ZEIT online bringt es ganz gut auf den Punkt, was die völlig überzogenen und unsinnigen Durchsuchungen in der “autonomen Szene” bringen, nämlich nichts außer einer großen Alarmübung des Präventionsterrors. Zeitpunkt und Opfer sind gut gewählt, denn es steht ein Ereignis bevor, das spätestens nach dieser Aktion nicht mehr friedlich über die Bühne gehen wird, und die Szene ist durchsetzt von hohlen Krawallmachern, die alles andere sind als Sympathieträger. Beim gemeinen Volk kommt also an, daß alles seine Richtigkeit hat und es nicht die Falschen trifft. Leider ist das Gegenteil der Fall.
Der G8-Gipfel ist ein Politikum, das nicht ohne Resonanz in Form von Protest stattfinden darf. Die Symbolik von Sicherheitszaun und Stacheldraht, die absolut fehlende Transparenz und die Verachtung des Fußvolkes, den dieser politische Opernball ausstrahlt, kann Demokraten nicht gleichgültig sein. “Wirtschaft”, vulgo Kapital (und dessen Eigner) hat sich selten so sichtbar die Priorität vor der Politik gesichert. Dagegen darf man protestieren, und dieser Protest darf organisiert sein.
Die Art und Weise, wie nun dagegen vorgegangen wird, ist atemberaubend anmaßend und zeugt von einem Geiste, der einer Junta gut zu Gesicht stünde. “Terror” nennt man den Protest, und die Konstruktion, mit deren Hilfe hier “Recht” passend gemacht wird, wäre lächerlich, wenn nicht so beängstigend. Irgendwer zündet irgendwo ein Auto an, Wirrköpfe, die entweder so blöd sind zu glauben, das hätte eine politische Wirkung oder einfach Bock auf Krawall haben und sich politisch geben, um diesen Blödsinn halbgar zu rechtfertigen. Wie auch immer man das sieht, mit “Terror” hat das nichts zu tun, und vor solchen Flitzpiepen müssen die grauen Herren in den Panzerlimousinen nicht derart geschützt werden.
Zwei deutliche Signale sendet der Staatsschutz hingegen mit seinen Razzien aus:
Erstens: Das Recht auf Äußerung einer abweichenden Meinung gilt ihnen nichts, und diejenigen, die sie äußern wollen, werden eingeschüchtert.
Zweitens: Es gibt eine allgegenwärtige Bedrohung, der Herr zu werden jederzeit die Mißachtung der Grundrechte rechtfertigt. Terroristen könnten tausende töten, degegen muß der Staat sich wappnen, sagen die “Theoretiker”, i.e. Demagogen. Für dieses Ziel machen sie mobil und hoffen auf die Zustimmung ihrer Wähler. Auf der anderen Seite stehen Vollzugsbeamte bereit, für die jemand des Terrors bereits dann verdächtig ist, wenn er jemanden kennen könnte, der womöglich ein Auto angezündet hat.
Ich bin nicht mehr in dem Alter, in dem man noch Verständnins hat für Kapuzenheinis, die Molotowcoktails für ein politisches Instrument halten. Dennoch müssen selbst jene vor einem losgelassenen Staat geschützt werden und nicht umgekehrt. Die Schäublerepublik 2007 macht uns gerade klar, daß jeder verdächtig ist, und daher auch jeder ein Terrorist.
Mai 11th, 2007 at 00:45
“Die Symbolik von Sicherheitszaun und Stacheldraht, die absolut fehlende Transparenz und die Verachtung des Fußvolkes, den dieser politische Opernball ausstrahlt, kann Demokraten nicht gleichgültig sein.” – Ein wahres Wort zur Abendstunde! Die Festung Heiligendamm zeugt in der Tat von einer Sicherheitsmanie, die geradezu klinische Züge aufweist. Und die gutinszenierte Razzia war offensichtlich darauf angelegt, ein Klima der Angst zu erzeugen, klarzumachen, dass mit staatlichem Zugriff jederzeit gerechnet werden muss. Das ist gelungen.
