An klare Richtlinien gebunden
Posted by flatter under Politik , Wirtschaft[36] Comments
03. Dez 2010 13:39
Nach satten neun Monaten sprichwörtlichem Nichtstun hat er sich so ans Wachstum ohne Eigenleistung gewöhnt, dass er erst einmal weitere Monate bestenfalls den Mund aufmacht, um sich zu ernähren. Und selbst den Gang zur Toilette lässt er weitere Jahre lang andere für sich besorgen – der Mensch. Den Verfechtern der Eigenverantwortung und Selbstsorge kann es nichts Widerlicheres geben als schutz- und hilfebedürftige Kleinkinder. Die Zeiten, in denen ein Beschützerinstinkt noch das Gegenteil bewirkte, liegen hinter uns. Das können wir uns in Zeiten der globalen Konkurrenz nicht leisten.
Selbstsorge ist das Gebot der Zeit. Kein gegenseitiges Behüten, schon gar kein einseitiges soll mehr sein. Jeder schlägt sich selbst durch. Was er erbeutet, gehört ihm ganz allein. Wer nichts erbeutet, hat auch keinen Anspruch auf die Beute der anderen.
Wir gehen nicht mehr in den Wald, um zu jagen, wir sind organisiert und effizient. Die Ausbeute steigt mit der Effizienz, mit dem Grad an Organisation, in der die Eigenverantwortlichen sich um einen Teil der Beute bemühen. Hier kann jeder für sich sorgen, wenn er sich einfügt. Wer hingegen nicht passt und nicht passend gemacht werden kann, bleibt außen vor. Zwei konkrete und sehr unterschiedliche Beispiele für diese Abläufe:
Organisiert und effizient
Beispiel eins: Ich möchte einen Telefonanschluss haben. Ich bestelle einen bei einer ‘Hotline’. Nach vielem Hin und Her und inhaltslosen Gesprächen mit fremden Unsichtbaren nötigt mich einer von ihnen, meine Adresse falsch anzugeben, im Rahmen einer “Voice-Aufzeichnung”. Er habe sie sich so notiert, und das lasse sich jetzt nicht mehr ändern. Dass ich nicht bereit bin, meine eigene Adresse falsch anzugeben, akzeptiert er nicht. Er könne den Vorgang dann nicht mehr bearbeiten. Es gibt niemanden außer ihm, der zuständig ist. Ich ziehe meinen Auftrag zurück und beauftrage eine andere Firma.
Diese schickt mir einen Link, ich drucke Papier aus, unterschreibe es, schicke es ab. Ich bekomme eine Mail, in der steht, ich könne den Status des Auftrags jederzeit einsehen. Ich könne eine Nummer anrufen. Nachdem ich sechs Wochen nichts mehr gehört habe, versuche ich die Statusabfrage. Sie funktioniert nicht. Ich schreibe eine Mail und bekomme keine Antwort. Dann rufe ich die Firma an. Kurzversion: Der sechste unsichtbare Fremde ist derselbe wie der erste. Niemand ist zuständig. Einer weiß, wo meine Daten liegen, darf sie aber nicht aufrufen. Ich werde sogar an eine “Clearingstelle” verwiesen. Die aber ist nur für Privatkunden, und ich sei ja “Businesskunde”. Ich storniere auch diesen Auftrag.
Enteignung der Fleißigen
Beispiel zwei: Eine Frau wohnt in einer schimmeligen, von Ungeziefer befallenen Bruchbude [via]. Die Lage ist kompliziert, deshalb kommt eine menschenwürdige Lösung bis heute nicht zustande. Ein Sprecher der ARGE sagt:
“Wir sind an klare Richtlinien gebunden, brauchen Nachweise und müssen jeden Einzelfall prüfen.”
Fürsorgliche Geister fragen sich: “Warum kümmert sich keiner um die Frau?”, aber das sind schon zwei völlig unzeitgemäße Begriffe in einem Satz. Fürsorge, das gilt heute als falsche Gnade, als Enteignung der Fleißigen zugunsten der Faulen. Sich kümmern? Haben wir nicht gelernt, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist?
