Ein Interview, in dem das ganze Elend zutage tritt. Blöde Fragen eines unbeholfenen Advocatus Diaboli – wenn man gnädig ist – und eine Welle der tragischen Weisheit, die einen überrollt, selbst wenn man all das schon auszuhalten glaubt und es einem nichts Neues ist.
Zwerg trifft Riesen, hier ein Ausschnitt:
Ziegler: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Am 12. Oktober 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, kamen in Paris die Staatschefs der Euro-Zone zusammen und beschlossen einen Kreditrahmen von 1700 Milliarden Euro zur Stabilisierung ihrer Banken. 1700 Milliarden! Bevor das Jahr herum war, haben dieselben Staatschefs das Budget des Welternährungsprogramms der Uno um die Hälfte reduziert, von sechs auf drei Milliarden. Wissen Sie, was das bedeutet? Keine Schülerspeisungen mehr in Honduras oder Bangladesch. Essensrationen in den Flüchtlingslagern von Darfur, deren Kaloriengehalt nach medizinischem Ermessen unter dem Existenzminimum liegt. Da sterben Menschen, verstehen Sie?
ZEIT: Sie glauben, die Politiker sind schuld?
Wer das nicht liest, hat keine Ausrede mehr.
Januar 5th, 2011 at 01:25
Wahnsinn!?
Januar 5th, 2011 at 09:07
Korrektur:
Wer das tendenziell noch nicht wußte, sollte nur noch mit Pappnase herumlaufen.
Januar 5th, 2011 at 09:28
Moin Flatter,
danke für den guten Tipp. Das Interview wäre mir komplett entgangen, da ich es gestern nicht auf der Hompage gesehen habe und es heute schon wieder von der ersten Seite verschwunden ist.
War nur blöd von mir, dass ich angefangen habe in den Kommentaren zu lesen.
Januar 5th, 2011 at 10:02
[...] Flatter von Feynsinn weist darauf hin und kommentiert dies Interview, genauer gesagt, den Interviewer von der ZEIT wie folgt: [...]
Januar 5th, 2011 at 11:10
…und schon im ersten Kommentar dazu (auf zeit.de) echauffiert sich der typische Zeit-Leser über den Gebrauch des Wortes Neger. Vielleicht sei auch diesem ein wenig Existentialismus (siehe Interview) angeraten.
Ja, ein erstaunliches Interview mit einem Interviewer auf Schülerzeitungsniveau (vielleicht hat er auch nur den Rotwein nicht vertragen) und einem Jean Ziegler, der einfach deshalb nicht mehr angreifbar ist, weil er die Dinge beim Namen nennt.
Dennoch habe ich mein Zeit-Abonnement nach über 15 Jahren vor kurzem gekündigt. Was Joffe und seine wackere Schar zunehmend zu Papier bringen, ist bestenfalls verkürzend. Hier im Netz gibt es seit längerem bessere und vielfältigere Quellen.
Januar 5th, 2011 at 12:24
Der farbige Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss verwendet in seinem Bericht über die Berufsaussichten von farbigen Darstellern beim deutschen Film gleich zu Beginn das Wort Neger.
Die politisch korrekten Leute sagen Farbiger, aber dafür geben sie dem Farbigen keine Rolle, also keine Arbeit.
https://sanoussi-bliss.de/rede.pdf
Im übrigen gibt es nicht nur weiße Neger, sondern auch schwarze Weiße. Ich habe für einen gearbeitet, er war Chef der documenta 11. Für ihn galt die Devise: Loyalität gegenüber der Museumsführung, was soviel hieß wie: keine Kritik an einzelnen Kunstwerken. So als ob man kein eigenes Urteilsvermögen haben dürfte.
Januar 5th, 2011 at 12:29
Und wer wundert sich da ? Wissen wir das nicht alle ??!!
Januar 5th, 2011 at 12:35
Bin auf den nachdenkseiten nicht dem link zur “Zeit” gefolgt, weil ich diesem Wochenblatt misstraue.
Nur gut, dass ich mich hier “festlesen” konnte – dieser Jean Ziegler gehört für mich zu der Gruppe von Hominiden, die leider nur noch selten auf dieser Erde in Erscheinung treten.
Und weil es so wenige sind, ist für mich das Zitat:
“Ziegler: Brecht wurde am Ende seines Lebens gefragt: Was hat das alles denn genützt? All die Theaterstücke, die Schriften, dieses Ringen im Exil? Brecht dachte nach, und schließlich sagte er: Ohne uns hätten sie es leichter gehabt.”
kein Trost – eher Ansporn zum Handeln – auch, wenn es noch weniger bewirken wird als das, von diesem großen und bewundernswerten Schweizer.
Januar 5th, 2011 at 12:52
Früher hatte ich das Gefühl, daß Einigkeit darüber bestünde, daß man zwar schwerlich etwas ändern könne, es aber immer wieder versuchen müsse gegen Mißstände in der Welt anzugehen.
