Der Herdentrieb berichtet über den Jahresbericht der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und zitiert:
“Angesichts der enormen und andauernden strukturellen Änderungen lässt sich … durchaus die Meinung vertreten, dass wir die wirtschaftlichen Abläufe heute womöglich noch weniger verstehen als in der Vergangenheit.”
Dieter Wermuth stellt überdies fest:
“Keinen der Wendepunkte der Wirtschaftgeschichte des vergangenen Jahrhunderts haben die Ökonomen vorhergesagt“. Ich kann man mir das Lästern über die Spökenkieker ja eh nicht verkneifen, zumal, wenn nach jeder Prognose, egal, wie sie lautet, Leute entlassen werden.
Wermuth konkretisiert: “Niemand hat beispielsweise eine unbestrittene Vorstellung darüber, wie Inflation aus dem Zusammenspiel von Kapazitätsauslastung, Produktivität, Löhnen, Einfuhrpreisen, Geldmenge und Erwartungen entsteht“.
Nehmen wir einmal an, die quantifizierbaren Faktoren, die da genannt werden, entzögen sich nicht einer präzisen Berechnung, dann wäre da immer noch der entschdeidende Faktor “Erwartung“. Die Erwartungen und Erwartungserwartungen, das Gezocke an den Börsen, wird nicht berechenbarer, schon gar nicht, wenn staatliche Kontrollen fehlen, die ja den Oguren des Kaptials als das Böse schlechthin gelten. Das “Heuschrecken”-Treiben sorgt dabei für Chaos pur, denn wo wirtschaftliche Vernunft der schnellen Rendite zum Opfer fällt und Kapital in solcher Masse plötzlich bewegt wird, werden Prognosen eben extrem schwierig. Ein weiterer Faktor trägt nicht eben zur Ordnung der Märkte bei. Wermuth weist indirekt darauf hin:
“Wenn sie [chinesiche Kapitalgeber] jetzt anfangen, Aktien statt Bonds zu kaufen, also Sachvermögen zu erwerben, werden sich die protektionistischen und xenophobischen Tendenzen in den USA verstärken. Mit anderen Worten, hier steuern wir auch schnurstracks auf die Krise zu.”
Die größte Marktmacht der Welt spielt nämlich falsch. Immer. Ganz selbstverständlich geht der Ökonom schon davon aus, daß den Amerikanern keine Protektion oder Subvention zu schäbig ist, wenn es um die eigenen Leute geht. Hinzu kommt, daß die Konzepte der Administrationen unterschiedlicher nicht sein könnten, zwischen Clinton und Bush liegt eine ganze Welt.
Das einzige, was die Ökonomen der Großen wirklich können, ist große Töne Spucken. Mit den Brustton einer irrwitzigen Überzeugung posaunen sie ihre PR-Weisheiten in die Welt hinaus, als hätte es kein Gestern gegeben. Der Markt, der Markt, hat immer recht, auch wenn eigentlich keiner weiß, was er eigentlich ist oder wie er funktioniert. Nur eines ist klar: Bloß keine Kontrolle! Die könnte nämlich für Ordnung sorgen und käme denen überhaupt nicht zupaß, die vom Chaos so vortrefflich profitieren.
Juli 1st, 2007 at 21:48
die USA haben aber das große problem, das sie ihre wirtschaft nicht zu sehr abschotten können.
zum einen brauchen sie das geld ganz dringend, damit die dollar-blase nicht platzt, und zum anderen haben die chinesen soviele dollar gebunkert, das sie dadurch die USA quasi erpressen können – nämlich indem sie ansonsten die dollar-blase platzen lassen können.
Juli 1st, 2007 at 23:33
Was zu weiteren heiteren Spekulationen führen kann. Das ist ja der Knüller, daß sie sich selbst am Ende damit schaden.
Juli 1st, 2007 at 23:36
die chinese werden sich aber hueten diese blase platzen zu lassen. das ist wie bei einem bienenstich. sobald sie ihren stachel einsetzt zieht sie sich selbst ins verderben.
der dollarberg kann etwa so offensiv eingesetzt werden wie strategische atomwaffen, also garnicht ( theoretisch natuerlich schon).
Juli 2nd, 2007 at 15:27
@markus: die chinesen haben trotz allem einen weitgehenden abgeschottenen markt. wenn die dollar-blase platz geht die weltwirtschaft komplett baden, das ist wahr. aber ich wage die behauptung, das china aufgrund seiner abschottung und auch der strukturen im lande durchaus eines der wenigen länder sein könnte, die relativ gut dabei weg kommen.
eine interessante frage wäre auch z.b., ob die USA das als ganzes überstehen würden oder ob es zu abspaltungen einiger bundesstaaten kommen würde.
ich wage die behauptung, das china bei einer geplatzten dollar-blase mehr gewinnen würde als es insgesamt verliert.
Juli 2nd, 2007 at 18:54
mhh hatte mich mit der struktur der chin. wirtschaft noch nicht im detail befasst. was man so “in den medien” mitbekam wurde eigentlich immer sehr stark auf die zunehmende exportorientierung der chinesischen wirtschaft hingewiesen. sollte es sich so verhalten wie von dir beschrieben, wuerden neorealisten davon ausgehen, das dieses mittel auch eingesetzt wird um entsprechende absolute gains einzufahren. dem braten trau ich aber noch nicht. durch den ploetzlichen wirtschaftlichen abschwung wuerden die sozialen probleme evtl dazu fuehren das es zu entsprechenden wiederstandsbewegungen gegen das kp regime kommt. noch ist da alles ruhig, weil alle denken sie koennten was abhaben vom kuchen. problematisch wird es erst wenn die hoffnung darauf schwindet.
Juli 6th, 2007 at 13:44
Jaja, die Ökonomenzunft, viel zu ernst wird sie genommen. Aber schuld sind wir selber, weil wir in den letzten Jahren zuviel an solcherlei Welterklärerei nachgefragt haben. Wenn jemand damit auftrumpfte, er verstünde etwas von Wirtschaft, dann hofften wir, letztgültige Wahrheiten zu erfahren. Dabei ist Volkswirtschaftslehre, lt. Globalisierungsbrevier, nur eine “Wissenschaft, die semesterlang um die Erkenntnis kreist, daß knappe Güter einen Preis haben. Phantasievolle Ableitungen aus dieser Erkenntnis taugen immerhin noch für Nobelpreise.”
Juli 6th, 2007 at 15:00
Andererseits ist gerade die VWL ein Potential, das kaum genutzt wird. Sie denkt in anderen, vor allem langfristigen globalen Zusammenhängen – wenn sie denkt -, was auch heißt, daß sie sich eben der qualitativen wissenschaftlichen Betrachtung zuwenden muß, wo die kurzatmige Erbsenzählerei der BWL keine Wissenschaft mehr ist, sondern nur ein Instrument, den status quo zu bestätigen. Allerdings muß man da genau hinschauen: Wenn VWL von BWLern gelehrt wird, kann man sich die Veranstaltung sparen.