Die Prekären – warum schlagen wir sie nicht einfach tot?
Posted by flatter under Politik[37] Comments
09. Jul 2010 13:39
648 Euro im Monat müssen reichen, für allles. Mobilität, Miete, Mahzeiten, Lehrmittel, Heizung, Strom, Studiengebühren. Und wenn er selbst arbeiten geht, wird ihm das zu 100% angerechnet, dem BAFöG-Studenten. Immerhin hat er das Glück, vor der Unmoral des HartzIV-Schmarotzertums geschützt zu sein, denn um das Existenzminimum gesichert zu bekommen, muß er das Studium abbrechen. Der prekäre Student ist eine verglühende Elite: Er arbeitet hart und verzichtet dennoch aufs Essen.
Er verzichtet unter anderem für seinen Kommilitonen aus guten Hause, der unter optimal väterlich geförderten Bedingungen seine Höchstleistungen abliefert und dafür künftig mit einem Taschengeld vom 300 Euro belohnt werden wird.
So selbstlos der prekäre Universitäre auch ist, er ist nutzlos, denn er hat keine Überlebenschance. Diese Gesellschaft sollte sich dringend überlegen, ob sie es sich moralisch leisten kann, diese fleißig Verschwendeten weiterhin auszuhungern. Wir können da von den Slums Südamerikas lernen. Dort sorgen Kommandos freier Exekutoren für ein schnelles und damit humaneres Ableben der Waisenkinder, die ohnehin keine Zukunft haben.
Das deutsche BAFöG ist völlig sinnlos und die es beziehen, sind zum Siechtum verdammt. Führen wir sie besser in die Hinterhöfe und lassen sie von geschultem Personal schnell und schmerzlos erschlagen, das ist für alle besser und spart wichtige Ressourcen. Der Trend ist ja ganz richtig, das Geld denen zu geben, die gelernt haben, es auszugeben. Noch immer aber steckt viel zu viel Gutmenschentum im einem System, das das Leiden der Prekären nur unnötig verlängert.
Juli 9th, 2010 at 14:16
es kommt selten vor, aber ich muss dir mal widersprechen.
ich habe selber mit bafög studiert und musste nicht am hungertuch nagen. gut, ich habe noch das kindergeld dazugezogen, aber das stand mir ja zusätzlich sowieso zu.
wer natürlich jeden tag zwei schachteln raucht, sich samstags mit literweise bier abschiesst und nebenbei noch nen auto fährt, der wird seine probleme haben, aber dafür ist er dann IMO selbst verantwortlich.
wobei ich an der uni nicht der einzige war, der mit seinem bafög gut hingekommen ist – den meisten bafög’lern erging es relativ gut. vielleicht lag es aber auch daran, das man nicht unbedingt jedes jahr einen neuen laptop und jedes halbe ein neues handy brauchte …
mittlerweile gibt es kindergeld aber nur noch bis zum 26. geburtstag, da könnte es dann für den einen oder anderen etwas knapp werden. aber die knapp 190 euro sollte man nicht vergessen.
Juli 9th, 2010 at 14:28
Dann widerspreche ich dir gleich auch mal. Meine Stieftochter hat sich mit bafög durchgesurschtelt, das reichte vorne und hinten nicht. Deine Bemerkungen hinsichtlich Kippen und Bier finde ich peinlich, das überlasse getrost dem Steinbrück.
Natürlich brauchen manche ein Laptop. Ob Auto oder nicht – wenn du z.B, im benachbarten Ausland studierst, gibt es kein Semseterticket (was ja auch erst mal bezahlt sein will), da ist Autofahren noch die billigste Variante. Hast du eigentlich Studiengebühren bezahlen müssen? Ganz nebenbei spreche ich da oben vom Höchstsatz, den ja noch lange nicht jeder bekommt. Ich kam auch durch mit meinem bafög, das war aber in den frühen 90ern, und es ging gerade eben so. EIne höhere Miete oder Studiengebühren hätten mir das Genick gebrochen.
