Steinbrück und die starken Männer
Posted by flatter under Journalismus , Politik[24] Comments
05. Aug 2010 13:46
Gestern gab es in der ARD ein müdes Portrait von Peer Steinbrück, das die FAZ in persona Nils Minkmar daher “revolutionär” findet. Minkmar ist mir bislang nur durch seine Sympathie für die These, Castros Geheimdienst habe JFK erschossen, aufgefallen. Er hoffte damals auf die Erhellung dieser kruden Theorie durch eine “kubanische Gauck-Behörde“.
Die unmotivierte Beweihräucherung Steinbrücks, der natürlich als “Retter” und immer wieder “Krisenmanager” zurechtgeschminkt wird, wäre nicht der Rede wert, mündete die Veranstaltung nicht in den Ruf nach Autoriät, der auch in Minkmars Gedröhne von “revolutionären” Erkenntnissen laut wird. Zunächst aber einige kurze Anmerkungen zum sonstigen Inhalt der Sendung:
Vom “Krisengerede” zum Abgrund
Steinbrück eiert bekannt virtuos herum, wo es um seine Einschätzungen vor, während und ‘nach’ der Krise geht, in der er in etwa überhaupt nichts zu “managen” hatte. Dies räumt er immerhin an anderer Stelle abstrakt ein. Zunächst davon motiviert, einen “Finanzmarkt auf Augenhöhe” (er liebt diese Floskel) zu installieren, steht die Regierung am Ende “überfordert” und erschöpft da, weil sie der Wirtschaft nur hinterher laufen kann. Natürlich bleiben diese Äußerungen im Vagen, denn sonst hätte jemand nachfragen müssen. Stephan Lamby, den Minkmar zum “Bob Woodward der Berliner Republik” aufbläst, hat darauf generös verzichtet.
Daß Steinbrück noch Tage vor dem “tiefsten Abgrund” von “Krisengerede” fabulierte, daß er nicht kommen sah, was andere längst alarmiert hatte, davon kein Wort, ebensowenig von seiner unerträglichen Bagatellisierung der Folgen. Zu gern hätte ich eine Reaktion darauf gehört, was Heusinger oder Krugman dem verkannten Dilettanten bescheinigt hatten.
Ein Zusammenhang zwischen den neoliberalen und verächtlichen Ansichten, die der Minister zur Sozialpolitik geäußert hat, und der spontanen “Rettung” der Spekulanten hätte auch einmal hervorgelockt werden können, spätestens als er meinte: “Die mittleren und unteren Schichten fühlen sich als Opfer“. Oder bei seinem Räsonieren über “Eliten”, die ihrer “Vorbildfunktion” nicht gerecht würden. Es war aber offenbar gar nicht im Sinne von Bobbycar-Woodward Lamby, Hintergründe zu beleuchten. Er betrachet es vielmehr als seine Aufgabe, solche auszuleuchten, damit die starken Männer schön groß erscheinen. Dafür spricht auch das alberne Gepose vor dem Kanzleramt, bei dem er sich selbst vermutlich besonders gut gefallen hat.
Autorität und Führung
In dieses Konzept paßt dann auch der Besuch bei Helmut Schmidt, das Gefasel über “fehlende Führung” und “ich und der Weizsäcker”. Im Kontext der “ökonomischen Systemfrage”, die Steinbrück selbst stellt, hört man die Nachtigall dann heftig flattern: Autoritäre Staaten wie China, so stellt Steinbrück nämlich fest, haben mehr als aufgeholt gegenüber der “nördlichen Hemisphäre”, womit er sicher den westlichen Teil meint. Die Demokratie und ihre Einrichtungen, das ist der rote Faden, sind im Nachteil beim Tanz um die Rendite.
Autorität, Führung, Personalisierung – das ist die “Revolution”, vor der Minkmar im Kielwasser von Lamby auf die Knie fällt. Die Ablösung der demokratischen Idee durch straffe Führung wird hier latent als Lösung angeboten. Zu erkennen wäre vielmehr, wie sehr der Druck ökonomischer Herrschaft schon zum Problem geworden ist. Und daß es aller verbliebenen legitimen Macht bedarf, sich dem entgegen zu stemmen.
August 5th, 2010 at 14:58
Hab den Beitrag auch gesehen, ein Steinbrück eben wie schon immer gehabt.
Bemerkungswert fand ich allerdings sein, wenn auch ziemlich gewundenes, Eingständnis, dass die Politik immer mehr von den Finanzmärkten gesteuert werde, sie diesen immer mehr “hinterhertrabe”.
