Die Krise ist vorüber. Peer Steinbrück, Joe Ackermann und Angela Merkel haben das Land gerettet. Der Aufschwung ist da, die Schuldenbremse ist da. Was brauchen wir noch, um glücklich zu sein? War da noch was?
Letzt bloß kein Krisengerede, wir haben gerade das nötige Vertrauen wiederhergestellt. Zum Beispiel in die Ratingagenturen, jene Ratespielhallen, in denen festgelegt wird, wie teuer die Raten werden, wenn die Bremse versagt. Oder wenn man feststellt, dass sie nur auf der Rechnung steht und eigentlich gar nicht existiert.
Es waren ganz vorne an die Ratingagenturen, die maßgeblich für die übelsten Auswüchse der Zockerei an den Finanzmärkten verantwortlich sind. Nicht nur, dass sie noch jedem verbrieften Gammelfleisch höchste Qualität bescheinigt haben, sie stehen auch immer wieder im Mittelpunkt des Pokers mit Staatsschulden. Hätte man auch nur irgend etwas kapiert nach dem letzten Schub der Sklerose des Kapitalismus, man hätte sich dieser Augenwischer- und Feigenblattproduzenten zuerst entledigt. Sie haben den Rauch nicht gerochen, als schon der ganze Wald in Flammen stand und maßen sich schon wieder an, systemrelevante Urteile über den Wert von Staaten und Konzernen zu sprechen.
Als hätten diese Erbsenzähler auch nur eine entfernte Ahnung davon, wie die Zukunft der Industriestaaten aussieht, folgen die Lemminge an den Börsen und in den Regierungsbunkern wieder den magischen Zeichen, die sie an die Türen malen. Japan pfui, Deutschland hui, dreimal schwarzer Kater.
Die Ratings der Agenturen sind nichts anderes als die Aufforderung, weiter zu marschieren, bis alles in Scherben fällt – und zwar weil es sie gibt. Über die tatsächliche Ratlosigkeit täuscht das Rating in souveräner Bewusstlosigkeit hinweg, und alle, die es auch nicht wissen wollen, freuen sich, dass dieses Rädchen im Getriebe sich unbekümmert dreht. Nähme man es aus dem Mechanismus, käme der zum stehen und man müsste sich zumindest mit etwas anderem behelfen. Genau das aber – dass sich irgendetwas ändert – steht nicht auf der Agenda. Warum auch, die Krise ist ja vorbei, weil der Markt sich wie immer ganz von allein geheilt hat.
Januar 28th, 2011 at 01:36
flatter: “Genau das aber – dass sich irgendetwas ändert – steht nicht auf der Agenda.”
Das trifft den Nagel genau auf den Kopf, mehr ist eigentlich nicht mehr zu sagen.
Januar 28th, 2011 at 02:45
Der grosse böse Wolf (Emittent) wollte wohl auf die 3 kleinen Schweinchen (Fitch, Moody’s, Standard Poor’s) nicht verzichten.
Januar 28th, 2011 at 07:31
Tja, und Ich Vollpfosten hatte mir vor ein paar Jahren noch Sorgen um die Rente gemacht, obwohl doch der Norbert Blüm – oder vielleicht grade deshalb ? – deren Sicherheit postuliert hatte.
Jetzt im Nachhinein bin ich froh, weder Gemaschmeyert noch Gerürupt zu haben. Keine Geschlossenen Immobilienfonds – oder heissen die mittlerweile Verschissene Fonds ? – noch sonst irgendwelche Sorgen am Arsch. Selbst der Riester geht mir irgendwie vorbei.
Apropo vorbei: Tripple AAA ist für unsere Freunde jenseits des Atlantics spätestens ab 120% Staatsverschuldung vorbei – siehe Japans Finanzkrise in den 80ern – dann wird es echt zäh mit “weiter so, bis es knallt”
Januar 28th, 2011 at 08:07
…eine Frage beim Riestern bleibt dann aber doch noch offen: Heisst es “wir haben geriestert” oder sagt man doch genauer “wir wurden verriestert” ?