Und schließlich sind wir immer noch organisiert. Sicher, es gibt immer Ausnahmen von der Regel, aber damit können wir uns nicht aufhalten. Macht man für einen eine Ausnahme, kommt der nächste und will auch eine Ausnahme. Wo soll das enden? Die Verfahren sind erprobt, zertifiziert und durchgeplant. Der Kunde hat nachzuweisen, in welche Kategorie er gehört, das heißt dann “Einzelfallprüfung”. Die “Einzelfallprüfung” stellt sicher, dass es keine Einzelfälle gibt, denn für die kann es keine Richtlinien geben und keine Ablaufplanung.
Alle tun, was sie können. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Für mehr reicht die Zeit nicht und schon gar nicht das Geld. Der nächste Kunde bitte!
Dezember 3rd, 2010 at 13:56
Einzelfälle muss man sich erkämpfen. Jedenfalls wenn man als Erster diesen Erfolg haben will.
Wer zögert, zaudert, nachgibt, immer versucht nicht anzuecken, der kann auch keinen Erfolg erzielen.
Ist der Ruf erst ruiniert – mein PAP (persönlicher Ansprech Partner) der Arge hat sicherlich drei Kreuze geschlagen, als er mich ausmustern konnte, da ich 59 geworden bin und in dem Jahr ab 58 nichts für mich zu finden gab.
Nicht einmal ein sogenannter 1-€-Job (ich hätte 1,50 € bekommen müssen) klappte. Da ich meine Rechte kannte … so ein Job nur MIT EGV und EGV nur mit qualifizierten PROVILING, zu dem aber die Arge nicht fähig war …
So habe ich nun genügend Zeit meine Klagen vor dem SG und dem LSG zu führen. Und wenn ich gewinne … dann ist das ein “Einzelfall”, der dann von anderen ALG-2-Beziehern sicher genutzt werden kann.
Wie sagte J.W.v.G. – getretener Quark wird breit, nicht stark – ich lasse mich nicht treten, ich trete zurück, wenn das versucht wird.
Dezember 3rd, 2010 at 13:58
Bei Dickens heißt es im Oliver Twist sinngemäß, dass die Armen damals nur die Wahl hatten zu verhungern oder kriminell zu werden.
Den Begriff Selbstsorge, den du an anderer Stelle aufgreifst, dieser Begriff – im Sinne von “sich um sich selbst kümmern” – kann für mich konsequenterweise nur heißen: Um überleben zu können, ist der Hartz-IV-Empfänger auf ergänzenden Betrug angewiesen.
Übrigens kommt in der Philosophie, wie sie an den Uniersitäten unterrichtet und diskutiert wird, der Begriff Fürsorge auch nicht vor.
In der Gegenwart gerade mal von einer Frau:
https://www.amazon.de/Konstruktion-Liebe-Begehrens-Fürsorge-philosophische/dp/3150181895
Dezember 3rd, 2010 at 14:03
@Unbequemer: Womit du bestätigst, dass es so ist: Du jagst deine Beute in einem anderen Kampf, und wer nicht jagen kann, bleibt auf der Strecke.
Dezember 3rd, 2010 at 14:12
Das Kleinkindbeispiel ist im Kontext sehr treffend und zeigt zu welcher Einsicht man konsequenterweise kommen müsste. Die Betroffenen werden sich aber selbstredend herauswieseln…
Dezember 3rd, 2010 at 14:41
Da die Bruchbude der Frau doch zu groß ist, könnte sie da nicht einen Zwangsumzug “beantragen”?
Oder aber zweite Möglichkeit:
Wenn der Vermieter über alle Berge ist, dann einfach keine Miete zahlen, diese ansparen und dann selbst umziehen.
Gerade die zweite Möglichkeit bietet sich doch an, oder habe ich was übersehen?
Dezember 3rd, 2010 at 14:49
@Bluntman: Ich wollte eher nicht diskutieren, ob die Frau Möglichkeiten hat, ihr Problem selbst zu lösen. In dem Fall gefiel mir besonders gut der Spruch des Arge-Sprechers. Ich sehe in dem Verhalten der frau übrigens vor allem die Angst, sie könnte etwas falsch machen. Sie will vermeiden, in eine Wohnung zu ziehen, die ihr ‘nicht zusteht’, und während das routiniert geprüft wird, haust sie halt in diesem Loch, in dem man keinen Hund halten würde.