Ganz passend dazu die Meldung, dass zur Zeit unser Bundespräsident seinen Sommerurlaub auf Mallorca verbringt – in der pompösen Villa des FINANZDIENSTLEISTERS Maschner!
Noch Fragen dazu, wie und warum die “Politik” von den Finanzmärkten immer mehr gesteuert, diesen nur noch “hinterhertrabt”?
August 5th, 2010 at 17:42
Lieber Duke
Weil es halt so kommen musste, wie Du es beschrieben hast, habe ich mir diese “Sternstunde” des investigativen Journalismus erspart.
Dennoch danke ich Dir, dass Du Dir das angetan hast um Deine “Kundschaft” daran teilhaben zu lassen.
Bei Steinbrück kann ich nur noch kotzen.
August 5th, 2010 at 18:24
Ich denke, dass der Steinbrück vor Lachen nicht mehr in den Schlaf findet.
Außerdem habe ich großen Respekt vor ihm und seiner Leistung, nein, nicht vor der als Minister nicht wahrzunehmenden, sondern vor der schauspielerischen. Virtuos bedient er die Klaviatur eines Dompteurs und beobachtet zufrieden, wie die tierisch-dumme Medienmeute dankbar jedes Wort aufschnappt und ihn zum Helden, zum Retter der Nation in schwerer Zeit hochsterilisiert… ;-)
August 5th, 2010 at 20:05
Naja, Steinbrück war schon immer eine Labertasche. Das Gehirn im Finanzministerium ist der Staatssekretär Asmussen, ein äußerst guter Freund der Banken. Asmussen und unsere Spitzenbanker, haben in der Nacht der Nächte, Merkel und Steinbrück bei der Rettung der Hypo Real Estate, richtig schön über den Tisch gezogen.Einige sagen aber auch, die beiden sind schon freiwillig rübergeruscht. Gibt zwei hervorragende Dokus darüber, eine vom ZDF und eine andere bei der ARD. Würde mich nicht wundern, wenn beide auf kurz oder lang, einen gut bezahlten Job bei den Banken erhalten. Wie sagte schon Gloss nach seinem Rücktritt, am Tag danach bei Franken CSU(auch so eine Leuchte)sagte:”die Merkel hätte ihn bei der Krise ja nicht um Rat gefragt, sondern hätte immer an Steinbrücks Lippen gehangen, aber dem Steinbrück müsse man auch jeden Satz einzeln aufschreiben”.
MfG killroy
August 5th, 2010 at 22:24
Das Steinbrück-Syndrom. Interessante Psychologie. ( Wird keinen heutigen Psychologen ernsthaft interessieren ) Nichts hören, Nichts sehen, Aber viel sagen. Betrifft eine Menge Politiker. Anpassung, ist die Kunst wirklicher Selbstdarstellung.
August 5th, 2010 at 22:50
Der erste Absatz souverän, gekonnt, treffsicher. Und der Spannungsbogen reißt nicht ab. Beifall dem Autor.
August 6th, 2010 at 09:29
@Bakunin
Nenn’s beim Namen: AWD “Ihr Versicherungsoptimierer” – auch der liebe Gerhard Sch. kuschelt gern mit Maschner und Konsorten. Elitariat unter sich.
August 6th, 2010 at 11:05
Vogel meint:
August 6th, 2010 at 09:29
@Bakunin
Nenn’s beim Namen: AWD “Ihr Versicherungsoptimierer”
Und dieser AWD, Maschner & Co. finanzierte 1998 in erheblichen Umfang den Wahlkampf für diesen “Gerd” und das ROT-Grüne “Projekt”.
Mit dem “Erfolg”, dass nach dem Erreichen des Zieles die bisher größten Steuersenkungsorgien für das Großkapital erfolgten – und anschließend die bisher ebenso größten Einschnitte in das bis zum damaligen Zeit noch recht gute deutsche Sozialsystem, die berühmt-berüchtigte “Agenda 2010″ mit ihrem widerlichen “Kern” Hartz 4.
Und heute, nach allen diesen “großen Erfolgen” für das Großkapital, die Besitzenden, Reichen und Superreichen? ROT/GRÜN ist laut Deutschland-Trend von gestern Abend augenblicklich wieder mit Mehrheit regierungsfähig!
Haben wir nicht wuderbar “demokratisch-gefestigte” Wähler?
