Daß die Deutsche Telekom ihre Mitarbeiter auslagert, ist Tagesgespräch. Wieder einmal setzt sich ein Sparkurs durch, der nicht zuletzt notwendig erscheint, weil jahrelange Managementfehler auszubügeln sind. Daß Sparen da nicht hilft, hat sich noch immer nicht herumgesprochen, und es ist egal, wer dem Konzern vorsteht, sie machen alle dieselben Fehler.
Noch deutlicher wird das bei einer Randnotiz der heutigen Nachrichten, betreffend den absehbaren Personalabbau in Europas Opelwerken. Dort wird nämlich deutlich, wie irrwitzig und parasitär das Primat des Shareholder Value ist. Um Kosten zu minimieren und vermeintlich Gewinne zu maximieren, werden Kosten gesenkt und auf “Effizienz” gesetzt. Für die Angestellten heißt das, in einen Wettberwerb einzutreten, an dessen Ende ganz konsequent die eigene Entlassung steht. Produziert wird nämlich stets in den Werken, die mit minimaler Manpower ein Maximum an Produkten herstellt. Wer also seinen Arbeitsplatz behalten will, muß dafür sorgen, daß möglichst viele andere den ihren verlieren. Der “Erfolg” der Sache ist eventuell der, daß man tendenziell mehr Absatz hat, denn bei derselben Marge kann man das Produkt preiswerter anbieten. Dadurch wird also der Rationalisierungseffekt zumindest konzernintern abgemildert. Branchenweit ist natürlich das Gegenteil der Fall, und auf lange Sicht schaffen sich die Angestellten derart selbst ab. Volkswirtschaftlich betrachtet ist das hirnrissig, denn es fehlen so auf die Dauer Konsumenten, die Kosten, die dem Staat für Arbeitslose aufgehalst werden, steigen, damit auch die Steuern und Abgaben, die wiederum durch höhere Effizienz kompensiert werden müssen. Das Ganze funktioniert nur so lange, wie Geld aus dem Ausland fließt, sprich: viel exportiert wird und/oder solvente Kunden durch die Beschäftigung in anderen Branchen nachrücken.
Welche Alternativen gibt es zu diesem parasitären Effizienzideal? In der Tat ist es denkbar, durch eine hinreichende Umverteilung der so konzentrierten Einkünfte und Vermögen dafür zu sorgen, daß das System intakt bleibt. Dafür hätte der Staat zu sorgen, der immer mehr Menschen versorgen muß, deren Chancen auf eine Anstellung extrem gering ist und die keine Einkünfte aus Vermögen haben. Ob als Hartz-Notbefütterung oder in Form eines Grundeinkommens, der Staat müßte dafür sorgen, daß das Volkseinkommen nicht zusehends auf wenige Reiche und Angestellte verteilt wird, sondern auch die große Masse erreicht. Der offenbare Nachteil dieses Weges sind explodierende Kosten.
Eine andere Möglichkeit wäre die Ausrichtung der Wirtschaft auf den Stakeholder Value, also die Umkehrung des Primats betriebswirtschaftlichen Denkens gegenüber dem volkswirtschaftlichen. Nachhaltiges Wirtschaften, das die Interessen der Stakeholder in den Vordergrund stellt, also auch die der Mitarbeiter, der Handelspartner, der Kunden, des Staates und aller Systeme rund um den Produktionsprozeß, wird nach wie vor gewinnorientiert sein. Wer sich die Geschichte der BRD und des Rheinischen Kapitalismus’ anschaut, wird nicht leugnen können, daß es ein sehr erfolgreiches Modell ist. Global betrachtet und systemisch gedacht, ist es dem Effizienzmodell in allen Belangen überlegen. Daß die Helden des Shareholder Value diejenigen sind, die derzeit den Ton angeben, liegt vor allem daran, daß das Scheitern des Konzeptes noch eine Weile auf sich warten läßt. Noch gibt es Wiesen, die man abfressen kann. Sehr lange hat es keine nennenswerten Aufstände mehr gegeben von Menschen, die am Ende der Verwertungskette stehen. Noch gibt es genug Kunden, die zahlen.
Das alles aber ist gefährdet. Auf lange Sicht müssen sich gerade in Deutschland die Produzierenden umorientieren. Nicht billiger dasselbe mit weniger Menschen produzieren ist das Ziel, sondern teurer etwas Besseres mit mindestens genau so vielen. Absatz muß durch überzeugende Qualität gesichert werden anstatt durch marktschreierische Anpreisung von Ramsch nach dem Motto “Geiz ist geil”. Gleichzeitig müssen diejenigen, die kurz- und mittelfristig aus dem Produktionsprozeß ausscheiden, bei der Stange gehalten werden. Sie müssen motiviert und eingebunden bleiben. Hier muß das System der Lohnersatzleistungen radikal umgebaut werden, das die Armen heute als faul diskreditiert. Schließlich muß von seiten der Wirtschaft wie von seiten des Staates ein gemeinsames Ziel verfolgt werden, muß eine Vorstellung von Leben und Gesellschaft entwickelt werden, die konsensfähig ist. Davon sind Politik und Wirtschaft im Jahr 2007 Lichtjahre entfernt.