Der gewiß nicht “linken” Umtrieben verdächtige Ex-Chefredakteur der WELT, Konrad Adam, schrieb in einem seiner letzten Kommentare über dieses staatliche Muskelspiel:”Die simple, stumme Botschaft eines übermannshohen, mit Stacheldraht und spanischen Reitern versehenen Zaunes von zwölf Kilometer Länge ist nicht zu überhören. Sie lautet so: Wir brauchen euch nicht. Wir wollen euch nicht. Wir möchten unter uns bleiben. Denn wir haben Angst.” Und weiter:”Für sich genommen mag jede einzelne der freiheitsbeschränkenden oder freiheitsbedrohenden Vorkehrungen erträglich wirken: In ihrer Summe tragen sie dazu bei, den Sinn für Freiheit und den Wunsch nach ihr zu knicken, zu verkürzen und abzutöten.”
https://www.welt.de/welt_print/article786405/Der_Zaun.html
BRD 2007. Wer hätte das vor zwanzig Jahren für möglich gehalten? Wo ist das liberale Selbstverständnis geblieben, das diese Republik so erfolgreich gemacht hat? Ich sagte es neulich schon: Carl Schmitts “Denken vom Staat her” ist lebendiger denn je.
Mai 11th, 2007 at 00:58
Danke für die Information bezgl. “Welt”! Wendet sich womöglich das Blatt in der öffentlichen Wahrnehmung? Ich bin gerade so schön pessimistisch…
Mai 11th, 2007 at 08:48
Um es mit ein paar kurzen Worten zu sagen: seit Adam nicht mehr da ist, ist das Blatt nur noch die Hälfte wert (höchstens). Qualität ist eben durch nichts zu ersetzen.
Mai 11th, 2007 at 22:04
Der große Inquisitor rollt durch die politische Landschaft. Heute wird jeder verdächtigt, bald vor allem auch Richter, die nach einer Rechtsgrundlage fragen, dann ist es ja nur noch eine Frage der Zeit, wann nicht mehr jeder verdächtig ist, sondern verurteilt, es sei denn, er kann seine Unschuld beweisen. Die, die nichts zu verheimlichen haben (diese Worte hört man immer öfter), wissen nur noch nicht, welche Gefahr sie mit ihrer Existenz und ihren Handlungen für den Staat darstellen.
Jetzt muss ich erstmal beweisen, dass ich nicht an die See fahren will, um nicht 2 Wochen in den Knast kommen…
Und keiner hat’s gewußt, geahnt, gesehen.
Mai 11th, 2007 at 22:32
Wir kochen uns ein Süppchen…
Zutaten:
Umfeld vorbereitend warnen
Worthülsetten
Militante
Behauptungen wie “Der Irak hat Massenvernichtungswaffen”
Frische Bedrohungslage (linksdrehend)
Eine grüne Büchse der Pandora
Razziasieb
Mehrere Schüsse Wasser
Anrichten: Monoto…
Mai 11th, 2007 at 23:16
92 Millionen Euro soll die Party an der Ostsee den Steuerzahler kosten. Das nenne ich doch mal ein gediegenes Event. Und für etwaige ungebetene Gäste wurden rein vorsorglich schon mal “Gefangenensammellager” eingerichtet. Das klingt wie aus den letzten Tagen der DDR. Ist aber BRD in Echtzeit. Der uns seinerzeit noch als absolute Ausnahme verkaufte “Unterbindungsgewahrsam”, der ja ursprünglich nur für einige wenige polizeibekannte Hooligans gedacht war, wird zur Massenveranstaltung unter freiem Himmel! Nicht nur für Hooligans, versteht sich. Allein die Errichtung solcher Lager hat bereits etwas Einschüchterndes. Wer protestieren will, wird es sich zweimal überlegen. Das ist staatlich auch so gewollt. Und das ist eben der Skandal. Von effektiver Grundrechtsausübung kann nämlich nicht mehr die Rede sein, wenn der Staat, der die Grundrechte zu gewährleisten und zu schützen hat, von vornherein so auftritt, als sei die deren Ausübung prinzipiell verboten und nur ausnahmsweise, in engen Grenzen, erlaubt. Neben den sechzehntausend(!) Beamten sollen auch noch elfhundert Soldaten der Bundeswehr zum Einsatz kommen. Wie das verfassungsrechtlich geht, ist mir schleierhaft. Gibt’s denn Krieg in Heiligendamm? Oder ist Angies Party eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücksfall, der nach Art. 35 Absatz 3 GG den Einsatz von Bundeswehrsoldaten rechtfertigen könnte? Oder sollen die befürchteten Demonstrationen im Ernst den Bund oder das Land Mecklenburg-Vorpommern in seinem jeweiligen Bestand gefährden bzw. die “freiheitliche demokratische Grundordnung” (Art. 87a Absatz 4 GG) bedrohen? Nun, das müssen sie wohl. Denn anders ist der Einsatz der Streitkräfte im Innern nach geltendem Recht nicht zu begründen.