Juli 9th, 2010 at 14:41
Mal ganz davon abgesehen, daß man das Hungergeld (BAföG) irgendwann zurück zahlen wird müssen. Und das Amt ist da, meiner eigenen Erfahrung nach (BAföG macht 80% meiner PI-Schulden aus) erbarmungsloser als jede Privatbank, wenn es um so (eigentlich) einfache Sachen wie Stundungen etc. geht.
BTW: Feynsinn, Du bist arg bös(willig/-züngig) unterwegs die Tage – gefällt mir. Frei nach dem Motto: S*** Arme, alle an die Wand. Das wäre eine enorme Kostenersparnis für den Steuerzahler. Wannse(h)ekonferenz ick hör Dir trapsen. Bis “unser” teutonisches, prekäres Fußvolk aufwacht und sich aufmacht, haben “die” längst den Zaun gezogen, Wachen aufgestellt und mit der Umsetzung der Endlösung der “Verteilungsfrage” begonnen.
Hauptsache man wußte wie gehabt von nix…
Schönen Tach noch!
Juli 9th, 2010 at 14:47
Kann sein, dass Ihr beide Recht habt. 648 Euro in München oder Frankfurt sind etwas ganz anderes als in Osnabrück oder Kassel. Nicht nur die Mieten gehen extrem auseinander, auch die sonstigen Lebenshaltungskosten. Ich habe auch in den 90ern studiert, erst in der Provinz, dann in der Großstadt. Für dortige Verhältnisse wäre der Satz so absurd niedrig gewesen, dass ich mir gleich einen Job gesucht habe. Das Studium hat dadurcj natürlich ziemlich lange gedauert – was damals glücklicherweise noch ging. Heute ist das ja gar nicht mehr möglich wegen der neuen Abschlüsse.
Juli 9th, 2010 at 15:16
Was mir aufstößt: warum sollen Kinder von Leuten, die genügend Kohle haben, noch zusätzlich gefördert werden? Ich denke, Bund und Länder sind klamm und müssen die Kohle beisammenhalten?
On Topic: es ist manchmal schon erstaunlich, wie manche Leute ticken. Mein Vater meinte mal, als ich mit ihm über die Problematik von Studiengebühren diskutieren wollte, die Studenten, die er auf der Uni sähe, hätten größtenteils Handys oder gar ein Auto (mein Vater ist Prof. im Ruhestand). Also hätten die doch genug Geld??
Ich habe es mir dann geklemmt, ihn darauf hinzuweisen, daß Leute aus ärmeren Verhältnissen ja jetzt schon und dann erst recht nicht studieren können.
@Geschreibsel: darauf wird es wohl hinauslaufen. Demnächst haben wir eine schlanke Berufsarmee, die dann ausreichend gedrillt und ausgebildet ist, daß auch auf die eigenen Landsleute zurückgeschossen wird.
Juli 9th, 2010 at 15:20
Als ich in den neunzigern studiert habe, musste ich 2 Semester mit Bafög auskommen, verminderter Satz. Mein Wohnheimzimmer wurde mir glücklicherweise bezahlt, den Rest meines Lebens musste ich irgendwie aus 300 DM finanzieren. Bier und Kippen waren nicht drin, gut dass ich sie auch nicht brauchte. Essen war Ende des Monats auch nicht mehr drin, ich habe wochenlang von billigsten Nudeln gelebt und mich den Rest der Zeit irgendwie bei Freunden und bekannten duchgeschnorrt.
Nach 2 Semestern war schluss mit lustig, Bafög wurde komplett gestrichen, da meine schwester ihre Ausbildung abgebrochen hatte. Also fing ich an zu jobben, neben den 34 Stunden Uni nochmals 20-30 Stunden in der Großküche. Konzentriert und in Regelstudienzeit zu studieren war damit passé.
Wenn also jemand wie Kiesow der Meinung ist, das klappt problemlos, bitte, nur zu, ich fands scheiße und bin froh das es nur auf Zeit war.
Braz
Juli 9th, 2010 at 15:29
Zynismus ist, so unterhaltsam und befriedigend er auch sein mag, keine Lösung.
Wer dem Zynismus verfallen ist, und aufhört, positive konstruktive Veränderungen zu propagieren kann seine Lebenseinstellung auch gleich an den Nagel hängen.
