grueneDaniel Cohn-Bendit, der Revolutionsführer von ’68, hat die Demokratie endlich von den Füßen auf den Kopf gestellt und ist vom Revoluzzer-Impetus über die Basisdemokratie schließlich bei der Verherrlichung der Obrigkeit angekommen. Wer seine Wurzeln verleugnet, ist nur ein Wurzelverleugner, das kann niemanden mehr beeindrucken. Leute wie Dandy le Rouge aber greifen auch noch nach dem Unkrautvernichter, damit nichts mehr dort wächst, wo sie herkommen. Was Schröder mit der Unterschicht gelungen ist, holen die Grünen Jungs jetzt mit den außerparlamentarischen Bewegungen nach: Diskriminieren, verleugnen, verleumden.

Im Interview mit dem Tagesanzeiger lässt er sich soufflieren:

Beobachten wir im Moment nicht das Gegenteil? Dass sich Bürger in sogenannte Wutbürger verwandeln und sich in Stuttgart, Gorleben oder an den Wahlurnen über demokratisch gefasste Entscheide oder das Völkerrecht hinwegsetzen?
Sie haben recht. Wir haben es im Moment mit den gefährlichsten populistischen Strömungen zu tun.”

“Wutbürger” am Werk

Zwar bezieht sich der ehemalige Revoluzzer hauptsächlich auf die politische Rechte und diskriminierende Volksabstimmungen gegen Ausländer, aber er hat auch gar kein Problem damit, dass deren Scharfmacher mit Protestlern aller Art in einen Topf geworfen werden. Gorleben, Stuttgart, das Minarettverbot – alles eine Pampe. Dort sind “Wutbürger” am Werk und machen “Stimmungsdemokratie”, dabei haben wir doch demokratisch legitimierte Instanzen, die das für uns alles viel besser machen.

Das Establishment nämlich hat die Rationalität auf seiner Seite, der Protest dagegen ist etwas für Doofe und Hysterische:

Es mag richtig sein, gegen dieses Projekt (S21) zu sein. Wenn ich aber sehe, dass in Stuttgart Menschen in hysterische Schreikrämpfe ausbrechen, wenn ein Baum gefällt wird, muss ich mich selbst fragen, ob wir mit unserer gefühls- und ichbezogenen Politik nicht der rationalen Politik den Teppich unter den Füssen weggezogen haben.”

Gefühlsduselige Idioten

Wer glaubt, die Grünen seien auf Seiten protestierender Bürger, sollte diese Worte nicht vergessen. In guter sozialdemokratischer Manier steht bei den Grünen vor Ort einer, der sich als ‘Kämpfer für die Sache’ geriert, während oben schon der Rollback proklamiert wird, im Namen der “Vernunft”, die hier wohl synonym ist mit kalkulierendem Machtgebaren. Ausgerechnet die Gegner von Stuttgart 21, die das Projekt trocken in Grund und Boden argumentiert haben, führt Cohn-Bendit hier als einen Haufen gefühlsduseliger Idioten vor.

Die Frankfurter “Realos” der Grünen haben schon immer das Recht gepachtet und sich als inkarnierte Stimme der Vernunft aufgespielt, ganz gleich, was sie gerade für ihre Position hielten. Inzwischen wird dieses Gehabe zum letzten Inhalt. Zum politischen Establishment zu gehören, das ist rational. Alles andere eben nicht. Dabei kommt einem halbgare Medienschelte ganz zupass:

Schauen Sie: Die britischen Massenmedien haben die britische Politik kaputt gemacht, die «Bild»-Zeitung die deutsche Politik, und in Österreich wütet die «Kronen Zeitung». Was ich meine: Die Fähigkeit von Politikern, sich einem diffusen, immer wechselnden Angsttrend zu stellen, hat sich reduziert, weil sie befürchten, die nächsten Wahlen zu verlieren.

Ich bin jetzt hier oben

An dieser Stelle hätte ich gern etwas darüber erfahren, wer denn dieses oberflächlich richtig beobachtete Phänomen korrigieren soll. Ausdrücklich soll die Basis ja den Rand halten. Dass der Kapitalismus nicht nur aus Banken besteht, dass die öffentliche Meinung von Medienindustrie, Meinungsproduzenten und Politik Hand in Hand bestellt wird, hätte hier Erwähnung finden können. Dass sich daraus ein Hauptmotiv der als “Wutbürger” diffamierten Protestler ergibt. Das wäre rationale Kritik gewesen. Cohn-Bendit hält es allerdings lieber mit eitlen Urteilen über Menschen, die er nicht mehr versteht.

Deshalb gelingt es ihm auch so mühelos, engagierte Demokraten mit ausländerfeindlichen Deppen in einen Topf zu werfen. Dass die willig aufgehetzten Islamophobiker nämlich der Inhaltslosigkeit einer Politik von Herrenmenschen zu deren Machterhalt auf den Leim gehen, wäre die Diagnose. Das ist das Gegenteil dessen, was sich in Stuttgart und Gorleben abspielt. Dem Machtpolitiker sind Proteste ein Dorn im Auge, und das ist seine Message: Ich bin jetzt hier oben. Ihr da unten habt zu schweigen.

Nicht auszudenken, jemand sägte nicht Bäume ab, sondern den Ast, auf dem der Herr sitzt. Angesichts solcher Baumpflegearbeiten gäbe es sicher keine “Schreikrämpfe” mehr, sondern obendrein lauten Jubel. Das kann ja nur irrational sein.