Es ist nicht alles wahr, was schwer erträglich ist, aber die Wahrheit zu ertragen, ist schon ein hartes Brot. Daher ist es umso schwieriger, Menschen zu erreichen, die täglich umworben und belogen werden, denen von den gierigsten Blutsaugern und den verlogensten Politikern die schönsten Illusionen serviert werden. Die allgegenwärtige Lüge der Marketingwirtschaft zwingt geradezu in die Scheinwelt, die Rationalisierung oder, um es mit dem Modewort zu sagen, in die fatalsten Strategien zur Glättung der kognitiven Dissonanzen.

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Jeder weiß, dass Werbung lügt. Doch Werbung ist überall. Jeder weiß, dass man hereingelegt wird, wenn man nicht aufpasst, aber wer will schon jährlich tausende Seiten AGB, Vertragsbedingungen und Klauseln lesen?
Jeder weiß, dass Parteien und ihre Vertreter nicht halten, was sie versprechen. Aber was soll man tun, wenn man wirklich von allen betrogen wird? Das kann doch gar nicht sein. Irgendwie muss das alles schon einen Sinn haben. Sie sagen es ja auch: Das ist alternativlos.

So macht man den Wahlzettel zum Denkzettel, wohl wissend, dass man sein Kreuz gerade bei denen macht, die einen zuletzt auch belogen haben. So zahlt man zähneknirschend die Rechnungen, obwohl man sich übers Ohr gehauen fühlt. Am liebsten würde man aber den Briefkasten zunageln.
Die Werbung zeigt einem glückliche Menschen, alle Konzerne umlullen uns, sie täten alles für “zufriedene Kunden”. Dennoch weiß jeder, was passiert, wenn man ein Problem hat. Man wird in einer Hotline behandelt wie Stückgut, und niemand schert sich einen Dreck um “Zufriedenheit”.

Wer will das schon wissen?

Selbst die Energiemonopolisten lassen stets verlautbaren, sie kämpften für eine saubere Umwelt und hätten nur unsere Zukunft, unsere Sicherheit und eine bessere Welt im Sinn. Derweil verpesten und verstahlen sie die Umwelt, plündern ihre Kunden und bestechen Politiker. Wer will das schon wissen?

Nein, wer Erfolg haben will, muss dem Menschen eine schöne, warme, herzliche Welt vorgaukeln. Und das Paradoxon wirkt, denn gerade, weil die Leute wissen, dass da draußen das Gegenteil an jeder Ecke lauert, hören sie sich das gern an. Da brauchen wir nicht auch noch Nörgler, die einem den Feierabend versauen.

Was haben wir diesen Leuten zu bieten? Wäre ich Optimist, ich ließe sie lustwandeln durch meine feine kleine Welt, in der die Lügen ein Ende haben. In der es eine Gemeinschaft gibt, die für die Versorgung aller arbeitet. Die wirklich erst alle warm, satt und trocken sehen will, ehe sie sich Statussymbolen und Eigennutz zuwendet. Wo man sich das, was man zum Leben braucht, nicht durch Zwangsarbeit “verdienen” muss. Wo es ein Recht gäbe, das Vertragspartner gleichstellt, eine Justiz, die sich jeder leisten kann und die man noch mit etwas Mühe versteht. Wo Korruption auf ein Mindestmaß begrenzt würde, weil sie nicht erlaubt wäre.

Keine Angst

Niemand müsste Angst haben, obdachlos zu werden oder zu hungern, für Verträge vor Gericht gezerrt zu werden, von denen man gar nicht wusste, dass man sie abgeschlossen hatte. Man wüsste, dass sich auch im Alter noch jemand kümmert, ohne dass man dafür reich sein muss.

Statt hektischer Konkurrenz herrschte entspannte Kooperation. Man flöge zwar nur noch alle drei Jahre in Urlaub und australischer Wein bliebe echten Liebhabern vorenthalten. Man hätte dafür aber die Zeiten endgültig hinter sich gelassen, in denen man befürchten muss, hinter der Grußformel “Guten Tag” versteckte sich bereits ein kostenpflichtiges Abonnement.

Da sind wir noch lange nicht, und weil die Hoffnung eben sehr vage ist, dass wir je dorthin gelangen, gebietet es die Ehrlichkeit – sich selbst und anderen gegenüber – nicht so zu tun, als wären wir auf dem besten Wege. Eines aber darf ich bei allem Realismus feststellen:
Schön wär’s schon.