Dezember 3rd, 2010 at 15:06
habe mich gestern mit einem arzt unterhalten, der gleichzeitig auch ernährungsfachmann (oecotrophologe) ist. er meinte, dass bei hartz IV keine wirklich gesunde ernährung möglich ist. so wie eine falsche ernährung (wozu auch macdonalds und ähnliche zählen) zu gesundheitlichen schäden führt, so auch eine verschimmelte wohnung. was auf der einen seite die ARGEN sparen, muss auf der anderen seite vom “gesundheits”system draufgelegt werden.
Dezember 3rd, 2010 at 18:25
Zum Thema ARGE bzw. Arbeitsagentur hab ich auch noch einen:
Meine Frau, seit 01.08.2010 wieder im Arbeitsverhältnis, bekam erst gestern eine Einladung zu einem “Gespräch über Ihre persönliche Situation” am 12.07.2010 um 8:00 Uhr, Absendedatum 30.11.2010.
Noch Fragen???
Dezember 3rd, 2010 at 18:46
Ich würde hingehen, dann ist es 30° wärmer ;-)
Dezember 3rd, 2010 at 21:13
@ 3 Flatter
Konkretes Beispiel:
Thermenstrom – bei Gasheizungen.
Es gab bei meiner Arge mehrere Antragsteller (ich hatte den Tipp veröffentlicht nach einem Urteil des SG Hannover), alle bekamen eine Ablehnung. Nur ein paar wenige haben einen Widerspruch eingelegt. Dann gab die Arge nach und bot auch mir einen geringeren Betrag an, das lehnte ich ab. Trotzdem zahlte die Arge einen geringeren Betrag als gefordert. Nur zwei (mit mir) haben dann gegen den Betrag geklagt, die Klagen laufen noch. Ich trete bei der anderen Klage als Beistand auf (SGG – Streitgenosse). Der Rest hat gekniffen und ist mit dem “angebotenen Betrag” zufrieden.
NOCH gibt es kein Urteil, nach meinen Berechnungsbegründungen für meine Forderung, aber wenn ich Erfolg habe (und da werde ich bis zur letzten Instanz gehen) wird das ein “Einzelfall” der dann als Argumentation für andere genutzt werden kann.
Also, Einzelfallentscheidungen sind eben NICHT unmöglich, und die KÖNNEN dann als neue Richtlinie herangezogen werden. Aber dazu ist eben Ausdauer und Widerstand plus Selbstbewustsein notwendig.
Was schon mit der Studie – Die Arbeitslosen von Marienthal in Österreich damals – belegt wurde, die Mehrheit wird träge und wehrt sich nicht. Leider.
Dezember 3rd, 2010 at 22:19
Zu dem Zwischentitel “Enteignung der Fleißigen” fällt mir folgende rhetorische Frage ein: Werden in dieser Gesellschaft nicht gerade Millionen Fleißiger enteignet, welche zu nur schäbigen Mini-Löhnen ausgebeutet werden, nämlich enteignet von ihrer kostbaren, weil einmaligen Lebenszeit?
Mögen sich die Reichen, Wohlhabenden, Viel-Verdiener auch bei höheren Steuern oder sonstigen höheren Abgaben “enteignet” vorkommen, so ist diese “Enteignung” doch zunächst mal nur ein wenig Enteignung von Geld zugunsten der Allgemeinheit, zur Aufrechterhaltung und Finanzierung einer Gesellschaft, die gerade IHNEN doch den Reichtum, das Wohlhabenssein, das Viel-Verdienen erst ermöglicht!
Wie asozial, raffgierig, egoistisch, gemein, niederträchtig, bösartig müssen eigentlich unsere “besseren Stände” mit ihrem Dauer-Gestöhne nach “Mehr Netto vom Brutto”, pausenlosen “Entlastungen” sein?
Manchmal graust es einen schon, mit solchen Mit(?)Menschen die Muttersprache teilen zu müssen.
Dezember 3rd, 2010 at 22:43
flatter meint: “Nach satten neun Monaten sprichwörtlichem Nichtstun hat er sich so ans Wachstum ohne Eigenleistung gewöhnt,….”
Gerade dazu gibt es eine wunderbare Aussage – von Heiner Geissler!
Er sagte mal zu den gängigen neoliberalen Theorien, und ganz speziell zu Hans-Olaf Henkel, dass sich selbst dieser als Baby nicht selbst die Flasche gegeben hat, dafür jemand anderen zur Hilfe bedurfte.
Wo der Mann Recht hat, hat er Recht!
