In der TAZ zieht Ulrike Herrmann eine Zwischenbilanz nach fünf Jahren “Hartz IV”und stellt fest: Wir verdanken Hartz die “Erfindung der Angst” als Knute für deutsche Arbeitnehmer.

Die Hartz-Reformen haben in Deutschland Ängste ausgelöst. Im reicheren Westen sorgen sich sogar 94,3 Prozent um ihre Zukunft, im Osten sind es 88,5 Prozent. 70,5 Prozent fürchten ganz konkret, dass sie irgendwann einmal zum Hartz-IV-Empfänger werden könnten. 77,9 Prozent sehen wenig Chancen für ihre Kinder.

Der große Skandal besteht in der Erniedrigung der Lohnabhäbgigen und Lohnersatzempfänger, der Demütigung der Verlierer. Die Behauptung, es werde “gefordert und gefördert” wird, zurecht, verstanden als Vorwurf an diejenigen, die dabei nicht erfolgreich “gefördert” werden. Wir sind noch Lichtjahre davon entfernt, daß man von einer echten Förderung der Arbeitslosen sprechen könnte. Ganz zu schweigen von einem Arbeitsmarkt, der auch die Interessen und Kompetenzen der Einzelnen berücksichtigen würde.
Wer von den “Agenturen” abhängig ist, hat Angst. Angst, auch noch das Nötigste zu verlieren, Angst, in einen Job gezwungen zu werden, in dem er überfordert ist und in dem er als Mensch nicht respektiert wird. Diese Angst schlägt längst auch durch auf diejenigen, die täglich beweisen dürfen, daß sie nicht zum Faulen Pack© gehören. Sie wissen, daß sie ihren Job verlieren können. Sie wissen, daß ihr Job unerträglich werden kann. Sie wissen, daß jede Veränderung dazu führen kann, daß sie zu Verlierern werden. Und das ist der schlimmste Effekt: Der Markt (ehemals die “Gesellschaft”), der äußerste Flexibilität von den Marktteilnehmern (ehemals Personen) verlangt, lähmt sie zugleich durch die permanente Drohung des Abstiegs. Damit geht einher, daß die Menschen längst glauben, ihr Selbstwert sei in Euro und Cent zu beziffern. Bislang führt dieser Effekt “nur” in die Depression. Auf lange Sicht aber liegt darin die größte Gefahr, die einer demokratischen Gesellschaft drohen kann.