August 6th, 2010 at 11:21
Und das ebenfalls ‘demokratisch verfestigte’ Großkapital reibt sich schon die Hände: Rot/Grün kann ‘Grausamkeiten’ nun einmal besser durchsetzen, da sie in dem Punkt ja auch keine wirkliche, nicht mal eine wirkliche Pro-Forma-Opposition zu befürchten hätten. So lief ja auch schon die ‘Superkoalition’ der ‘Agenda’. Schwarz/Gelb bringt es einfach nicht, das haben auch die Systemmedien verstanden und gerieren sich kritisch, sogar ‘sozialkritisch’. Das dürften sie aber ggf schnell wieder vergessen, zugunsten der sattsam bekannten ‘Sachzwänge’…
August 6th, 2010 at 11:42
Hallo Peinhart, hier etwas sehr Anschauliches, das ich in Telepolis entdeckt habe:
(Der anonyme Autor möge es mir hoffentlich freundlich gestatten) : “Man kann es sich bildlich vorstellen, das Volk wie ein junger Welpe
wird von einem Menschen geschlagen und getreten. Läuft hoffnungsvoll
winselnd zu der anderen Bezugsperson und kriegt wieder den Prügel.
Ohne irgendwas gelernt zu haben, läuft der Volkswelpe wieder zu
Bezugsperson 1 und holt sich dort wieder Prügel ab. Und wieder zur
Nr. 2, jedesmal mit der Illusion, “Jetzt ist er bestimmt nett zu
mir”.
Und so läuft das seit 60 Jahren. Ich wette die Politiker lachen sich
halbtot über die Dummheit bzw. Mangel an Gedächtnis der Wähler, wenn
sie unter sich sind. Es ist völlig egal was sie tun, danach macht die
andere Volkspartei etwas schlimmeres und der Wähler kehrt zurück.
Wie beschränkt sind wir eigentlich?”
Bis auf dieses “wir”, wofür er besser DIESE(R) WÄHLER verwendet hätte, finde ich diesen Beitrag einfach super, denn so ist es in der Tat!
August 6th, 2010 at 11:52
Peinhart meint: ” Rot/Grün kann ‘Grausamkeiten’ nun einmal besser durchsetzen,da…”
Ist ja auch für sie keine Kunst, denn dann steht praktisch die gesamte, “mitbestimmend” eingebundene(d.h.in Wahrheit nachtürlich korrumpierte, gekaufte…) deutsche Gewerkschaftsbürokratie “solidarisch” SCHMIERE!
August 6th, 2010 at 12:50
@Bakunin#10,
mag schon sein, aber eines tages werden welpen groß und sind dann bissige hunde.
bel
August 6th, 2010 at 13:14
@Bakunin#1 & tutti quanti
Mag sein, dass es beim bösen AWD einen Herrn Maschner gibt, bekannter dürfte aber Herr Maschmeyer sein – auch dank seines öffentlichen Konkubinats mit der gnadenlosen Fimcharge Vroni Ferres.
(Wenn jemand an konkreten Verschwörungshypothesen interessiert ist, könnte er also mal zu Filmfonds recherchieren Dass Herr *Maschner aktuell noch mit konkreten Do-ut-des-Interessen Staatsschauspieler finanziert, würde ich bezweifeln.)
August 6th, 2010 at 13:39
Crrctr meint:
August 6th, 2010 at 13:14
@Bakunin#1 & tutti quanti…..
Sorry, da ist MIR eine Verwechselung unterlaufen, natürlich meinte ich diesen Maschmeyer(auch als ehemaligen Schröder-Sponsor)!
August 6th, 2010 at 17:04
@bel
“mag schon sein, aber eines tages werden welpen groß und sind dann bissige hunde.”
Yep.
Und die bekommen dann einen Maulkorb oder werden vom Herrchen eingeschläfert.
Sofern die Viecher ihre Agression denn überhaupt an ihrem Halter auslassen und sich nicht einfach nur gegenseitig beissen.
Trottelige Wesen.
August 6th, 2010 at 17:16
Hallo,
Mir ist rätselhaft wie man in Kielwasser “auf die Knie”geht? Erklären Sie es mir?
Ich meine mit Revolution aber keineswegs das, was sie mir unterstellen, sondern ziemlich exakt das Gegenteil:Dass es nicht mehr darauf ankommt, wer Kanzler ist weil diese Institution, der Nationalstaat überhaupt, zu schwach ist.
Vielleicht lesen Sie meinen Text noch einmal gründlich.
Ebenso habe ich die kubanische Spur bei der Kennedy Ermordung nicht vertreten, sondern einen ARD-Film darüber besprochen. Minimum an Sorgfalt täte ihrem Blog ganz gut.
