Nachdem mit Christian Henn ein weiterer ehemaliger Telekom-Fahrer vom Doping berichtet, sprechen die Reflexe wieder an. Es ist nicht zu fassen: Es wird tatsächlich wieder auf diejenigen eingedroschen, die verdächtigt werden oder sich outen, während das System nicht in Frage gestellt wird. Zwar ist das Thema “Amnestie” endlich im Gespräch, aber es findet sich sofort ein Moralkasper, diesmal in Gestalt des Grünen-Sprechers Winfried Hermann (Wer ist das? Was will der?), der mit allen Mitteln versucht, nicht zu viel Vernunft aufkommen zu lassen. Ernsthaft schwafelt der Mann, Ullrich solle der Toursieg aberkannt werden. Nur noch saubere Sportler wie Riis und Armstrong stünden dann in den Annalen – ein Kracher! Oder streichen wir gleich alle Ergebnislisten der letzten 20 Jahre? Der Oberdummbatz der deutschen Funktionärsszene, Rudolf Scharping, drischt derweil die altbekannten Phrasen von wegen “schnelle Aufklärung” und “ohne Ansehen der Person” – er wird der letzte sein, der kapiert, daß es nicht um Personen geht. Es gibt auch, Herrgottnochmal, keine Causa Telekom. Read my lips: It’s the system, stupid!
Wie immer sind die beteiligten Journalisten keinen Deut schlauer. Überall dieses unerträgliche Gefasel von “Sünder”, “Beichte”, “Schuld”, Betrug” und “sauber”! Es ist gibt kein Gut und Böse, keine Betrüger und Betrogenen, es gibt nur Leistungsdruck und dessen Wirkung. Jeder, wirklich jeder, der noch in den steinzeitlichen Kategorien von sauberem Sport und verwerflichen Dopingsündern denkt, ist nicht qualifiziert, sich am weiteren Disput zu beteiligen. Oder anders gesagt: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Schnauze halten!