Wie würde ein gutes Bafög aussehen? Es hätte die Gestallt einer Grundsicherung, die durch Studenten spezifische Reglungen ergänzt wird.
– Das soziokulturelle Existenzminimum liegt wohl um die 700-900€.
1) Grundsätzlich sehe ich eine Unterhaltspflicht der Eltern bis zu einem bestimmten Alter – oder vielleicht besser: bis zum Abschluss der ersten Ausbildung.
2) In dem Fall, das die Eltern dieser Pflicht nicht im vollen Maße nachkommen KÖNNEN (und das wird Dank Lohndumping leider bei sehr vielen der Fall sein), zahlt die Gesellschaft die fehlende Differenz.
3) Zusätzliche staatliche Leistungen (z.B. Kindergeld – als Beihilfe elterlicher Unterhalspflicht, öffendliche Stipendien, etc.) werden zu 100% gegen gerechnet. Zusätzliche private Leistungen (Arbeitsleistung der Studenten, private Stipendien, etc.) sollten dagegen nur zu 40-60% gegen gerechnet werden.
– Am Ende des Monats ist für jeden Studenten MINDESTENS das soziokulturelle Existenzminimum GARANTIERT.
Ich fände es okay wenn ein Teil des Gelds dem Studenten als zinsloser Kredit zur Verfügung gestellt wird. Die Höhe des Anteils passt sich, wie auch die Höhe der Rate dynamisch an die aktuelle Arbeitssituation an.
Eine wie auch immer geartete Studiengebür macht schon heute keinen Sinn – bei einer so Grundsicherung natürlich noch weniger.
Juli 9th, 2010 at 15:35
Ergänzung:
Bezahlt wird diese studentische Grundsicherung durch ein Umlagensystem. Die projezierten Ausgaben des Jahres werden auf ALLE Bürger mit Einkommen verteilt. Zu diesem Zweck wird ein Prozentsatz ermittelt der zusammen mit anderen Sozialversicherungs-Ausgaben vom Einkommen eingezogen wird. Eine Beitrags-Bemessungsgrenze gibt es nicht.
Juli 9th, 2010 at 15:38
Ergänzung 2: Ich bitte um juristische Ausformulierung und Einbringung des Vorschlags in die nächste Volksabstimmung. Nach der definitiven Entscheidung, dafür / dagegen wird das Konzept innerhalb eines Jahres umgesetzt.
So weiter gehts, Rente, Krankenversicherung, zackzackzack! Probleme sind da um sie zu lösen und nicht um sie zu zerreden und zu verschieben.
Juli 9th, 2010 at 15:41
Ergänzung 3: Die zurückgezahlten Raten werden natürlich ins Umlagesystem integriert – sie reduzieren also den Anteil der von allen Bürger mit Einkommen aufzubringen ist.
Juli 9th, 2010 at 15:47
@flatter: manchmal bin ich gerne etwas peinlich, da stehe ich zu. aber während meines studiums hat mich nichts mehr angekotzt als diejenigen, die jeden tag eine packung zigaretten geraucht und nen sixpack gesoffen haben, mit dem auto die 100m zum hörsaal gefahren sind und dauernd rumgekotzt haben, das man mit bafög nicht leben kann. sorry, für solche menschen habe ich kein verständnis und da gab es damals leider recht viele von.
das die stipendien absoluter mist sind, darüber braucht man nicht diskutieren, weil sie höchstwahrscheinlich genau den falschen gezahlt werden. leider zählen in der gesellschaft noten noch immer mehr als tatsächliches wissen oder verständnis. auch muss man nicht darüber diskutieren, das unser derzeitiges bafög-system nicht ideal ist und zu knapp gerechnet wird. aber ich behaupte einfach, das sehr viel daran liegt, wie diejenigen mit dem geld umgehen.
sorry, dann bin ich bei der sache peinlich, aber ich konnte sogar jeden monat noch ein paar DM zur seite legen. lag aber vielleicht daran, das man zu der zeit im osten relativ günstig wohnen und leben konnte, das will ich nicht abstreiten.