Dezember 4th, 2010 at 00:16
@unbequener:
“Einzelfallentscheidungen sind eben NICHT unmöglich”
- Na hoschemol, wenn der ARGEmann von “Einzelfallentscheidungen ” redet, die geprüft würden, kann man in der Tat nur antworten: Na sicher, vor Gericht! Das ist ein Aspekt, den ich meine. Der andere ist der, dass aus Urteilen dann eben auch wieder Richtlinien entstehen, die für eine neue Kategorie gelten.
Dezember 4th, 2010 at 00:18
@Bakunin :
“Enteignung der Fleißigen” ist doch selbstverständlich ironisch zu verstehen, so wie “Leistungsträger” eben.
Dezember 4th, 2010 at 00:32
Enteignung der Fleißigen? Wie wäre es mit der Enteignung von Arbeitsplätzen? Man setzt fleißige Leute auf die Straße, wie Nokia z.b., und geht ins Ausland. Die gestern noch fleißigen Leute müssen nun Hartz IV in Anspruch nehmen. Haben jetzt die arbeitslos Gewordenen die noch immer wohlhabenden Steuerzahler enteignet oder ist es nicht viel mehr Nokia bzw. ein Nomadensystem von Fabrikation, dass immer dahin geht, wo die Arbeitskraft gerade am billigsten ist oder wo man noch dafür bezahlt wird, dass man sich als Fabrikant dort niederläßt?
Dezember 4th, 2010 at 00:46
Du linker Spinner! ;-)
Dezember 4th, 2010 at 06:21
Wer wissen möchte, in welcher Gesellschaft er lebt, vertiefe sich in ein ministerielles Schriftstück – den “Referentenentwurf ” zur Neufestlegung der Hartz-IV-Sätze. Das ist ein Text, dessen technokratische Obszönität bloß von seiner Verkommenheit übertroffen wird.
Quelle: Konkret Verlag
https://www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php?text=dieregelndesbedarfs&jahr=2010&mon=11
Dezember 4th, 2010 at 06:22
“Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.”
Theodor W. Adorno
Dezember 4th, 2010 at 09:15
ich trage mal mein Schärflein bei:
“Lost in abstraction”(TM)
In diesem Fall:
Die ‘Regel’ ist abstrakt, die ‘Ausnahme’ konkret.
Und die wirft uns aus dem Wolkenkuckucksheim der Konzepte.
Dafür gibts nämlich kein Formblatt.
Und ist ‘unökonomisch’(sic).
Und das ist ärgerlich.
SEHR verallgemeinerungsfähig, habe ich gemerkt! ;)
Dezember 4th, 2010 at 09:25
Nachtrag zu #19
“Da könnte ja jeder kommen”
ist eine Verteidigungsfloskel der Verallgemeinerer, die das Abstrakte vor dem Konkreten beschützen wollen.
Hat auch was mit Denkfaulheit bzw Indoktrination zu tun.
Das Abstrakte ist einfach leichter verwaltbar.
Amen.
Dezember 4th, 2010 at 09:46
Zu dem zweiten Beispiel sollte man hinzufügen, dass selbstverständlich der Behörde kein Vorwurf gemacht werden kann.
Im Gesetz steht nichts von “Recht auf Wohnung”. Da steht was von “angemessener Unterkunft”. Wenn man im Obdachlosenwohnheim unterkommen kann, wer wollte sich denn wo hinstellen und behaupten, was für tausende Obdachlose angemessen ist, wäre da nun unangemessen…
(Bin unlängst selbst fast obdachlos geworden, konnte dem nur entgehen, indem ich in die Zuständigkeit einer anderen Arge zog. Ohne Hilfe der Sippe wäre da nix gelaufen. Im Übrigen geht die hiesige Arge selbstherrlich davon aus, man würde immer und automatisch Hilfe von Freunden und Verwandten finden und sie müsste die Kosten eines Umzuges in voller Höhe nicht tragen. Wohl dem, der nach mehreren Jahren Soz noch Freunde und Verwandte hat, die einen unterstützen mögen, trotz nie zurückzahlbarer Schulden!
Genau genommen existiert aber auch keine Grundlage, für derlei Hilfen, denn wenn meine Eltern den Transporter zahlen, den meine Tante für mich fuhr, wäre dies ja eigentlich ein Einkommen, welches mir vom satz hätte abgezogen werden müssen. Ich bin von amtswegen zum Betrug gezwungen worden!!!
