Eine “Vertraulichkeitsklausel” müssen potentielle Kunden von Facebook unterschreiben, wenn sie Einblick in die Geschäftszahlen nehmen wollen. Das ist wirklich grandios: Während die ausgesaugten Datenspender, vulgo “User”, auf jeden Schutz ihrer Intimsphäre verzichten müssen, damit der Rubel der Zuckerbergs rollt, soll niemand wissen dürfen, was der Meister für seine Beute einheimst. Installiert wird derart die Doppelgardine mit der Goldkante: Eine für die User, denen vorgegaukelt wird, Facebook sei kostenlos und eine für mögliche Shareholder, die nicht wissen können, was wirklich hinter dem angeblichen Milliardenwert steckt.

timegatesNa klar, niemand muss sich bei Facebook anmelden, jeder kann entscheiden, was er von sich preisgibt, so die Argumentation der Betreiber und ihrer Fans. Das ist aber blanke Augenwischerei, denn das Geschäftsmodell beruht ebenso auf dem Gegenteil wie die Funktionalität der Plattform. Nur weil der Umgang mit persönlichen Daten auf beiden Seiten – höflich formuliert – fahrlässig ist, findet man sich dort. Dass man “sich findet”, finden die Naivlinge, sie sich dort tummeln, supi. Ihnen wird aber vorenthalten, was ihre Daten ‘wert’ sind, in Euro und Cent. Schon gar nicht machen sie sich klar, was die Weitergabe dieser Daten zur Folge haben kann. Ist doch alles so schon bunt und lustig. Wer da Bedenken äußert, ist ein Miesmacher. Wir feiern hier ‘ne Party und du bist nicht dabei, ätsch!

Dieses Niveau der ‘Kritik’ und Bewertung eines Phänomens im Web findet sich allzuhäufig auch in den Massenmedien. Einmal mehr tut sich der “online-first”-’Freitag’ hervor mit einer erschütternden Inkompetenz in Sachen Internet. Katrin Schuster vergleicht dort für ein sogenanntes “Medientagebuch” Google mit Facebook und behauptet ernsthaft:

Auf Facebook muss ich nichts suchen

Zudem geht es längst nicht mehr um das Suchen, sondern um das Finden; ein weiteres Problem also für Google. [...] Oft genug nervt die Google-Suche nur noch, weil man nach drei, vier Ergebnisseiten immer noch nicht da angelangt ist, wo man hinwollte; weil man nur auf andere trifft, die dieselbe Frage haben [...] Auf Facebook dagegen muss ich nichts suchen, da kuratieren meine so genannten Freunde die Informationen für mich.

titten2Das ist natürlich genau die Art von Suchabfrage, die man braucht. Warum kommt Google nicht auf diese großartige Idee? Nachdem Schuster also offenbart, dass sie nicht den Grips hat, eine Suchmaschine mit brauchbaren Anfragen zu füttern, empfiehlt sie die Wohlfühl-Informationen der Datenraub-Community. Man will schließlich irgend etwas finden, das irgendwie mit irgendwem zu tun hat. Bei Google findet man hingegen nur das, was mit den eingegebenen Schlagwörtern zu tun hat. Das ist blöd und langweilig.

Mir ist völlig klar, dass ich mich mit meinen andauernden Rufen nicht beliebt mache und muss sogar davon ausgehen, dass die Mehrheit meiner Leser einen Facebook-Account hat. Es geht mir auch nicht darum, jeden zum Deppen zu stempeln, der sich dort angemeldet hat. Auch mein Ärger über die lieben Zeitgenossen, die meine private Emailadresse dort verbreiten, wird irgendwann verraucht sein.

Wer aber von Meinungsmache, neoliberaler Marktmacht und Abbau von Bürgerrechten spricht, kann nicht schweigen, wenn die Machenschaften von Facebook verharmlost und verherrlicht werden. Diese Unmündigkeit ist selbstverschuldet. Und spätestens, wenn sich ausgerechnet dieser digitale Menschenhändler für seine Geschäftszahlen eine Intimsphäre ausbedingt, ist es doch an der Zeit, sich die eine oder andere Frage zu stellen?