Juli 9th, 2010 at 16:36
Das Problem als Student heute ist, dass man nebenher nicht mehr so gut jobben kann, die ganzen Hilfsjobs sind sehr begehrt, man konkuriert um diese mit Hartz4lern, Arbeitslosen, Rentnern und Schülern. Früher konnte man bei der Stadtverwaltung im Bauhof mitarbeiten, heute machen das Externe oder 1-€urojobber. Heute in einem grösseren Industriebetrieb einen Ferienjob zu bekommen ist aussichtslos, wenn man keine Beziehungen hat. Bei Audi ist dieses Jahr offiziell wegen der Wirtschaftskrise Einstellungsstop, dennoch kenne ich Leute die dort trotzdem einen Job ergattert haben, durch Beziehungen. Selbst in den Zeitarbeitsfirmen wo extrem mies bezahlt wird treten sich die Studenten für Ferienjobs auf die Füsse, man kann froh sein wenn man einen der mies bezahlten Jobs ergattert.
Wer früher in den 80/90ern die Semesterferien durchmalocht hatte, hatte genug Kohle das nächte Semester und Luxus wie z.B. Urlaub, der war nicht auf BaföG angewiesen.
Wer an einer “Dorfuni/FH” studiert der hat mehr oder weniger die Arschkarte gezogen, weil es dort kaum Nebenjobs gibt oder diese sind so mies bezahlt, dass dabei nix raus kommt. Schaue ich in die Stellenanzeigen, überbieten sich dort Studenten mit Nachhilfeangeboten, schon für 5€/h, mit drei kostenlosen Teststunden. Das lohnt sich nicht, wenn der Schüler nicht gleich um die Ecke wohnt.
Wer heute kein Kohle hat, hat im Studium schon verloren.
Juli 9th, 2010 at 16:47
Ist schon erschreckend was unsere Regierung so zwischen Halbfinale und Kampf um den dritten Platz noch so alles durchpeitscht:
- vorgestern die wüste Krankenkassenbeitragserhöhung,
- heute Akademikerkinder-Beglückung zulasten der Bafög-Empfänger und (es ist freitag)
- heute nachmittag Einführung von Zwangsarbeit für HartzIV-Empfänger.
Diese Regierung hat nichts mehr zu verlieren. Man ziehe sich warm an. Jetzt wird rücksichtslos durchregiert.
Juli 9th, 2010 at 17:26
@kiesow: Wie jetzt, jeden Tag eine oder zwei Schachteln Kippen und jeden Tag ein Sixpack Bier oder nur am Samstag?
Am Ende fuhren diese Heerschaaren spätdekatender Kommilitonen vielleicht auch nur 50 Meter mit dem Auto zum Hörsaal.
Das ist Ihrerseits doch sicher Ironie, oder (Satire? – Ich kenne mich da leider nicht so aus)? Geben Sie zu, Sie haben den Mustertext des guten Hartz-Empfängers her genommen und auf Bafög umgeschrieben, um die Leserschaft hier etwas zu triezen?
Juli 9th, 2010 at 17:27
wer der meinung ist, die bafög sätze seien absolut ausreichend bzw. ermöglichten sogar den aufbau eines kleinen vermögens (kiesow), der hat entweder unter sehr guten umständen (minimiete o.ä.)von dieser “stütze” gelebt oder er neigt evtl zur selbstkasteiung – was da heissen kann: immer nur spagetti mit ketchup und knäckebrot mit magarine sowie vermeidung aller sozialen kontakte oder irgendwelcher nicht unimässig begründeter freizeitgestaltung. nicht umsonst müssen immer mehr studis immer schlechter entlohnte nebenjobs und zwangsläufig verlängerte studienzeiten hinnehmen.
kiesow
nur nebenbei bemerkt, bin längst aus dem studialter und nicht betroffen – aber glaubst du, daß ein gewisses maß an askese jedem studi abzufordern ist?
bereitet auf das kärglich entlohnte praktikum vor??
und menschen, die anderen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben, kamen und kommen mir schon immer verdächtig vor. sogar die misionare der kirchen lehne ich ab. und zu den studis, die sich da jeden tag ne packung kippen undn sixpack reinziehen – nun ja , wenn der vadder bezahlt, denn isses der neid des armen und wenn es der chronist als normales bafögler studentenleben erkannt haben will, dann erinnert es mich an die bildberichterstattung über hartz4 ler. tut mir leid, aber so isses.
