Das deutsche Bildungssystem hat sich in den vergangenen zehn Jahren radikal erneuert und bringt einen Erfolg nach dem anderen hervor. Fast jeder Schüler schafft inzwischen die Qualifikation für die Hochschulen oder ist auf dem Weg dorthin. Unabhängig von der Vorbildung der Eltern werden die Schüler vom ersten Schuljahr an so umfassend gefördert, daß die meisten mühelos Spitzenleistungen erbringen. Dies erweist sich jedoch als marktwirtschaftlich kontraproduktiv.

Auch die Universitäten sind mit großem Aufwand ausgebaut worden und können doppelt so viele Studenten aufnehmen wie noch in der vergangenen Dekade. Dennoch muß etwa die Hälfte der Bewerber abgewiesen werden. Es gibt einfach zu viele.

Auch nach dem Studium sieht es nicht sehr viel besser aus. Zwar haben wir hervorragend ausgebildete Absolventen, aber auch von denen werden kaum die Hälfte gebraucht. So hat es sich eingebürgert, daß die meisten erst nach einigen Praktika eingestellt werden. Diese sind durchweg unbezahlt.

Der Zugang zu den Hochschulen wird durch Eingangstest ergänzt, da es zu viele Bewerber mit Bestnoten gibt. In diesen Eingangstests werden u.a. soziale Kompetenzen und Einstellungen abgefragt. Dabei stellt sich häufig heraus, daß Bewerber, deren Eltern Geringverdiener sind, sich den Anforderungen an soziale und kommunikative Kompetenzen widersetzen. Häufig zeigt es sich, daß sie zwar sehr gute Leistungen erbringen, aber nicht über das notwendige Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft verfügen. Diese ist freilich unerlässlich für die Arbeit in den angesehen und gut bezahlten Berufen.

Dieser Mangel bestätigt sich auch in hohem Maße, wenn gut ausgebildete Kräfte aus den unteren Schichten zumutbare Beschäftigungen aufnehmen sollen, die ihrer Qualifikation nicht entsprechen. Es fehlt zu oft an der Einsicht, daß auch einfache Tätigkeiten verrichtet werden müssen. Arbeiten, die nicht ihren Neigungen entsprechen oder nur geringe Einkommen erzielen, werden häufig abgelehnt. Dieser Unsitte begegnet die Bundesregierung jetzt mit einem Gesetz, daß den Bezug von Sozialhilfe ausschließt, wenn die beharrliche Weigerung nicht aufgegeben wird.

Die Bundesbildungskonferenz berät in ihren kommenden Sitzungen intensiv ein Programm, das gezielt auf die nötigen Zuarbeiten zu qualifizierten Beschäftigungen vorbereitet. Vorgesehen sind Schulformen, die auf die Vermittlung höherer Bildungsgüter verzichten. Stattdessen sollen Freude und Einsicht zur Verrichtung einfacher Arbeiten gefördert werden. Insbesondere Familien aus traditionell bescheidenen Verhältnissen erhalten hierzu einen Anreiz: Eltern, die ihre Kinder auf solchen Schulen ausbilden lassen, bekommen danach für vier Jahre einen Zuschuß in Höhe des doppelten Kindergeldes.