OK, stimmt nicht ganz, es zwingt einen ja niemand seine Wände zu streichen, kost nur unnötig Geld. Außerdem, man kann sich auch einen Handkarren leihen, dann reichts auch für die Farbe!)
Dezember 4th, 2010 at 10:21
Zu Beispiel eins: Die Telekom teilt mir schriftlich mit, dass ein DSL-Zugang unter meiner Adresse nicht möglich sei. Antrag storniert. Zwei Tage später ruft mich ein Telekom-Techniker an: Die DSL-Leitung sei nun geschaltet. Bin heute bei der Konkurrenz.
Derartige Erfahrungen mit “unserem geschulten Personal” würden Bände füllen.
Dezember 4th, 2010 at 10:50
Das passt doch alles wie A … auf Eimer.
https://www.rp-online.de/panorama/deutschland/Studie-sieht-Vereisung-des-sozialen-Klimas_aid_938310.html
https://www.tagesschau.de/inland/deutschezustaende100.html
Grüße
Dezember 4th, 2010 at 11:25
@HHarlekin #23
dazu passt:
Sind die Reichen gefühlsblind?
https://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33739/1.html
Ich interpretiere das so:
Die Reichen sind reich, WEIL sie gefühlsblind sind.
Kann man jeden Tag zB im Strassenverkehr beobachten.
‘Klug’ sind sie auch nicht. Von ‘weise’ schon garnicht zu reden.
Allenfalls ‘schlau’, wenn es um ihren persönlichen Vorteil geht.
Darauf verwenden sie offenbar ihre mentalen Energien.
Dezember 4th, 2010 at 12:36
Irgendwo, ich habs vergessen, findet sich in Lichtenbergs Sudelbüchern ein Satz, von mir reichlich frei aus der Erinnerung wiedergegeben:
Irische Mönche brachten den Goten das Evangelium, so blieb es nicht aus, daß reichlich viel Gotisches ins Evangelium einging.
Das läßt sich auch auf amerikanische Demokratie und deutschen Faschismus übertragen….
und umgekehrt, ist’s auch nicht verkehrt.
Nebenbei: Wer kennt das Lichtenberg Zitat, und kann mir sagen wo ich das “zitiergerecht” zuordnen kann?
Dafür geb ich Einen aus!
Dezember 4th, 2010 at 12:58
@carlo
das?
“Das Subjektive in vielen Dingen aufzusuchen. Z.E. da die Lehre Christi auf Goten fiel, mußte sie notwendig viel Gotisches annehmen.”
https://www.zeno.org/Literatur/M/Lichtenberg,+Georg+Christoph/Aufzeichnungen+und+Aphorismen/%5BAus+den+%C2%BBSudelb%C3%BCchern%C2%AB%5D/%5BAus+%C2%BBSudelbuch%C2%AB+J%5D
Dezember 4th, 2010 at 13:48
@carlo #25.2, (andere bitte weghören)
Lichtenberg ist ein Musterbeispiel für ‘Reflexion’, wie sie im 18.Jhrh aufgekommen ist.
(Smith, Hume, Kant)
Seine ‘Briefe aus England’, wo ich das Zitat erst vermutete, lesen sich heutzutage ziemlich dröge, aber er schwelgt da in Reflexion -hptschl, was die Schauspielerei betrifft. Was dann schon wieder interessant ist.
Dezember 4th, 2010 at 15:22
Hallo Groo!
Erstmal Besten Dank…J498…laß Dir Bitte über Flatter meine E-Mail Adresse geben, und teile mir eine Kontenverbindung mit. Ich stehe zu meinem Wort. Reichen 20 € wo Du wohnst für einen guten Cahors?
Alles claro…sagt carlo
Dezember 4th, 2010 at 15:38
Kleiner Nachtrag:
Übrigens ist das wohl der Nachweis für eine “Erfindung der Dialektik” weit lange vor Hegel…;-)
pp. Du kriegst den Zwani! Das war Gold wert…Danke nochmals….
Dezember 4th, 2010 at 15:42
@carlo#29,
nett,
spende das irgendwohin, und gut isses ;)
Dezember 4th, 2010 at 17:19
@carlo#29,
wo Du Hegel erwähnst:
Ich habe mal versucht, Hegel in seine Bestandteile zu zerlegen.
Was mich dann gestört hat, ist sein notorischer Bezug auf ‘Gott’, der das Ende der Geschichte markiert.