Juli 9th, 2010 at 17:39
erste reaktion von mir: ich kann die argumente nicht mehr hören, die anderen vorschreiben wollen, dies und das nicht zu haben. den labtop, das auto, die küche, das mineralwasser, den schinken.
diese vorrechnerei ist doch einfach nur widerlich. als ich für damalige verhältnisse (1980ff.) ein viel zu niedriges doktorandenstipendium bekam (400.– Euro), konnte ich nur an der diss arbeiten durch 1. nebenbeschäftigung als korrekturassistent an der uni hamburg, durch die hilfe einer befreundeten familie und durch dinge, die öffentlich nicht ausgesprochen werden sollten.
ich finde es skandalös, dass man den sogenannten begabten 300.– Euro hinterherwirft, während das gewöhnliche bafög nicht erhöht wird. die herrschenden in diesem land sind alle durchgeknallt.
Juli 9th, 2010 at 17:58
Ja, gut, das gefällt mir.
Aber zu viel Gutmenschentum verlängert keine Leiden nur unnötig. Die müssen andauern, damit sie besungen werden. Denke da an Jules Vallès´ “Les refractaires”, dt., “Die Abtrünnigen”. Warum nicht mal ein wenig Pathos?
Juli 9th, 2010 at 18:02
Ich habe das Gefühl, dass eine “Die gehören alle an die Wand gestellt” Einstellung gegenüber jeder Art von Bedürftigen immer mehr zum gesellschaftlichen Konsens gehört.
Vllt sollte man sich überlegen, wenn man beim Amt irgendwelche Anträge (Hartz4, Bafög, Wohngeld, Kindergeld, etc.) stellt, so aufzutreten, als hätte man auch so schon reichlich Kohle und wäre gar nicht drauf angewiesen. Scheint mir die Chancen auf rasches Durchkommen des Antrags und zuvorkommende Behandlung sehr zu erhöhen…
Ich beneide Personen, die in diesen Tagen ganz seelenruhig dem Ritual “Tagesschau um 8″ nachgehen können, womöglich noch beim Abendessen, ohne von akuter Übelkeit befallen zu werden.
Juli 9th, 2010 at 18:33
meine tochter hat auch immer malochen müssen, um über die runden zu kommen. bei ihrem letzten job, hat sie dann ihr Gehalt nicht bekommen, weil der Arbeitgeber mit seiner neu eröffneten Coffeshopkette pleite ging. und für den hat sie die letzten Monate (zwischen Bachelor und Master) auch noch Vollzeit gejobbt und während dieser Zeit dann gar kein Bafög erhalten. Den Kredit fürs Auslandssemester muss sie auch noch abzahlen. Und ihre Mum kann sie nicht unterstützen – auch dann nicht, wenn sie alsbald endlich aus der Hartz IV Strafverfolgung ins prekäre Arbeitsleben wechselt – zudem die FDP ja nun auch noch das Wohngeld kürzen will, sodass die Mum es erst gar nicht beantragen kann, weil sie nicht genug verdient und sich auch weiterhin ans jobcenter wenden muss, um nicht obdachlos zu werden.
Ich finde das offen gestanden alles gar nicht witzig.
Juli 9th, 2010 at 18:34
@ Amike:
so mach ich das seit Jahren, und bin damit tatsächlich ganz gut – jedenfalls bisher, im Moment sieht´s schlechter aus – durchgekommen. Frisch, fidel ausgeschlafen auftauchen, vorher meditieren und leicht übertrieben durchschimmern lassen: Ja, ich kann mir´s leisten, freundlich, höflich, zuvorkommend, ja charmant zu sein und der Sachbearbeiterin etwas von meiner Liebe zu allen Wesen zuteil werden zu lassen – und immer die neuesten feschesten Sachen aus der Kleiderkammer, klar. Wie allerdings nicht, wie lange ich das noch durchhalte, bzw. wann es auch mir nicht mehr gelingt, mir da etwas vorzumachen.
