Die gläserne Postdemokratie der Monika Harms
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31. Mai 2007 0:18
Das Interview des SPIEGEL mit der Generalbundesanwältin Harms ist schon einige Tage alt, und einige Passagen wurden schon häufig zitiert. Ich will mich mit dem Rest aber auch noch beschäftigen, weil es nicht nur ausnahmsweise zeigt, daß der SPIEGEL noch bissig fragen kann, sondern auch, weil es absolut entlarvend ist.
Harms: “Leute, die aus politischen Gründen den Staat in organisierter Weise mit Gewalt überziehen und seit Jahren Brandanschläge im Raum Hamburg und Berlin initiieren, sind nach dem Gesetz Mitglieder einer terroristischen Vereinigung.”
Das ist die Grundlage für die Rechtfertigung aller folgenden Maßnahmen, von Durchsuchungen über Geruchsproben bis hin zur Postüberwachung. Die Unterscheidung zwischen überführten oder verurteilten Kriminellen und Verdächtigen ist Frau Harms wohl zu anstrengend.
Harms: “Es gibt Anleitungen für Brandanschläge und Camps, in denen Blockaden und militante Aktionen für Heiligendamm trainiert werden. Sollten wir im Hinblick auf die Serie von Brandanschlägen wirklich die Hände in den Schoß legen, obwohl wir dem Legalitätsprinzip verpflichtet sind?”
Alles eine Pampe, die “es gibt” (wo eigentlich? von wem?). Oben noch Terroristen, hier schon die Planung von Blockaden. Soll man da die Hände in den Schoß legen? Nein, feste druff, irgendwas trifft man schon!
Harms:”In den Verfahren liegt zwar kein dringender Tatverdacht vor, aber ein Anfangsverdacht, und jetzt muss man abwarten, was bei der Auswertung herauskommt.”
Aha, Anfangsverdacht auf Blockade. Vielleicht sollte Frau Harms doch besser die Hände in den Schoß legen. Oder noch besser: Vor den Mund.
Harms: “Die Gruppen, die so etwas machen, solidarisieren sich sowieso miteinander, auch ohne Durchsuchungen.”
Nein, diese Gruppen! Was die sich immer am solidarisieren sind! Heißt was? Statt einer Analyse Stereotypen, statt Differenzierung naives Geplapper. Gefragt worden war eigentlich nach dem Effekt einer übereifrigen Exekutive. Die hat keinen Effekt, meint Frau Harms. Daß sie keine Ahnung hat, stellt sie noch deutlich unter Beweis.
Harms: “Ist Ihnen, als Sie jüngst über die RAF und vermeintliche Fehler des Staates berichtet haben, durch den Kopf gegangen, dass Sie dadurch eine Solidarisierung mit dem Gedankengut der RAF bewirken könnten?”
Schenkelklopfer. Der SPIEGEL als Kaderschmiede der nächsten Stadtguerilla. Das meint die Frau ernst!
Harms: [zu der Abnahme von Duftproben] “Solche Proben haben wir nur bei fünf Beschuldigten genommen – und zwar aus einem konkreten Anlass. Wir haben es mit außerordentlich konspirativen Gruppen zu tun. Da müssen wir alle zur Verfügung stehenden legalen Ermittlungsmethoden nutzen.”
Aus konkretem Anlaß, und nur fünf. Sehr gnädig, es hätten ja auch fünfzigtausend sein können, nur so aus Spaß. “Außerordentlich konspirativ” – welch ein leeres demagogisches Gefasel!
Harms: “Hier geht es doch nicht um Oppositionelle wie einst in der DDR, sondern um Straftäter, die nach Brandanschlägen Bekennerschreiben verschicken. Wenn diese Briefe besonders duften, ist das ein Ermittlungsansatz, dem wir nachgehen müssen.”
Wenn Straftäter duftende Bekennerbriefe schicken, ist es um dieses Land geschehen. Und dem Ermittlungsansatz muss man nachgehen? Weil er einer ist? Dann kann das BKA sicher noch eine Menge von der Stasi lernen.
“Harms: Einen Computer sollten wir im Einzelfall und unter engen Voraussetzungen auch einmal heimlich durchsuchen dürfen, weil in dem Moment, in dem man eine Festplatte offen durchsucht, der Beschuldigte und mögliche Mittäter gewarnt sind.”
SPIEGEL: Das gilt doch für Hausdurchsuchungen ebenso. Wollen Sie die künftig ebenfalls heimlich gestalten?
Harms: Nein, das sieht das Gesetz nicht vor.”
Gut gefragt! Und was fällt der Generalinquisitorin ein? Daß es das Gesetz nicht vorsieht. Sie hat nicht etwa jedwede Einwände gegen heimliche Hausdurchsuchungen, es ist nur noch nicht soweit.