Mir scheint nun, daß wir es mit Leuten zu tun haben, die den tief verankerten Grundsatz vertreten, daß Idealismus nicht mehr zeitgemäß ist, weil man die verlorene Zeit besser einsetzen kann.
Dem so gepolten ‘neuen Pragmatiker’ fehlt es an einem so grundsätzlichen Verständnis für die Kraft, die einen Menschen wie Jean Ziegler vorantreibt, daß man froh sein muß, daß Dank dessen Auskunftswilligkeit nicht ‘Marmelade kochen bei Alfredissimo’ herauskam.
Zum Thema ‘Klaus Kinski hätte randaliert’ oder ‘Brezel trifft Bäcker’ – Kennt jemand das Interview von Marc Beise mit Georg Schramm? Ich muß da immer Tränen lachen: (https://www.youtube.com/watch?v=yZFQEvhN8WY)
Januar 5th, 2011 at 13:47
Herausragend, beim nachdenkseiten.de ist das Interview vor der Unmenge an Links leider bei mir untergangen, Danke flatter.
Ich möchte eines noch herausgreifen
“Jean-Paul Sartre sagte: Um die Menschen zu lieben, muss man sehr stark hassen, was sie unterdrückt. Nicht wer sie unterdrückt. Es geht nicht um persönliche Feindschaften. Es geht um die Strukturen dieser Welt.”
Und eine Anmerkung von mir zu
“Ziegler: Ich halte es mit Victor Hugo: Ich hasse alle Kirchen, ich liebe die Menschen, ich glaube an Gott.”
Ein “Führer” darf nicht an nicht existierende Götter glauben.
Das macht aber bzgl. Ziegler nichts und schmälert die Verdienste von Ziegler keinesfalls, im Interview steht ja auch einiges dazu, dass dies eben kein Problem ist.
“Deutschland braucht wieder einen Führer – Die Welt
braucht endlich einen Führer”
(OK, ich kann das “Wort” selber nicht mehr hören, werde es aber demnächst “auflösen” :-)
Januar 5th, 2011 at 15:44
Ziegler vor President!
Januar 5th, 2011 at 15:49
“ZEIT: Wer zu oft schreit, wirkt irgendwann unglaubwürdig.”
Komischerweise sagt man das immer nur Leuten wie Ziegler nach. Diejenigen, die über einen angeblich überteuerten Sozialstaat, über faule Arbeitslose und “nicht-integrationswillige” Muslime schimpfen, dürfen anscheinend so viel schreien, wie sie wollen, ohne angeblich unglaubwürdig zu werden.
Januar 5th, 2011 at 20:48
“poisoned Food”, dann machen wir halt´ Mehl daraus.
Auf jedem GV-Produkt sollte, wie auf Zigaretten, vermerkt sein: …fügt ihrer Gesundheit beträchtlichen Schaden zu.
Ziegler for Grüßaugust?
Januar 6th, 2011 at 11:43
@ R@iner: Danke schön für den Link… -Schramm vs. Beise ist wirklich lustig!
Das Ziegler- Interview in der ZEIT ist weniger lustig, wobei sich besagter Interviewer und SZ- Beise, an arroganter Ignoranz wenig nehmen. Auch der Tenor der Leserkommentare im ZEIT-Onlineforum lassen den Kopf schütteln… -die einen erregen sich über die bloße Verwendung des Wortes “Neger” der nächste kommt mit der “Erkenntnis”, Ziegler sei ja linker als Lenin, daher. Deprimierend!
Januar 11th, 2011 at 14:23
Das Interview ist wirklich “gut”, danke für den Hinweis. Direkt am Anfang holt der Journalist prompt zu gelungenen Kalauern aus .
“Ziegler: Diese ganzen Wegelagerer aus dem Zürcher Bankenviertel! Einen von ihnen, den Geschäftsanwalt Hans W. Kopp, den nannte ich Geier. Kostete mich 320.000 Franken, den Geier musste ich zurücknehmen. Aber als das Zürcher Obergericht Kopp später wegen der Irreführung von Investoren verurteilte, hätte ich Betrüger zu ihm sagen dürfen.
ZEIT: An Augusto Pinochet mussten Sie ein Bußgeld von 2000 Franken zahlen, weil Sie ihn als Faschisten bezeichnet hatten.
Ziegler: Üble Nachrede, vergleichsweise günstig! Moussa Traoré, der 23 Jahre Präsident von Mali war, bekam 180.000 Franken. Weil ich schrieb, dass er zwei Milliarden Dollar aus der Staatskasse auf sein Privatkonto in der Schweiz verschoben habe, während die Menschen in seinem Land an Hunger starben. Kleptokrat hab ich ihn genannt.
ZEIT: Hätten Sie den Mund manchmal nicht etwas weniger voll nehmen könne(!!!!)