Es kann nicht länger verheimlicht werden, was offenkundig zu Tage tritt: die Bundesrepublik Deutschland ist auf dem Weg vom Normenstaat in den Maßnahmenstaat. Das hatten wir hierzulande schon einmal. Und zwar 1933 bis 1945. Damals hieß es auch, es sei zum besten der Allgemeinheit. Ich kann einfach nicht fassen, was aus diesem Land geworden ist.
https://www.welt.de/politik/article867256/Polizei_richtet_Gefangenensammelstellen_ein.html
Mai 12th, 2007 at 00:17
“Wirkungslos sind sie [die G8-Treffen]aber nicht: welche politische Tournee kann von sich schon behaupten, ihren eigenen Mob erschaffen zu haben[...]”
Du erinnerst Dich – das waren Deine Worte im Januar, als wir noch lax darüber spekulierten, wie sich ein Protest gegen den G8-Gipfel wohl gestalten würde. Inzwischen hat uns die Entwicklung überrollt. Genauso erschütternd wie die “Sicherheitspolitik” ist deren Wahrnehmung in den Medien, vor allem beim “Spiegel”. Der Mohr labert dort aktuell einen Schmarrn über Linksradikale und hat genau einen Satz für die krude Realität übrig: “Der Rest vom Protest sind gute Argumente im politischen Streit.”
Aus dem haben sich offenbar alle ausgeklinkt, die ums Verrecken nicht in den Verdacht geraten wollen, “Linke” zu sein. Unfassbar, in der Tat.
Mai 12th, 2007 at 15:21
Zunächst einmal finde ich es überraschend, wie stark ich meine Gedanken bei feynsinn wiederfinde.
Ich bin ebenfalls erschrocken über die Selbstverständlichkeit eienr geradezu antidemokratischen Grundhaltung, welche sich fast in Reinkultur bei Mielke 2.0 zeigt, durchaus in unappetitlicher Weise, aber erschreckender noch bei Publizisten wie Mohr. Wer kritisiert, gilt ihm als verächtlich.
Und derlei Unfug wird im ehemaligen “Stumgeschütz der Demokratie” verbreitet.
Ich fasse es nicht.
Ich mein, vielleicht sollten alle diese Mietmäuler, Möchtegernkonservative und neoliberale Frontkämpfer der Publizisitik ein eigenes Blatt bekommen, wo sie den lieben langen Tag nichts anderes schreiben dürfen, als dass sie keine 68er sind, und auch nicht verdächtig, gesellschaftlich fortschrittliche Positionen zu vertreten.
Scheint ja ein Herzensanliegen zu sein, jedenfalls ein größeres, als sich für Grundlagen der demokratischen Ordnung einzusetzen.
An Stelle von Ideenaustausch und Dialog werden von Publizisten Diffamierung und Terrorwahn inszeniert – und alle, fast alle Leitmedien machen mit.
Mai 12th, 2007 at 17:04
Nun, mich hingegen überrascht es nicht, daß du das ähnlich siehst ;-) . Ich frage mich ja oft, ob Blogs inzwischen wirklich Gegenöffentlichket sind oder wir hier in einer Nische sitzen, in der quasi nur intim kommuniziert wird. Denn es fällt immerhin auf, daß unter Bloggern ein völlig anderer Wind weht als bei den Willnichtmehr-68er Pseudojournalisten der Hochglanzpropaganda.
Mai 14th, 2007 at 18:52
“Wirkungslos sind sie [die G8-Treffen]aber nicht: welche politische Tournee kann von sich schon behaupten, ihren eigenen Mob erschaffen zu haben[…]” Tatsächlich, das waren meine Worte. Hatte ich glatt vergessen. In dieser Süffisanz würde ich das heute vermutlich nicht mehr sagen, aber Deine Hoffnung in die “Gegenöffentlichkeit” halte ich trotzdem für, naja, “schwärmerisch” ist vielleicht das richtige Wort. Ich glaube, wir sind nur “Nische”. Bestenfalls.
Mai 14th, 2007 at 20:18
Feyn, jetzt sind es endlich mal 10…
Mai 14th, 2007 at 23:58
zwölf! *g*
@Leser: “schwärmerisch” tut mir jetzt aber auch weh… Ich weiß gar nicht, ob ich da große Hoffung habe, mir fällt nur auf, daß selbst die Polemik in den Blogs noch besser argeumentiert als so macher Artikel in den Massenmedien. Von daher treibt mich eher die Frage um, ob das da draußen schon im Ansatz honoriert wird. Jedenfalls kann es nicht schaden, besser zu sein – oder zumindest ehrlicher.
April 1st, 2009 at 23:50
[...] noch deutlich zu bekloppten Kapuzenheinis und der willigen staatlichen “Gegenwehr” geäußert, heute frage ich mich schon, ob mich das selbst noch interessiert. Die Situation des Bloggers ist [...]