Es gibt einige Aufregung wegen der Veröffentlichung von Geheimdokumenten zum Afghanistan-Krieg durch Wikileaks. In den Blogs nicht zuletzt deshalb, weil jene angeblich nicht ausreichend gewürdigt werde, vor allem von der Presse. Dabei ist das absolut verständlich.
Warum sollten Presse und Verlautbarungspolitiker plötzlich ihre Linie ändern? Sie beschwichtigen und tun so, als hätten sie selbst doch schon immer nur brutalst möglich aufgeklärt. Und natürlich wird dem Boten unterstellt, er gefährde ‘unsere’ Soldaten. Ausgerechnet vom “Spiegel” noch andere Qualitäten zu erwarten – da bin ich inzwischen auf dem Boden der Tatsachen und der untersten Schubalde angekommen – ist ohnehin verwegen.
Auf der anderen Seite enthalten die Dokumente – das natürlich vorbehaltlich eines sehr oberflächlichen Einblicks – tatsächlich nichts Überraschendes. Daß Chefpropagandist Guttenberg zu demselben Urteil kommt, ist freilich überraschend bis unverschämt. Denn all das, was sich da als Methode entpuppt, war doch gerade er bislang bemüht, stets als bedauerliche Ausnahmen zu deklarieren.
Der Eindruck, der sich einmal mehr verdichtet, ist im Grunde der, daß der Krieg schon sehr alt ist. Nicht nur der längste, an dem Deutschland seit dem 20. Jahrhundert beteiligt war, sondern schon Jahrzehnte alt. Was wir über das vorgehen der ehrenwerten NATO erfahren, kennen wir nämlich längst aus dem Vorgängerkrieg, den die Russen geführt haben. Ja, auch die Methoden sind dieselben, und “wir” sind keinen Deut besser als die kommunistischen Kinderschlächter aus dem Kalten Krieg.
Die finale Ironie besteht freilich darin, daß der Feind einem die eigenen Waffen an die Schläfe drückt. Es waren die USA selbst, die milliarden Dollars in die Aufrüstung der Banden und Milizen gesteckt haben, die heute unter dem Begriff “Taliban” zusammengefaßt werden. Ich halte diesen historischen Hintergrund, der immer noch den Wenigsten präsent sein dürfte, für wesentlich wichtiger als die Details aus den ‘Neuigkeiten’ bei Wikileaks. Und wenn es dann gilt, letztere aufzuarbeiten, sei ein Vergleich mit den Methoden und Erfolgen der Sowjets wärmstens empfohlen. Dann darf der Fernsehzuschauer noch einmal und mit Recht erschüttert sein.
Juli 27th, 2010 at 13:35
Viel lustiger ist es wenn man die Berichte mit den vergangenen Nachrichten der Qualitätsmedien vergleicht. Das widerspricht sich ja fast zu hundert Prozent. Auch Internetforen Z.B. (flugzeugforum als extrem ekelerregendes Beispiel) mit komischen Mods, Admins und kriegsgeilen Schreiberlingen die immer nur die offiziellen Seiten der Nato und der ihr ergebenen Nachrichtendienste zitierten aber andere Meinungen gleich löschten sind jetzt ziemlich ruhig.
Juli 27th, 2010 at 14:01
Tipp: in die Suchleiste von Youtube “Volker Pispers history of USA and terrorism” eintippen und die gelisteten fünf Videos anschauen.
Juli 27th, 2010 at 16:41
Apropos Youtube: hier sind einige Momentaufnahmen aus dem Afghanistan der 1950er und 60er Jahre >>>
https://www.youtube.com/watch?v=id2XoHZIleE
<<< also ein halbes Jahrhundert bevor sich die edelsten Demokratien der Welt erbarmten und das Land endgültig in die Steinzeit zurück zu modernisieren.
Vielleicht soll ja das Afghanistan des Jahres 2010 auch nur der Prototyp für weitere Staaten sein. Etwa solche die sich bei westlich-chirurgischen Eingriffen ähnlich zickig verhalten werden. Der Kandidaten gibt es reichlich. Ja, und sie werden immer mehr…
Juli 27th, 2010 at 17:59
Naja, es gibt schon Neues in den Dokumenten: dieses Verhalten des pakistanischen Geheimdienstes bspw. war in der Form durchaus nicht bekannt.
Juli 27th, 2010 at 18:10
Ach, sieh an: auf einmal kommen die Quälitätsjournalisten auch dahinter:
https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,708710,00.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/wikileaks-und-afghanistan-dossiers-mit-wirkungsmacht-1.980073
Und was haben sie der Linkspartei die Jahre über alles an den Kopf geknallt… Pack!
Juli 27th, 2010 at 18:15
Daß Pakistan in beide Richtungen ‘arbeitet’ ist nicht wirklich neu. Vielleicht gibt es dazu mehr Details, aber man sollte auch den Dokumenten nicht unbesehen unterstellen, daß darin nur Fakten und die reine Wahrheit verzeichnet sind.
Juli 27th, 2010 at 18:25
Aus der Süddeutschen: “Schuld an dieser Misere trägt jener Teil der Weltgemeinschaft nur bedingt, der unter Führung der USA sein politisches, militärisches, und noch viel wichtiger: sein humanitäres Kapital in Afghanistan investiert. Die mehr als 40 Nationen werden vom aufrichtigen Interesse geleitet, Afghanistan Frieden und Entwicklung zu bringen.”
Was haben die jetzt verstanden? Dass jener Teil der ‘Weltgemeinschaft’ (allein das schon wieder…) schon vor Jahrzehnten das Leben dort ganz humanitär mit Waffen angereichert haben?
Juli 27th, 2010 at 19:08
Welch ein sinnentleertes Geschwalle, plumpe Durchhalteparolen und hinrrissige Propaganda.
Juli 27th, 2010 at 20:31
SZ:
“…dass die Völkergemeinschaft große Chancen hat, in Afghanistan mit ihren Plänen zu scheitern. Das Land lässt sich offenbar nicht befrieden.”
Man kann das so übersetzen: ihm schwant, dass die ach so humane “Mission” Afghanistan nach Strich und Faden gescheitert ist.
Dass der Mann ansonsten einen vakuum-komatösen Quatsch labert, ist mir auch klar.
Juli 28th, 2010 at 02:22
Was mich ein wenig mehr verwundert als das Gewäsch in unseren Qualitätsmedien: Wieso haben sie den Herrn Julian Assange (Gründer von Wikileaks) noch nicht verhaftet oder erschossen und Wikileaks nicht abgeschaltet? Stehen die Server auf Kuba?
Juli 28th, 2010 at 10:59
@Charlie 10
Das wäre heute erstens vielleicht wirklich nicht mehr so leicht unter der Decke zu halten, und zweitens hat hier wohl auch ein gewisser ‘Wertewandel’ stattgefunden – die ‘Nation’ und vor allem ihre Protagonisten sind längst nicht mehr so sakrosankt, dass hier auf Hochverrat und gerechte Strafe abgestellt werden könnte. Vielmehr stehen besagte Protagonisten eher selbst unter dem (Dauer-) Verdacht des (ideellen) Hochverrats an den ‘Grundwerten der Verfassung’ etc.