Hartzdienst im Gloslager
Posted by flatter under WirtschaftKommentare deaktiviert
23. Mrz 2007 12:21
Nachdem schon die “Hartz-Reform” zwei Millionen Arbeitsplätze innerhalb von zwei Jahren schaffen sollte, steht jetzt die Glos-Reform an. Auch Glos setzt darauf, das faule Pack nicht ohne Gegenleistung zu fördern, aber er hat bessere Chancen, denn es soll keine Ausnahmen mehr geben. Vorneweg paßt die Gloswacht gut darauf auf, daß sich niemand mehr die bisher erlaubten 100 € zum ALG II hinzuverdient. Hartzjahre sind schließlich keine Herrenjahre. Als nächstes kommt dann die Arbeitsverpflichtung. Noch immer erklärt uns keiner der Wirtschaftsgenies in den Ministerien, woher die Stellen kommen. Glos wird das wohl ändern und den Bundesarbeitsdient einführen. Löcher buddeln, zuschütten, wieder neu buddeln. Krankfeiern gilt nicht. Jeder muß mitmachen. Das bringt uns nach vorn, hat schließlich damals auch geklappt.
Wenn eine deutsche Regierung eine “Arbeitsmarktreform” ankündigt, ist man gut beraten, schnell in den Bunker zu flüchten. Das beginnt immer mit der irrwitzigen Ankündigung, es schaffe Arbeitsplätze, wenn man Arbeitslosigkeit anders verwalte. Dann kommt grundsätzlich ein Vorschlag, wie man denen, die nichts haben, noch etwas wegnimmt. Schließlich werden alle, die eh schon den Kürzeren gezogen haben, gedemütigt und für alle wirtschaftlichen Probleme des aktuellen Jahrzehnts verantwortlich gemacht.
Was bisher nicht geschah:
- Eine halbwegs brauchbare Reform der Arbeitsämter, deren Schlampigkeit, Ineffizienz, Zynismus und Inkompetenz sich kein Arbeitsloser in seinem Privathaushalt leisten könnte. Will heißen: Das Arbeitsamt wird jährlich umbenannt, anstatt es endlich abzuschaffen.
- Ideen, wie man Synergien zwischen Staat und Wirtschaft schaffen kann, kreative Anreize zu Existenzgründungen, Unterstützung regionaler Netzwerke zur Entwicklung tragfähiger Strukturen.
- Irgendein Versuch, Menschen zu motivieren, ihnen mit Respekt zu begegnen, diejenigen abzuholen, die gern ihre Fähigkeiten in sinnvolle Tätigkeiten einbringen würden.
Da scheinen sie sich in der Nachschröderzeit noch immer einig zu sein: Wirtschaftspolitik ist die Kunst der Diskriminierung sozial Benachteiligter. Als ob das noch irgendwer hören könnte!
März 23rd, 2007 at 17:49
Vom ersten bis zum letzten Satz: richtig, richtig, richtig!!!
“Hartzjahre sind schließlich keine Herrenjahre.” – !
“Das Arbeitsamt wird jährlich umbenannt, anstatt es endlich abzuschaffen.” – nochmal “!”
Was tun? Bleibt wohl doch nur, die Koffer zu packen. Das wir hier nichts mehr, die Masse ist einfach zu staatsergeben und fernsehsüchtig.
Ist es nur mein Eindruck, dass seit der Wiedervereinigung die Entprivatisierung des Privaten (und damit der Weg in die Hölle) immer stärker vorangetrieben wurde und wird? Wie hier inzwischen Arbeitslosen nachgestellt, die Bevölkerung überwacht, jeder Dreck geregelt wird – bis zum bundeseinheitlichen Rauchverbot – das hat es in der alten Bundesrepublik nicht gegeben.
Paradox. Der Befreiungsfall des kommunistischen Zusammenbruchs ist für Gesamtdeutschland, was Grundrechte und zivilisatorische Mindeststandards angeht, zum Sündenfall geworden.
März 23rd, 2007 at 22:59
Ich habe gerade heute noch die Entwicklung seit 89 Revue passieren lassen. Vorab: Es mag woanders auch nicht besser sein, vor allem aber finde ich es wichtig, weil auch das Thema “auswandern” mir z. Zt. häufiger begenet, deutlich zu machen, daß es nirgends besser wird, wenn diejenigen, die es vielleicht ändern könnten, davonlaufen.
Deutschland… meine jüngste These ist die, daß ein fatales Timing die Entwicklung hier sehr begünstigt hat. Nachdem in den 80ern die letzten Formen des “Widerstands” gegens Establishment und vor allem dumpfen Konsumismus durchgeturnt waren, hätte sich eine Kulturopposition neu finden müssen. Dies wurde vor allem durch die Vereinigung gebremst. Während das Potential der ostdeutschen Demokraten durch PR und Konsum innerhalb kürzester Zeit in den Totalfrust getrieben wurde, schmiegte sich die Alternative (in 1. Linie Grün) der Sozialdemokratie derart an, daß sie sich im nächsten Schritt von Schröder zum Feigenblatt einer reaktionären Regierung machen ließ. Man muß sich das einmal anschauen: Schilys Innenpolitik, Schröders Kampf gegen die Arbeitslosen – so sieht eine linke Regierung aus. Die Reste sind in einer Großen Koalition aufgegangen, die zustande kam, weil jede einzelne Partei (evtl. mit Ausnahme der Grünen) mehr Tabus als Inhalte aufbietet.
Ich wage aus dieser Betrachtung heraus die Prognose: Unpolitischer wird’s nicht mehr in diesem Land, und wenn wir diese Phase der Scheindemokratie überstehen, kann es nur besser werden.
März 24th, 2007 at 10:45
Siehe auch hier:
https://oeffingerfreidenker.blogspot.com/2007/03/der-irrsinn-zu-gast-in-berlin.html