie erleben Gewalt als probates Mittel der Durchsetzung.”
Verhätschelung und Gewalt sind gleichermaßen Zeichen von Mißachtung. Ein geschlagenes Kind lernt, daß es keine Würde hat. Ein verhätscheltes Kind lernt, daß es nicht darauf ankommt, was es tut. So entstehen Charaktere, die nicht wissen, wer sie sind, die aber sehr wohl wissen, wie sie Wirkung erzielen und Beachtung erlangen: Durch Gewalt und andere Formen der Auffälligkeit, die Resonanz erzwingen. Wer zuschlägt, wird wahrgenommen und erkennt sich als Verursacher einer Situation wieder. Bis dahin sind viele dieser Meschen dem Rest der Welt schlicht egal.
Das ist dem CDU-Wähler aber zu kompliziert, daher kommt man ihm mit dem Umerziehungslager, das versteht er. Der Gipfel der Heuchelei besteht darin, dafür “mehr Geld” bereitstellen zu wollen. Kinder- und Jugendhilfe ist Sache der Kommunen. Sie ist und war in den vergangenen Jahren ein kaum zu beherrschendes finanzielles Problem der Städte und Gemeinden. Sie hat vor allem unter der grandiosen schröderschen “Reform” der Unternehmenssteuern zu leiden. Sie ist darüberhinaus ein gigantisches strukturelles Problem, das Politiker der CDU, durchaus auch der anderen Parteien, stets enorm forciert haben. Anstatt Jugendlichen Perspektiven zu bieten, anstatt ihnen in Schulen etwas zu bieten , wo die CDU allein auf Leistung und Selektion setzt, anstatt Kinder- und Jugendhilfe direkt an Schulen anzubinden, läßt man die einen wurschteln und die anderen reparieren. Das Ganze so billig wie möglich und ohne jede positive Aufmerksamkeit. Was Kinder und Jugendliche schaffen, was gute Jugendarbeit hervorbringt, zählt einen Dreck, spätestens, wenn die Kassen knapp sind. Daß Eltern erziehen müssen, daß sie dabei unterstützt werden müssen, spielt keine Rolle. Im Gegenteil fallen Talente durchs Raster, wenn sie der falschen Schicht angehören, und man gibt den Eltern nicht einmal annähernd genug Geld, um sich auch nur eine Grundausstattung für die Schule leisten zu können. Pervers.
Wenn ich einen solchen Mist höre, wie ihn die rechten Trommelschläger verbreiten, weil es gerade opportun erscheint, überlege ich mir ernsthaft, ob ich am nächsten Morgen noch zur Arbeit fahre. Dort darf ich den Dreck wegschaufeln, denn solche Armleuchter zu verantworten haben.