Wenn dasselbe Personal, zumal dieselbe Kanzlerin, ständig und nachweisbar verfassungswidrige Gesetze erläßt, wo ist dann der Punkt erreicht, an dem sie abgesetzt werden muß?
Soll das wirklich so gehen mit der Regierungskunst, wenn man ein ums andere mal vom Bundesverfassungsgericht Grundrechtsverletzungen bescheinigt bekommt, daß man einfach denselben miefigen Salat noch einmal serviert und ihn abermals als frisch deklariert?

Es gab Zeiten, da wurde noch gekämpft um das selbst eingebrachte und verabschiedete Gesetz. Da galt es noch als Niederlage, wenn die Karlsruher Richter eins kassierten. Da war noch das Bemühen erkennbar, so zu arbeiten, daß es eben nicht zum Äußersten kam.
Inzwischen ist eine Art Sport daraus geworden, sich so oft wie möglich in die Schranken weisen zu lassen und derweil in der Praxis sämtliche zu unterlaufen.

Die Regelsätze für Hartz IV werden regelrecht öffentlich ausgekungelt, und die FDP stellt Forderungen an die konkrete Höhe. Genau dieses “Mehr gibt es nicht” wurde aber mit dem Urteil, das die Novelle erzwingt, ausdrücklich verboten. Es ist der Bedarf zu ermitteln, und zwar der der Armen und nicht der des Außenministers.

Der Inneminister geht derweil mit der nächsten Horrorliste hausieren, wie sie seinem Vorgänger schon um die Ohren gehauen wurden. Aber das kennen wir schon: Der nächste Anlauf wird noch dreister, vielleicht übersieht das Gericht ja etwas Brauchbares. Wenn da noch ernsthaft vom “Geist der Verfassung” die Rede ist, muß man annehmen, daß damit ein jämmerlich heulendes Gespenst gemeint ist, das mit seinen Ketten rasselt. Ein treffliches Vorbild für uns alle.

Wie oft also und wie offensichtlich darf am Grundgesetz vorbei regiert werden, bis das Konsequenzen hat? Man wird wohl kaum erwarten dürfen, daß der von den Regierungsparteien ins Amt abgeschobene Bundespräsident dem Einhalt gebietet oder diese Praxis auch nur rügt. Hier wäre doch einmal eine Verfassungsänderung angebracht. Sagen wir: dreimal in Karlsruhe gescheitert – und ihr seid abgesetzt. Das wäre ein Verfassungsschutz, der seinem Begriff einmal nicht Hohn spräche.