Bayern hat volksabgestimmt und läßt feststellen, daß Raucher unter sich nicht mehr rauchen dürfen. Auch nicht in eigens dafür abgeteilten und mit Extralüftung versehenen Räumen. Auch nicht, wenn kein Nichtraucher die Raucher bedienen müßte. Schon gar nicht in kleineren Kneipen, in denen seit Jahrhunderten zu Bier und Wein auch eine Zigarette gehört. Das ist jetzt verboten. Ein für allemal.

Dieser wunderbare Erfolg eines rigorosen Verbots, der gelebten Nulltoleranz gegen Menschen, denen die Organsiatoren und Befürworter vermutlich niemals begegnet, deren Stätten gesundheitschädlichen Genusses sie nie aufgesucht hätten, soll als vorbildlich gelten. Zum Beispiel findet SPD – Gabriel Volksentscheide ganz prima. Das hat er zwar auch schon vorher einmal erklärt, aber im Zusammenhang mit der bayrischen Mißgunstentscheidung bekommt das einen reichlichen schalen Geschmack.

kippeWomit wir noch immer beim Thema sind: Diese Raucher und Biertrinker! Rauchen und trinken, anstatt zu arbeiten. Kommen deshalb nicht mit dem Geld aus. Sind krank, belasten die Kassen. Der deutsche Normdemokrat aber steht früh auf, ißt und trinkt nur Gesundes und geht früh wieder zu Bett. Und weil er eben Demokrat ist, will er, daß alle das so machen. Muß man rauchen? Nein. Muß man Alkohol trinken? Nein. Also kann man das auch verbieten.

Ausnahmsweise erlaubt, denn wir sind ja Demokraten, ist die Verköstigung dieser Drogen allein hart arbeitenden Menschen, die sich das leisten können. Und dann in Maßen. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

Was so beginnt, darf Kreise ziehen. Es zählen nicht rationale Beweggründe, sondern die jeweils aktuelle Meinungslage zu einer organisierten Abstimmungsfrage.
Der Gesetzgeber ist aber ebenfalls aktiv, so etwa in Baden-Württemberg, wo ab 22 Uhr kein Alkohol mehr verkauft werden darf, was sogar vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Bei Genußmitteln, den legalen Drogen, steht die moralische Front wie ein Mann. Jede noch so abstrakte Gefahr berechtigt zu Verboten, die möglichst uneingeschränkte Geltung haben. Vor allem eine Einschränkung durch Vernunft und ihren Gebrauch will sich die moralische Mehrheit nicht bieten lassen.

Nulltoleranz ist machbar. Auf dem Weg dorthin entfaltet sich der neue Geist der Demokratie, der im Sog der neoliberalen Okkupation nicht nur der Politik, sondern des gesamten (vorerst) öffentlichen Lebens herrscht. Demokratie ist die Freiheit, alles zu verbieten, was nicht der neumittigen Arbeitsethik folgt. Der gute Bürger arbeitet immer. Dazu hat er gesund zu sein und jeglichem Laster abzuschwören. Müßiggang ist inakzetabel. Zwar ist es noch nicht möglich, die Gemütlichkeit mit letzter Konsequenz auszumerzen oder in die Reservate Karneval und Weihnachten zu pferchen, aber man muß halt einen Schritt nach dem anderen gehen.

Nachdem durch sozialdemokratische Leistungsträger und ihre befreundete Arbeitgeberlobby sehr erfolgreich die “Kippen und Bier”-Keule gegen die Nutzlosen und Halbnützigen geschwungen wurde, wird jetzt das von Unmoral bedrohte Arbeitsvolk auf Linie reglementiert. Kneipen sind Feindesland, das gehört ausgeschaltet.

budAbsehbar ist ebenfalls ein rigoroses Einschreiten gegen Zeitverschwendung, Aufruhr und Pornokonsum im Internet. Die propagandistische Stalinorgel gegen “Kinderpornographie” kann jederzeit wieder angeworfen werden. Und machen wir uns nichts vor, einen echten Schutz kann es nur geben, wenn Porno ganz verboten wird. Es gibt eine breite Mehrheit, die dem zustimmen wird. Porno ist Schmutz, bedroht die Familien und vor allem den Nachwuchs. Wie könnte man je verhindern, daß Jugendliche durch Darstellungen perverser Sexualpraktiken im Internet verdorben werden, solange es jene gibt?

Unsere Kultur, unsere Demokratie und unsere Freiheit sind bedroht. Nur durch konsequente Einschränkungen kann eine Moral durchgesetzt werden, die den Mißbrauch der Freiheit verhindert. Falsch verstandene Toleranz würde auf lange Sicht dazu führen, daß die Verfechter der Unmoral, die arbeitsscheuen Lebemänner und disziplinlosen Verführten dem Bund der Fleißigen und Anständigen endgültig den Rücken kehren. Die kleinen Freiheiten hat man sich zu verdienen, die großen stehen demenstprechend nur Großverdienern zu. Was geschieht, wenn man die Zügel zu sehr schleifen läßt, zeigt die Finanzkrise, ausgelöst durch Einzelfälle wirtschaftlicher Unmoral. Der Bürger aber muß davor beschützt werden, ehe die Masse der Lasterhaften auch noch systemrelevant wird.