Januar 28th, 2011 at 08:09
Ich muss widersprechen. Rating Agenturen sind eigentlich fein raus aus dem Spiel. Denn sie sind wie die Waffenproduzenten nicht direkt verantwortlich für die Kriege. Ein Rating ist eine Abschätzung wie es um ein Unternehmen bestellt ist. Jeder (gerade die Banker) sollten wissen, dass diese Annahme zu mindestens 70% auf Spekulation beruht. Hinzukam das die fadenscheinigen Bewertungsmethoden sogar dem FBI bekannt waren. Da kann kaum jemand behaupten, dass es die Spitzenmanager und Fondchefs es nicht wussten. Sie nutzten dennoch das aufgedruckte AAA, damit sie ihren Kram verramschen konnten. Bei mir liegt also die Hauptschuld bei denen die wissend diese Fehlinformation genutzt haben.
Januar 28th, 2011 at 10:04
Ganz oben über Fitch, Moodys und Standard & Poors gibt es eine übergeordnete Agentur. Das ist jene, die den Aufschwung, das Ende der Krise, allüberall Waxdumm verkündet und dem Weiter so an jeder Ecke und Kante ihr Triple A aufstempelt.
Im Detail lese ich dazu heute, dass die Stadt Chemnitz Geldmittel bei Kindertagesstätten,Sportförderung,dem Botanischen Garten, bei der Jugendsozialarbeit und den freien Trägern der Wohlfahrtspflege kürzt.
Nennt sich Konsolidierung.
Zu Konsolidierung findet man folgende Definition: Sicherung oder Festigung von etwas Bestehendem.
Und so wird es immer sicherer und fährt sich immer fester, das Bestehende.
Januar 28th, 2011 at 10:25
Nähme man es aus dem Mechanismus, käme der zum stehen und man müsste sich zumindest mit etwas anderem behelfen.
Ich mach dann mal zwei praktische Vorschläge:
Wir brauchen ein Gesetz, dass Banken, Institutionen und Menschen verbietet, die Investitionsentscheidungen davon abhängig zu machen, was jemand anderer sagt.
Und wenn das nicht geht, dann verbieten wir allen die sich einbilden, was von Wirtschaft zu verstehen, ihre “Meinungen” öffentlich zu machen.
Januar 28th, 2011 at 10:55
Nette Grafik.
Januar 28th, 2011 at 10:57
“Souveräne Bewusstlosigkeit” fand ich jetzt eine sehr schöne Formulierung.
Januar 28th, 2011 at 12:20
“…folgen die Lemminge an den Börsen und in den Regierungsbunkern wieder den magischen Zeichen, die sie an die Türen malen”
Der heutige Kapitalismus trägt allerdings sehr deutliche Züge einer inzwischen weitgehend irrationalen, magischen Praxis. Walter Benjamin hatte recht, als er meinte, das Christentum habe den Kapitalismus nicht begünstigt, sondern es sei vollständig zum Kapitalismus geworden. Mit dem bedeutsamen Unterschied, dass die christlichen Werte auf der Strecke bleiben mussten, weil sie dem freien Wettbewerb hinderlich sind. So haben wir es heute bei der Marktwirtschaft eher mit einer bizarren Mischung aus heidnischem Kult und Technokratie zu tun.
Wenn ich in diesen Tagen immer wieder höre “die Märkte müssen beruhigt werden”, dann sind diese Märkte doch wieder das selbe wie zürnende Götter, die mit (Menschen)opfern beruhigt werden müssen. Das Wohl und Wehe der Menschen hängt von ihren Launen ab.
Da ist wirklich alles da: es gibt Götzenverehrung (z.B. Apple-Produkte), Aufsteigertypen als heidnische Helden und die magische Kraft des Geldes, das alles möglich macht. Bei den Ratingagenturen bin ich mir noch nicht so sicher, ob es Halbgötter oder doch nur Priester sind.