Juli 9th, 2010 at 20:10
- heute nachmittag Einführung von Zwangsarbeit für HartzIV-Empfänger
na, das hat sich doch grad ganz nett angehört
Bürgerarbeit, mind. 900 € Verdienst, Einzahlung in Rentenkasse pipapo. Applaus
@amike:
konnte die Übelkeit fast unterdrücken, bis, ja bis der Guydeau plötzlich auf der Flimmerkiste seine Fresse präsentierte :(
Juli 9th, 2010 at 20:22
Der Skandal ist doch vor allem, dass jetzt den reichen LLeistungsparasiten einfach so 300 Euro durchgereicht werden, nachdem vorher schon die Allgemeinheit deren Vermögen während der beiden Bankenkrisen gerettet hat und das mir das Geld auch dann in den Rachen gestopft wird, wenn ich zufällig gerade Paris Hilton bin und mir einen preiswerten tschechischen Ghostwriter leiste.
(Gestern habe ich mir mal überlegt, sich mal eine Wunschschießbudenfigur unter den Ministerchen auszusuchen und über das Netz 365 lustige Spießgesellen zu suchen. Kann sich ein Minister halten, der jeden Tag seinen ganz persönlichen “Zivilversager!!!”-Buhrufer hat?)
Juli 9th, 2010 at 20:41
@stefan:
Ich hab mir das Ritual erspart und dementsprechend wohlauf bin ich… aber der Typ kann echt ne Zweitkarriere als Brechmittel anstreben, da dürfte er keinerlei Kompetenzdebatten zu befürchten haben…
Juli 10th, 2010 at 04:47
Und wieder einmal lernen wir, wieso die neoliberale Bande walten und schalten darf, wie sie möchte: Es gibt eben immer wieder “bürgerliche” Kiesow-Stimmen, die nichts Verwerfliches daran finden, wie pervers der Reichtum in dieser Gesellschaft verteilt ist und wird. Sondern die statt dessen noch hanebüchene Begründungen dafür finden, dass das schon ganz gut so ist, dass beispielsweise den “rauchenden und schmarotzenden” Studenten nur ein Minimalgeld zur Lebens- und Studienführung zugestanden wird. Das lässt sich beliebig auf alle anderen gesellschaftlichen Gruppen ausdehnen.
Solange es solche (man verzeihe den Ausdruck) Hohlköpfe gibt, solange wird sich auch nichts Grundlegendes ändern – und der Reichtum wird bei den “oberen Zehntausend” verbleiben, während der überwältigende Rest der Menschen dumm in die Röhre guckt.
Nur mal angenommen, es gäbe sie wirklich “massenhaft”: Welche Bedeutung haben “schmarotzende Studenten” (oder wahlweise Arbeitslose, Behinderte, Renter …) in unserer Gesellschaft, angesichts der dreist und ganz offen und legitim schmarotzenden “Elite”, die sich selbst unablässig Millionen und Abermillionen ins eigene Säcklein schaufelt und dabei vorwurfsvoll auf irgendwelche Menschen zeigt, die sich kaum über Wasser halten können?
Es ist manchmal nicht zu fassen, mit welcher Blindheit manche Menschen sich herumschlagen müssen, die solche offensichtlichen Zusammenhänge nicht sehen wollen oder können.
Wenn Herr oder Frau Kiesow also ein Problem damit hat, dass es vielleicht auch Studenten (Arbeitslose, Rentner, Behinderte etc.) geben sollte, die rauchen und gelegentlich oder auch öfter mal Bier trinken oder sich anderweitig um ein gutes Leben bemühen, dann möge er doch bitte in die FDP eintreten und in die Waden unseres Guidos beißen. Da gehört er nämlich hin.
Es ist einfach zum Kotzen, dass die Bevölkerung selbst dafür sorgt, dass sie weiter in diesem perversen System der wenigen Reichen und vielen Verarmten verharrt.
Juli 10th, 2010 at 10:04
“Am Anfang stehe eine mindestens sechsmonatige “Aktivierungsphase”, an der rund 160.000 Hilfebedürftige teilnähmen. Bei jedem Betroffenen soll individuell getestet werden, für welche Aufgabe er in Frage komme. Erfahrungsgemäß könnten vier von fünf Arbeitslosen auf diese Weise vermittelt werden oder verzichteten freiwillig auf Regelleistungen, sagte von der Leyen.”