August 6th, 2010 at 17:54
@Nils Mikmar:
“Im Kielwasser”: Jemandem folgen, der (vermeintlich) größer ist. “Auf die Knie gehen”: Sich unterwerfen, anbiedern, gemein machen. Stellen Sie es sich getrost auch bildlich vor, als gescheiterter Wellenreiter.
Ich unterstelle Ihnen, latent autoritäre Strukturen zu befürworten, indem Sie jemanden unfreiwillig komisch überhöhen (“Woodward”), der eben dies auch tut. Vielleicht lesen Sie meinen Text noch einmal gründlich.
Im übrigen ist nix Revolutionäres an der Erkenntnis, daß die Macht der Politik gegnüber der Wirtschaft begrenzt ist. Aber nicht, weil dies Schicksal wäre, sondern selbst verschuldet – von Leuten wie Steinbrück etwa, der sich dann noch dahinter versteckt, wenn es um die Verantwortung geht.
Ebenso haben Sie keinen Deut von Kritik an der hanebüchenen JFK-These erkennen lassen. Ihr Satz: “Noch ist das Gesamtbild nicht klar erkennbar, aber der Film formuliert eine Reihe von konkreten Fragen, die etwa eine kubanische Gauck-Behörde eines Tages beantworten könnte.” beinhaltet keinen Anhaltspunkt für eine Distanzierung vom Inhalt, er muß daher Ihnen zugeschrieben werden. Vielleicht lesen Sie Ihre Artikel noch einmal gründlich.
August 6th, 2010 at 18:12
bel meint:
“mag schon sein, aber eines tages werden welpen groß und sind dann bissige hunde.”
Und um diese in Schach zu halten, hält man seine Kampfhunde bereit …
August 7th, 2010 at 04:53
Es ist erfrischend festzustellen, dass die FAZ offenbar tatsächlich noch (hungerleidende?) Lektoren beschäftigt – mehr ist zu Minkmars Kommentar (sofern es sich dabei wirklich um jenen Autor handelt) kaum zu sagen.
Der Ruf nach Autorität bzw. dem “starken Mann” ist uns allen, die wir in den Genuss eines halbwegs hochwertigen Geschichtsunterrichts gekommen sind, indes noch wunderbar vertraut. Nennen wir das Kind doch beim Namen, anstatt mehr oder weniger elegant herumzueiern: Die Geschichte (schön angepasst an das heutige Erscheinungsbild, in Szene gesetzt von professionellen PR- und Werbeagenturen) beginnt sich zu wiederholen! Fascis ante portas, sozusagen.
Und um Steinbrücks Gefasel ins richtige Licht zu rücken, reicht es eigentlich aus, sich Erwin Wagenhöfers Film “Let’s Make Money” anzusehen (die youtube-Links finden sich z.B. hier: https://narrenschiffsbruecke.blogspot.com/2010/08/der-crash-das-geld-und-die-zukunft.html ). Irgendein Kommentator bei youtube schrieb, er sei der Meinung, dieser Film müsse an allen Schulen gezeigt werden. Das wäre ein Projekt, das tatsächlich ein großes Potenzial in sich trägt!
Zitat aus dem Film (Teil 12 der o.g. Links): “Wenn wir so weitermachen, dann kommen neue Selektionsmechanismen – Selektionsmechanismen zwischen Staaten, zwischen Rassen, zwischen Religionen, zwischen “berechtigten” Menschen, zwischen “unberechtigten”, zwischen “wertvollen” und “nicht wertvollen” Menschen -, dann wird der monetäre Wert des Menschen irgendwann in den Vordergrund geschoben, und dann beginnt ein neues Zeitalter der Barbarei. Das ist unausweichlich.”
http://www.letsmakemoney.at
August 7th, 2010 at 14:04
Charlie meint: Zitat aus dem Film (Teil 12 der o.g. Links): “Wenn wir so weitermachen, dann kommen neue Selektionsmechanismen –”…. “und dann beginnt ein neues Zeitalter der Barbarei.”
Wie weit diese Entwicklung bereits fortgeschritten ist, wird schon daran deutlich, wie viele ALG II und zahllose andere Arme, Niedriglöhner, verarmte Renntner sich schamvoll verstecken, ihren Status mit allen möglichen Flunkereien verbergen. Warum wohl? Während im Gegensatz dazu die Hetze und menschliche Niedermachung dieser Leute mit ungeheurer Wucht von Politikern und Medien weitergeht, zuweilen unter der Maske einer widerlichen vorgeteuschten Heuchelei von “Mitgefühl”, verlogenen “Skandal”-Geschwätzes, etwa: “kann, darf nicht sein”…., ohne wirklich etwas ernshaft ändern zu wollen!
