Das Sturmgewehr der Demagogie
Posted by flatter under PolitikKommentare deaktiviert
18. Apr 2007 22:42
Entschuldigt, wenn ich euch langweile, aber der Schäuble *WUFF* tut’s schon wieder, und ich kann nicht anders.
Heute legt er wieder einmal an und feuert eine Salve ins Herz des Rechtsstaats:
“Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche?“, fragte der Minister und gab darauf selbst die Antwort: “Nach meiner Auffassung wäre das falsch.” [Zitat Sueddeutsche]
Mit diesem Dreh rechtfertigt er erpreßte Geständnisse und macht deutlich, daß er die Unschuldsvermutung außer Kraft setzen will. Der Satz klingt plausibel, wenngleich er komplett sinnfrei ist, denn
erstens gilt die Unschuldsvermutung, auch wenn das dem Terrorpapst nicht gefällt,
zweitens steckt hinter der seichten Formulierung “zu hindern versuche” nicht der Versuch, sondern die Heiligung aller Mittel, was der Demagoge freilich bewußt verschleiert und
drittens involviert der Satz die Behauptung, man könne derart (sicher) Anschläge verhindern, was schlicht unsinnig ist.
Was ist nun das Besondere an diesem rhetorischen Angriff auf die Verfassungsrechte? Es ist nicht nur die Fortsetzung des Kampfes gegen das Grundgesetz durch ein Regierungsmitglied, sondern, da Schäuble als Innenminister für die Leitlinien der Exekutive zuständig ist, eine Aufforderung zur Anwendung illegaler Ermittlungsmethoden bis hin zur Folter, und zwar mit der generell wirksamen Begründung, es könnten eventuell dadurch Anschläge verhindert werden.
Daß diesem Extremisten im Bundeskabinett diesmal immerhin von fast allen Seiten der Wind ins Gesicht bläst, ist ein wenig tröstlich. Daß die Verantwortliche Kanzlerin, die zuletzt für ihre billige Zurechtweisung Oettingers als “führungsstark” dargestellt wurde, dazu nichts zu sagen hat, läßt hingegen nichts Gutes vermuten. Es scheint ihr zu gefallen, daß ihre rechte Hand den Rechtsstaat sturmreif schießt, sonst hätte sie ihn längst entlassen.
April 18th, 2007 at 23:46
“Schäuble lässt also demnächst Menschen wegsperren oder sogar per finalem Rettungsschuss behandeln, obwohl sie keinen Anschlag begehen wollen? Nur, weil jemand ohne ausreichenden Verdacht (und damit irrigerweise) mutmaßt, der Betreffende sei irgendwie gefährlich?
Damit rechtfertigt der amtierende Innenminister Justizwillkür. Er redet dem Totalitarismus das Wort. Er macht den (unschuldigen) Bürger wissentlich zum rechtlosen Objekt, mit dem der Staat nach Belieben verfahren kann. Das ist der Abschied von der Menschenwürde, wie wir sie kennen. Und bisher das Ungeheuerlichste überhaupt, was in der Debatte über Schäubles Lippen gekommen ist.
Wenn das der Preis ist, den der Staat für seine angebliche Rundum-Verpflichtung zu zahlen bereit ist, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, bleibt in letzter Konsequenz nur die Schutzhaft. Und zwar für jeden, der sich in diesem einstmal freiheitlichen Land aufhält oder dumm genug ist, es freiwillig zu betreten.”
(RA Udo Vetter)
Dazu sage ich nur: die Schutzhaft gibt es doch jetzt schon. Nur hat man sie etwas netter bezeichnet: als “Vorbeugehaft” oder, noch höflicher, “Unterbindungsgewahrsam”. Die politische Marschroute ist eindeutig – weg vom Rechtsstaat hin zum Präventionsstaat (und damit hin zum Unrechtsstaat). Weg vom freiheitlichen Staat in Richtung Totalitarismus. Schäuble ist ein gutes Beispiel dafür. Die antidemokratischen Tendenzen sind aber auch an anderen Stellen spürbar. Wenn ein Wirtschaftsminister Clement etwa Arbeitslose folgenlos als “Parasiten” bezeichnen kann (und sich damit einer faschistischen Sprache bedient), wirft das schon ein bezeichnendes Licht auf den Zustand in diesem Lande. Wenn ein Arbeitsminister Müntefering sagt, wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen, zeigt das ebenfalls, woher der politische Wind weht. Wenn ein Landtagsabgeordneter in NRW im Zusammenhang mit Jugendkriminalität ungestraft sagen kann, es müsse wieder öfter mit dem eisernen Besen (!) gekehrt werden (ebenfalls ein Duktus der Faschisten), braucht man keine weiteren Fragen mehr zu stellen. Wenn es Bestrebungen gibt, den Personalräten innerhalb der nordrhein-westfälischen Behörden ihre Mitbestimmungsbefugnisse per Gesetz zu nehmen (durch eine Änderung des Personalvertretungsgesetzes), ist das nur ein weiterer Schritt in Richtung Abbau der Demokratie. Wenn Autobahn-Vollsperrungen als legitime polizeiliche Ermittlungsmethode angesehen werden, dann fällt mir dazu nur noch der Begriff Maßlosigkeit ein.
Ein Jammer, daß sich der deutsche Michel bis auf wenige Ausnahmen nach wie vor im Dornröschenschlaf befindet und die Medien als Kontrollinstanz leider weitgehend ausgedient haben (Artikel über die Titten von Paris Hilton, das Eisbärenbaby Knut und Terroranschläge in Timbuktu bringen nunmal eine bessere Quote als Berichterstattungen über grundlegende politische Veränderungen mit weitreichenden Auswirkungen im eigenen Land).
April 19th, 2007 at 00:08
Wie sagst DU immer? “Volle Zustimmung” :-)
Und das “law blog” habe ich heute auf meine blogroll gesetzt (obwohl ers nicht nötig hat).
April 19th, 2007 at 20:17
Für einen kleinen Denkanstoß im Innenministerium will ich auch sorgen. Daher mein Versprechen bei der Pledgebank: https://www.pledgebank.com/Denkanstoss-1984
Irgendwo hat doch jeder noch eine Ausgabe von “1984″ rumliegen…