Januar 28th, 2011 at 12:35
…weil der Markt sich wie immer ganz von allein geheilt hat.
Mit dem Worstcase im Kopf, kann man fürchte ich, tatsächlich damit rechnen, dass sich Guido Westerwahn Public-Relationsmäßig erholt, und volltönend die Selbstheilungskräfte der Märkte neu in die satten zufriedenen Gesichter verargumentiert. Die ersten fröhlich blöde grinsenden längsgestreiften Hemden mit den; “Regelt sich alles von selber”- Gebeten, – konnte man schon wieder antreffen.
Januar 28th, 2011 at 13:56
“Bei den Ratingagenturen bin ich mir noch nicht so sicher, ob es Halbgötter oder doch nur Priester sind.”
Weder noch…
Januar 28th, 2011 at 14:59
Wenn die Unternehmen mit 180% des BIP’s verschuldet sorgt das gar keinen.
Kann mir einer sagen warum?
Januar 28th, 2011 at 15:17
Ich könnte dir nur erklären, warum das Unsinn ist.
Januar 28th, 2011 at 16:25
#10 der Klassiker ist ja wohl “notleidende kredite”. schon seltsam, welche vorschläge google beim eintippen von “notleidend” ausspuckt.
zuerst kredite
dann wechsel, banken, immobilien, forderung unternehmen, hunde, wertpapiere und schließlich menschen (in der reihenfolge). fehlt nur noch das spendenkonto für die beSoffinen.
Januar 28th, 2011 at 19:20
Durchaus passend dazu:
” Auf Marx und Lenin zurückgekommen
Paul Craig Roberts
“Kapital ist tote Arbeit, die wie ein Vampir nur davon lebt, lebende Arbeit auszusaugen, und umso besser lebt, je mehr Arbeit sie aussaugt.” – Karl Marx
Wenn Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin heute lebten, wären sie sicher führende Anwärter auf den Nobelpreis für Wirtschaft.
Marx sagte die wachsende Not der arbeitenden Menschen voraus und Lenin sah die Unterordnung der Produktion von Gütern unter die Anhäufung von Profiten des Finanzkapitals voraus, die auf dem Kauf und Verkauf von Papierwerten beruhen. Ihre Voraussagen sind den „Risikomodellen“ weit überlegen, für die der Nobelpreis vergeben wurde und haben mehr mit dem Geld zu tun als die Vorhersagen von Zentralbankchefs, U.S.-Finanzministern und Nobel-Ökonomen wie Paul Krugman, die glauben, dass die Wirtschaftskrise mit mehr Krediten und mehr Schulden zu lösen ist.”
Hier die Quelle: https://www.antikrieg.com/aktuell/2009_10_07_aufmarx.htm
Januar 28th, 2011 at 20:05
Mit dem Euro ist es wie auf dem Basar. Erst schlechtreden, um dann billig kaufen zu können.
Januar 28th, 2011 at 21:45
Wer sind die Ratingagenturen?
Ein kleiner Blick dahinter…
Die drei größten von ihnen, Moody’s (USA), Standad & Poor’s (USA) und Fitch (Großbritannien), haben einen geschätzen Marktanteil von 93% und kontrollieren circa 90% der globalen Kapitalströme. Wer kreditwurdig ist, bestimmen sie.
Die kleinste der Ratingagenturen ist Fitch, sie wurde 1913 von John Knowles Fitch gegründet. Heute gehört das Unternehmen dem französischen Milliardär Marc Ladreit de Lacharrière, der auch Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Fimalac ist.
Hauptaktionär von Moody’s ist das amerikanische Holdingunternehmen Berkshire Hathaway, das vom Investor und reichsten Mann der Welt, Warren Buffet, geleitet wird. Weitere Größaktionäre von Moody’s sind Goldman Sachs und die Rothschild-Bank Barclays. Alles Finanzinstitute, die im Zusammenhang mit dem Crash eine unrühmliche Rolle spielten.