Die mentale und soziale Ausgrenzung von Millionen von Menschen ist bereits heute eine Tatsache, ebenso, dass diese ganz einfach toleriert wird von einer noch immer relativ satten Masse von Bürgern, die entweder einfach wegschauen oder bei Gelegenheit und Bedarf verbal mit-eindreschen auf diese faktisch Ausgestoßenen dieses Landes.
Und wenn das alle zusammengenommen keine Barbarei sein soll, was dann?
Beginnt diese immer erst bei der physischen “Beseitigung” von zuvor gesellschaftlich(mental) augegrenzten Menschen aus dem Angesicht der “Anständigen”, “Dazugehörigen”?
MfG Bakunin
August 8th, 2010 at 05:47
@ Bakunin:
Der Film wurde im Jahr 2009 veröffentlicht, die Dreharbeiten starteten meines Wissens im Jahr 2004. Wann genau die in Rede stehenden Aussagen also getroffen wurden, lässt sich so nicht feststellen. Du hast allerdings recht, wenn Du darauf hinweist, dass die Selektionen längst begonnen haben.
Die “physische Beseitigung” der Ausgegrenzten ist immer der letzte Schritt. Schau Dir nur den erschütternden Film “Der Pianist” an, in dem detailliert gezeigt wird, wie die Gängelung der Menschen (am Beispiel der Juden in Warschau in den 30er Jahren) beginnt, wie sie kontinuierlich ins Unerträgliche gesteigert wird und schließlich in der Deportation und den Konzentrationslagern mündet.
Dazu habe ich gerade auch noch ein anderes Fundstück aufgelesen: Rudolf Olden (der u.a. dafür gekämpft hat, dass Carl v. Ossietzky 1936, als er im KZ war, der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde), schrieb damals aus dem Exil: “Ich lese in diesem Semester hier über ‘Rise and Decline of Liberalism in Germany’, und ich kann nicht umhin, zu dem Schluss zu kommen, dass wir mit dem Liberalismus dem Nazitum den Weg geöffnet und gebahnt haben.”
(Quelle: https://www.sopos.org/aufsaetze/4c57f59a3c1a9/1.phtml )
Das neue Zeitalter der Barbarei hat in der Tat bereits begonnen – es kleidet sich aber noch in allerlei bunte Tücher und Maskeraden und lässt die hässliche Fratze nur von Zeit zu Zeit hervorscheinen. Das bedeutet nicht, dass ich die bereits bestehende soziale Selektion in irgendeiner Form verharmlosen will – genausowenig wie die beginnende Diskriminierung so vieler Menschen vor 80 Jahren. Aber das, was sich da ankündigt, relativiert Hartz IV doch sehr.
Nur ein Beispiel von so vielen: Neuerdings schwadronieren sie sogar schon von einer “Rationalisierung von medizinischen Leistungen” (siehe https://narrenschiffsbruecke.blogspot.com/2010/07/gute-medizin-nur-noch-fur-reiche-ein.html ) – da stockt einem doch nur noch der Atem vor Entsetzen!
Ich schloss meine Anmerkung dazu mit den Worten: “Womöglich steht dann über jedem Klinikeingang ein netter Sinnspruch, wie z.B. ‘Geld macht gesund’ …”
Wir MÜSSEN das stoppen. Der Satz “Das ist unausweichlich.” aus Wagenhöfers Film sollte das jedem deutlich vor Augen führen.
August 8th, 2010 at 06:08
“Rationierung” meinte ich natürlich.
August 11th, 2010 at 19:56
Zu Steinbrück hab ich eine Perle meiner Linksammlung, die ich Ihnen nicht vorenthalten kann:
Antje Sirleschtov
Peer Steinbrück Gegen alle Wetter
https://www.tagesspiegel.de/zeitung/gegen-alle-wetter/1340672.html
Es lohnt übrigens, nach Frau Sirleschtov zu googeln, die derartige Elogen verfaßt.
August 13th, 2010 at 09:37
Hallo Flatter,
habe das ARD-Portrait nicht gesehen, jedoch ist mir Nils Minkmar schon oft durch schöne Artikel aufgefallen, viel mehr als ich es in meinem Blog vermerkt habe. Ohne Minkmar hätte ich die FAZ nicht peu a peu für mich entdeckt.