Ein recht kluger Artikel von Jörg Lau zum Thema “Islam in Deutschland” findet sich in der aktuellen Printausgabe der ZEIT. Zurecht weist er etwa darauf hin, daß die “christliche” Kultur sich erst durch Jahrhunderte von Krieg und Kampf zu der aufgeklärten Gesellschaft entwickelt hat, die sie heute auch ist. Allerdings muß das Argument erweitert werden: Es gibt im Abendland diverse Mechanismen, in denen sich das Unbehagen in dieser Kultur Ausdruck verleiht. An vorderster Stelle sind die Symptome von Gleichgültigkeit über Konsumwahn bis hin zu extremistischen Erscheinungen von der (nicht-)Bewältigung des Todes als Gewissheit geprägt. Religiosität hilft dem Westmenschen meist nicht mehr, und er hat sich so in die Sphäre von Produktion, Erwerb und Konsum eingebettet, daß es ihm völlig fremd erscheint, daß andere Menschen dieses “Leben” in Bausch und Bogen ablehnen. Vor allem ist ihm eine tiefe Beziehung zur Realität des eigenen Todes völlig abhanden gekommen. Das hat zur Folge, daß es ihm “wahnsinnig” erscheint, sein Leben für etwas einzusetzen. Die Bequemlichkeit und kurzatmige Lust der automatisierten Gesellschaft ist an sich Religion geworden, unvereinbar mit Idealen. Diese haben sich längst vor der Sphäre des Materiellen zu verantworten, wo eine islamisch geprägte Geisteshaltung sogar die Materialität des eigenen Körpers noch dem (religiösen) Ideal unterordnet. In diesem Sinne ist eine urreligiöse Geisteshaltung der dekadenten Konsumideologie turmhoch überlegen. Wüst gestaltet sich dieser Gegensatz, wo die Welten aufeinanderprallen. Das ist selbstredend im “modernen” Christentum ebenso zu beobachten wie im Islam, der sich der materialistischen Moderne ja auch nicht entziehen kann. Auf beiden Seiten wird der Konflikt nicht wirklich ausgetragen. Es geht um Leben und Sterben. Was ist ein würdiges Leben, was ein würdiger Tod? Die Antworten, die die Kultur gewordene Hilflosigkeit den Menschen anbietet, sind erbärmlich. Es ist an der Zeit, bessere zu suchen.