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,705679,00.html
Wie kann man sich so verplappern von der Leyen?
Einsparungen durch Massnahmen die Arbeitslose in den Hungertod, Verzicht auf Regelleistungen, treiben.
Die Oberschicht hat keine moralischen Skrupel.
Aber vielleicht spendet Sloterdijk dann ja sein gesamtes Einkommen für die so drangsalierten.
Juli 10th, 2010 at 10:26
Also, ich bin ein klassischer “Bildungsaufsteiger” mit einer wechsel- und lückenhaften Stipendienbiographie, und als ich vor ca. 10 Jahren in einer sehr teuren süddeutschen Stadt mein Studium angefangen habe, bin ich mit knapp über 1000 DM (Stipendium, Kindergeld, Nebenjob und sogar ein bisschen Vati) gut und studentisch angemessen zurecht gekommen. Heute bin ich als promovierter Akademiker in der großen und angeblich so billigen Stadt, bekomme (Tusch!) unter Ausnutzung aller sozialversicherungstechnischen Finessen wieder ein Stipendium von ca. 1400 Euro netto, und ich kann sagen, dass mein Lebensstandard sich nicht allzu wesentlich verbessert hat, was ich selbst angesichts der Zahlen immer wieder erstaunlich finde. Liegt vielleicht auch daran, dass die Investitionen in die Bildung (Tagungsreisen, Bücher etc.) auch immer aufwändiger werden, denn man muss ja Teil des globalisierten Wissenschaftsjetsets bleiben. In reduzierter Form gilt das auch schon für Studenten.
Ich bitte jedenfalls von diesen Bemerkungen à la “bei mir ging das damals auch locker” einmal Abstand zu nehmen. Erinnert mich ein bisschen an die Chefin eines schlecht bezahlten Hiwi-Jobs, den ich einmal NACH dem Examen hatte, die mir immer erklärte, dass sie ja seinerzeit noch als Assistentin nicht einmal ein eigenes Telefon hatte, während heute alle mit Handy herumlaufen müssen. Wenn es aber mal schnell eine Schicht zu schieben gab oder dergleichen, war sie schon froh, mich möglichst direkt erreichen zu können.
Juli 10th, 2010 at 12:17
Mit den Bafög-Sätzen dürfte es sich nichts anders verhalten als mit den Hartz 4 Regelsätzen, jeder muss damit auf seine Weise ALLEIN zurechtkommen.
Wer das Glück hat noch andere “Quellen” regelmäßig anzapfen zu können kommt einigermaßen über die Runden, den anderen gehen diese Sätze direkt an die Substanz, reichen hinten und vore nicht.
Eine Lösung wäre, diese Sätze pauschal höher anzusetzen oder bei nachgewiesenen Bedarf ganz individuell, ähnlich der alten Sozialhilfe.
Nur wer sollte das durchsetzen, erkämpfen? Weder die Hartz 4 Bezieher noch die weniger begüterten Studierenden können dies ALLEIN schaffen.
Und damit hat sich in DIESER Gesellschaft, in DIESEM Land das Thema doch schon erledigt, trotz aller dämlichen widerlichen Schwarz-Rot-Goldenen Fahnenschwenkerei in diese Tagen!
Juli 10th, 2010 at 13:18
@ Salve 25
mein kommentar zu deinem link
Juli 10th, 2010 at 13:18
ups, äh, hier:
https://gheimraetinsarchive.wordpress.com/2010/07/10/von-der-leyens-burgerarbeit/
Juli 10th, 2010 at 15:58
Dass am BAFÖG-System was nicht stimmt, dürfte mittlerweile unbestritten sein. Damals habe ich jedenfalls die Erfahrung machen dürfen, dass “Bedürftigkeit” dort nach anderen Maßstäben bewertet wird, als seinerzeit (ca. 2000) beim “Arbeitsamt”.
Allerdings, laut SPON soll auch das Büchergeld der bisherigen StipendiatInnen angehoben werden.