Standard & Poor’s (S & P) wiederumg ist eine 100-prozentige Tochter des McGraw-Hill-Konzerns, dessen drei Hauptgeschäftsbereiche >>Bildung<>Finanzdienste<>Information und Medien<< lauten. McGraw-Hill ist einer der größten Verlage für Lehrbücher an amerikanischen Schulen und Universitäten, und er bestimmt dadurch wesentlich über das amerikanische Bildungssystem. Darüber hinaus gibt der Konzern einflussreiche und meinungsbildende Finanzmagazine heraus und ist Besitzer einiger Fernsehsender.
Harold McGraw jr. Gehörte zu den wichtigsten Unterstützern von George W. Bush, als der noch Gouverneur von Texas war. In einem Artikel der Zeitschrift The Nation wird beschrieben, das zwischen der Familie Bush und McGraw-Hill seit über drei Generationen enge Beziehungen herrschen.
Quelle: Jürgen Roth "Gangsterwirtschaft", das ich trotz weniger konkreter Namen sehr interessant fand und das nun vllt. noch einige Käufer finder ;)
Januar 29th, 2011 at 09:31
-> Peinhart: Auguren – Guter Einwurf.
Ratingagenturen mögen keine Aufstände, denn “Fitch lowers Egypt rating to negative” (https://www.gulf-daily-news.com/NewsDetails.aspx?storyid=297222 und https://online.wsj.com/article/SB10001424052748703956604576109762383806684.html)
Obwohl ich weiß in welcher Welt wir leben, werde ich mich niemals mit dieser kalten Betrachtungsweise abfinden können.
Januar 29th, 2011 at 20:27
“Genau das aber – dass sich irgendetwas ändert – steht nicht auf der Agenda.”
Auf meiner Agenda aber schon!
hier ein kleiner Auszug seit 2008:
-private Rente gekündigt
-Spareinlagen abgeholt
-ausbeuterisches Arbeitsverhältnis gekündigt
-Selbständigkeit begonnen
-gerade auf der Suche nach neuem Investment (Gartengrundstück+Laube)
-Schwarzgeld verdienen und Schwarzarbeiter beauftragen…upps
Viele Grüsse!
Januar 31st, 2011 at 13:39
Die Ratingagenturen haben sehr beachtenswerte Kriterien für ihre Ratings:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,742608,00.html#ref=nldt
Soziale Absicherung breiter Schichten verhindert offenbar ein gutes Rating.
Januar 31st, 2011 at 13:43
Widerlich.
Januar 31st, 2011 at 22:16
Bei den Zahlen, um die es so geht verliert man schnell das Gefühl für Proportionen.
Nützlich:
https://www.pagetutor.com/trillion/index.html
grüße, UL
Februar 1st, 2011 at 09:49
Einen Aspekt möchte ich herausheben. Hoffentlich verstehen die Leser hier, daß ein schlechteres Rating im Falle Ägyptens zu höhereren Zinsen bei der Geldbeschaffung des Landes führt. Eigentlich wird hier einmal mehr der Wille zum ‘Kasse machen’ angekündigt.
Der Aufruf europäischer Kanzler- und Präsidentenaktivisten an die Adresse Ägyptens ‘Ruhe zu bewahren’ sollte uns einmal mehr klarmachen, was in den konservativen Köpfen vorgeht. Stabile gesellschaftliche Zustände stehen in ihrer Bewertung über individuellen Rechten und Wünschen. Dabei ist es dann auch gleichgültig, ob man sich in einer Folterdiktatur wiederfindet oder wie sich das politische System überhaupt nennt.
Naja, vielleicht bekommen Heckler & Koch und Konsorten eine Banklizenz, wenn die Ägypter die Waffenlieferungen mit gewöhnlichen Krediten nicht mehr bezahlen können.