Ob das zeitbedingt ist oder seiner Art der Dialektik immanent ist, habe ich nie herausgefunden.
Die Hegelsche Triade These-Antithese-Synthese- hat aber mE schon Substanz.
Hegel ist kein Scharlatan.
Heutzutage nennt man das ‘Leerstelle’, als Platzhalter für die fehlende Synthese
–> Kaehr -> Gotthart Günther -> Spencer Brown.
Zähe Materie.
Embryonal eben erkennbar bei den Denkern des 18.Jhrh.
Aber das ist mein fast privates Problem:
Woher das kommt?
Und ob die ‘Lücke’ sich sozusagen automatisch auffüllt?
Entschuldigung, wenn ich den Artikel mit solcherlei Gedanken belaste.
Erstmal nur gedacht für carlo als Denkfutter.
Dezember 5th, 2010 at 13:32
Wäre es nicht besser gar wesentlich angenehmer, ja sogar sehr viel schöner, wir kämen schon alt und krank, von mir aus auch grau und voller Falten im Gesicht und mit furchtbaren Schmerzen, dafür aber bereits klug und reich auf diese Welt, in der wir schon alles hätten, wo der ganze Klimbim mit allem Pipapo, so was dazu gehört?
Das wäre schon da und ersparte uns das Ansammeln, wofür wir sonst im Laufe des Lebens auch noch hart mitarbeiten und sogar das reichgespickte Adressbuch wäre mit in dem Gepäck.
Ja, so finge diese Welt dann an, in der wir anstatt dummen Zeugs palavern und anstellen, nur noch Gutes im Sinn haben würden.
Vor allem würden wir anstatt immer älter und dümmer zu werden oder evtl. auch mal mehr Weise, dafür von Tag zu Tag jünger und schöner.
Man stelle sich vor, wir könnten dann, so gut wir bald aussehen, auch aus dem tollen Adressbuch mit der gegebenen Zeit endlich richtig umgehen und handeln.
Zwar würden wir weniger Weise werden, da wir schon alles schon kennen und könnten, dafür bewusster leben, und mit anderen bedingt netter umgehen, vor allem mit dem ganzen Plunder ganz anders verfahren.
Wir würden ganz andere Interessen entwickeln, wobei wir nur noch aller bestes für uns gelten lassen, geistig blödes ignorieren und krankmachendes Zeug, falsche Nahrungsmittel und der Gleichen konsequent ebenso nicht mehr in uns lassen.
Je jünger wir dann würden, desto besser fühlen wir uns von Tag zu Tag in der verbleibenden Zeit, zudem bald schmerzfrei…
Gut, wir hätten gerade die übrige Zeit stets vor Augen, aber letztendlich wüsten wir genau, wie es mal mit uns Enden wird, nämlich nach dem kreischenden Baby im lauten Orgasmus.
Wäre doch allemal besser.
Polo Pollox
Dezember 5th, 2010 at 21:52
groo, wenn wir uns mal bei irgendeiner Demo über den Weg laufen, dann bezahle ich…..ist das dann wenigstes korrekt?
Dezember 5th, 2010 at 22:40
@groo es freut einen alten Voigtlänger der auf die 60 zugeht, wenn Du Hegel zerlegst. Bravo, Chapeau und denk daran wir hatten mal den Hölz.
Dezember 6th, 2010 at 00:15
Wenn einer Hegel zerlegt hat, ist das Adorno. Negative Dialektik s. 159ff., insbesondere s.161. (stw). Aber wem willste mit sowas kommen, wenn die Leuz intelektuell noch nicht mal in der Moderne angekommen sind?
Dezember 6th, 2010 at 15:25
Auch wenn ich die meisten hier verstehe und den Grundtenor des hier vorgestellten Artikels mag, muss doch jemand mal den Ketzer spielen:
Die Frau bekam bisher also keine neue Wohnung, weil ihr 60 qm nicht ausreichen, obwohl sie die meiste Zeit alleine da wohnt. Während meinereiner, der sein Geld selbst auftreibt, lieber mit 50qm zufrieden ist, weil die Scheiße nunmal Geld kostet. Und ja, am Wochenende hab ich auch öfters Besuch, deshalb bekomm ich trotzdem nicht kostenlos noch einen Partyraum dazu. Ich seh hier eher die Gier nach mehr Lebensraum als Problem, denn mangelnde Fürsorge anderer. ;)