Ich habe ein bisschen in den ‘Cables’ gestöbert und mir einmal Berichte des US-Botschafters in Tunis angeschaut. Man kann ja von denen halten, was man will, aber sie wissen bescheid, und ihre Einschätzungen scheinen in aller Regel recht zutreffend zu sein. Im übrigen auch wirklich nüchtern und reflektierend, ganz im Gegensatz zum Gekrächze des gemeinen Spitzenpersonals. Was die Korruption in Tunesien anbelangt, so war der Einblick jedenfalls schon vor Jahren umfangreich vorhanden, einschließlich der Folgerung, dass das Regime dadurch instabil sei – und es schwierig sei, eine Zukunftsoption zu finden.
Unangenehm wird es immer, wenn Einschätzungen Dritter Erwähnung finden, die nicht eben schmeichelhaft ausfallen. Wie aber soll wohl ein auswärtiger Dienst arbeiten, wenn er die Wahrheit ignoriert? Im Fall von Tunis etwa die als glaubwürdig, aber nicht belegt kategorisierte Aussage eines anonymisierten Informanten über den französischen Botschafter, der eher im Dienste Ben Alis und dessen Frau stünde als in Sarkozys.
Wer sich freilich über Datenraub echauffiert, der weiß wohl nicht, was auch ich nicht wusste: Dass es nämlich inzwischen offenbar Usus ist für westliche Botschaften, über Facebook zu kommunizieren. Die Amis tun’s, die Briten tun’s, die Deutschen tun’s. Dann muss man sich ja über Vertraulichkeit keine Sorgen mehr machen.
Januar 16th, 2011 at 17:27
ich lese auch immer mit
Januar 16th, 2011 at 18:21
@flatter: Wenn man so deine Randnotizen anschaut, immer sehr treffende Lageeinschätzungen …
Du wärst ein guter Botschafter!
Januar 16th, 2011 at 18:52
Interessant! Die erste Wikileaks-Revolution? fragt die FAZ.
Ich persönlich vermute ja, dass es auch nicht ganz unwesentlich ist, dass der neue Premier der Finanzbranche sehr nahe steht.
Die autoritären Führer der arabischen Welt haben ausgedient, zumal sie von einer schwachen USA nicht mehr gestützt werden können.
Gadaffi, zieh dich warm an. Ab jetzt hast Du die Finanzwelt gegen dich (und die deutschen Lohnempfänger wissen, was das bedeutet).
PS: Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn diese Regime fallen. Die Frage ist, wer hat danach freie Fahrt? Wenn die Öl-Branche nur gegen die Finanzbranche ausgetauscht wird und in diesen Ländern dann Post-Pseudo-Demokratien Einzug halten, wäre nicht viel gewonnen.
Januar 16th, 2011 at 20:05
@Lnus: Klar, wo ich doch als bis zur Selbstverleugnung ausgewogen und stets diplomatisch gelte ;-)
Januar 17th, 2011 at 06:56
Das ist wenig verschwörungstheoretisch. Auch in diplomatischen Einrichtungen wird verklausuliert “verschlüsselt”.