“Wir werden doch schon jetzt überall erfasst: mit der Kreditkarte oder der Versicherungsnummer, etwa beim Arzt. Wir sind auf dem Weg zum gläsernen Menschen.
Ohne mit der Wimper zu zucken. Das ist die Welt der Monika Harms. Das ist das postdemokratische Überwachungsparadies, und sie ist die Chefanklägerin. Dieser politisch unterbelichtete GAU einer Beamtenseele marschiert wie ein Zombie durch den Rechtsstaat und wartet nur auf weitere wahnsinnige Ideen, die sie exekutieren lassen kann. Etwas besseres konnte Schäuble nicht passieren. Der einzige Trost: Sie hat keinen Plan, was in ihrem Stall vorgeht, wer sie ist und welchen Job sie da eigentlich tut:
“SPIEGEL: Ihr Haus kennt die Aussagen doch schon seit 1982.
Harms: Das sagen Sie.
SPIEGEL: Das sagt die Bundesregierung.”
Geht’s noch peinlicher? Man muß ja nicht alles wissen, aber nix ist mager. Einen noch: Zum Komplex RAF gibt es Fragen, und der SPIEGEL fragt. Harms antwortet nicht, bzw.:
Harms: “Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich es nicht weiß.”
Harms: “Ich weiß das nicht,[...]”
Harms: “Auch das weiß ich nicht. Ich war damals nicht dabei.”
Harms: “Die historische Wahrheit interessiert Historiker [...]”
Sie selbst interessiert es nicht. Nicht, was aus den Aktionen der Behörden folgt, nicht, was aus der Vergangenheit zu lernen wäre, nicht, welche Methoden einer Diktatur entstammen. Gesetz ist Gesetz, alle Mittel werden eingesetzt, und man läßt die Hände nicht im Schoß liegen, wenn es Verdächtige gibt. Die Eichmänner sind auch im Jahr 2007 nicht ausgestorben, und manchmal sind sie eben Frauen.
Mai 31st, 2007 at 12:16
ist nicht frau harms auch diejenige, die meinung vertritt, das laut grundgesetz nur die planung eines angriffskrieges verboten ist, nicht aber der angriffskrieg selber – und man sich deshalb straffrei daran beteiligen kann, wenn er von anderen geplant wird?
als generalbundesanwältin wird die frau immer untragbarer.
Mai 31st, 2007 at 23:17
Ich weiß nur, daß ihr Vorgänger feststellte, es sei nicht stafbar, einen Angriffskrieg nicht zu verhindern. Das war wenigstens noch große Rhetorik.
Aber untragbar ist sie, unbezweifelt.
Juni 1st, 2007 at 00:52
Ich bin jetzt mal etwas provokativ:
Die Nazis haben wenigstens einen Reichstagsbrandanschlag und bspw. ein Attentat (ein wütender junger jüdischer Bürger in Paris, der den Botschaftsattache von Rath erschoß) ABGEWARTET, bevor sie diese Vorfälle nutzten, um ihr Schreckensregime weiter auszubauen.
Schäuble, Harms und Co. warten erst gar nicht die Taten ab, sondern “reagieren” bereits präkognitiv darauf.
So viel zum Thema Rechtsstaat Deutschland im Jahre 2007.
Juni 1st, 2007 at 11:21
Da muß ich freilich widersprechen. Wenn man das nämlich so sieht, wäre die Parallele viel paralleler, und Heiligendamm sowie der Versicherungsfall Dieckmann wären die Provokation bzw. das Alibi der neuerlichen Grundrechtseinschränkungen.
Aber ich tue mich generell sehr schwer mit “Nazivergleichen”. Darum sprach ich auch nicht zufällig von Eichmann, dessen einerseits ignorante und andererseits vorauseilend gehorsame Vollstreckermentalität ohne Rücksicht auf jede Humanität ich da wiederentdecke.
Juni 1st, 2007 at 15:12
Na ja, Vergleiche hinken immer. Bis vor zwei drei Jahren hätte ich auch nie gedacht, daß ich solche Vergleiche so ohne weiteres heranziehen würde. Aber bei dem, was in D abgeht seit geraumer Zeit, erkenne ich mehr und mehr Parallelen zur Endzeit der Weimarer Republik – wer sich mit der Endphase mal näher beschäftigt hat, wird den Eindruck nicht los, daß sich da Clowns in einer Operette versuchten…
Würde es nicht so viel Tote, Leid und Ungerechtigkeit bedeuten, würde ich sagen: Wie soll man da Geschichte und Politik noch ernst nehmen können? Aber das ist das Fatale daran. Es wird immer absurder, die handelnden Figuren und ihre Maßnahmen, ihre Denke, all das geht immer mehr in Richtung “schlechter” Realsatire, aber man muß es leider ernst nehmen, da Millionen Menschen davon betroffen sind (Hartz IV, Aussteiger, Randgruppen, kritische Geister usw.).