“Hinzu kommt aber noch das Büchergeld der bisherigen Stipendiaten, das von 80 auf ebenfalls 300 Euro monatlich erhöht werden soll.”
https://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,705591,00.html
Das sehe ich zumindest als eine kleine Erleichterung.
Arbo
Juli 10th, 2010 at 16:27
In meinem Bekanntenkreis wurden es immer mehr, die der Studiengebühren wegen das Studium abgebrochen haben. Darunter sind einige wirklich intelligent (jedenfalls, wenn ich mich als Maßstab nehme). Von Motivation nicht zu reden.
Übrigens, die Biertrinkenden, Zigarettenrauchenden Studies: Nie wieder habe ich solch eine tragische Ansammlung junger, hochmotivierter Menschen gesehen wie bei der einen oder anderen Vorlesung, bei der sie zu hunderten sich zusammendrängten, hochkonzentriert und mucksmäuschenstill, weil zusätzlicher Sauerstoffverbrauch, den jede Bewegung bedeutet hätte, das Ganze gänzlich unerträglich gemacht hätte.
Mit Kommilitonen dann ein Bier zu trinken, wäre schon deswegen unvernünftig gewesen, weil es nicht ratsam ist, Hunger mit Bier zu bekämpfen.
Zugleich oft ein erschreckend niedriges Niveau in Seminaren, derart, dass es auch mir auffiel. Erfolg von der finanziellen Situation abhängig, Stillstand die Regel, Massenuniversität als Selektionsmechanismus u. Bildungsaufsteiger begrüßenswerte Ausnahmen. Es gab auch Familien, die “zuviel” für BAFÖG verdienten, aber trotzdem kaum den Nachwuchs unterstützen konnten.
Also für mich: Wohnungssuche und Jobsuche fast jedes Semester von Neuem und oft gleichzeitig, Tagesjobs und schnell ne Portion Pommes.
“Man kann (sich) nicht aus der Armut heraus studieren“, hörte ich damals. Wer es dennoch versucht, muss dann eines Tages mit den gesundheitlichen Folgen allein klarkommen.
Juli 10th, 2010 at 16:29
offtopic:
ZDF Seibert wird Muttis neuer sprecher! Bild am Montag feiert! Es wird immer absurder, in dieser unserer Bananenrepublik!
Juli 10th, 2010 at 18:08
300 Euro Büchergeld := Streichung des Elterngeldes für Arme.
Ist eigentlich logisch.
Da Heinsohn nur laut denkt was 80% der Studenten denken.
Ein Erfolg unseres Schulsystems.
Juli 10th, 2010 at 22:20
O.K., wenn DAS dagegengerechnet wird, sieht das natürlich so aus.
Andererseits soll es Stiftungen geben, die sich bemühen, Personen aus dem “sozial schwachen Milieu” zu fördern. Die bekommen dann auch ein Stipendium (wenngleich ich zugebe, dass die Förderung solcher Personen immer noch zu Wünschen übrig lässt!).
Arbo
Juli 10th, 2010 at 22:34
Zumindest unter den Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung gab und gibt es übrigens signifikanten Widerstand gegen die Erhöhung des Büchergeldes, und einige Vertrauensdozenten derselben Stiftung würden es auch explizit ablehnen, wenn Stipendiaten etwa noch zusätzlich von den Studiengebühren befreit würden.
Juli 11th, 2010 at 00:15
Makaber – jemand hat Deinen Ratschlag wohl befolgt:
https://b.boll-newmedia.de/video/index-m.php
Juli 11th, 2010 at 11:49
[...] Immerhin wollen sie die Studiengebühren und die Kopfnoten abschaffen. Ersteres wird den Studenten wieder ein wenig Luft verschaffen, die dank schwarz-gelb wieder einmal leer ausgehen und keine Bafög-Erhöhung bekommen, während gleichzeitig ein sogenanntes Eliten-Förederprogramm finanziell gebuttert wird. Dass gerade im Bildungsbereich die „Elite“ zumeist eine Herkunftselite und keine Leistungselite ist, verschweigt uns die liebenswürdige Frau Schavan. Immerhin hält sich die christlich-demokratische Politikerin brav an ein biblisches Diktum: Wer hat, dem wird gegeben. Wut und Zorn dazu bei Feynsinn. [...]