Nehmen wir mal an …
also nicht daß ich das wirklich befürchte, aber es könnte sich ja ergeben, durch dramatische politische Ereignisse wie ein frühes Ausscheiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft etwa, daß der Wind sich dreht. Nicht, daß ich’s beschwören will, die Zeiten sind hart genug, aber man muß sich doch wappnen. Also nehmen wir einmal an, es wird kritisch in diesem Land. Größere Demonstrationen, Streiks womöglich, ein Eklat bei der Wahl zum Bundespräsidenten. Letzterer ist schon abzusehen, seit der Boulevard sich gegen die Kanzlerin aufstellt.
Was macht man dann? Ein Stimmengewirr, Aufruhr im Kollektiv, Studenten fordern dies, Gewerkschaften das, die Parteien zerstritten, die Regierung will nicht mehr, selbst eine große Koalition findet nicht zusammen. Nur einmal angenommen.
Die stille Einigkeit der willig sparsamen Exportweltmeister bricht. Es wird offen kritisiert, beinahe wie in den 70ern – Streit um die Außenpolitik, um die zukünftige Bewaffnung der Bundeswehr, über Notstandsgesetze, Finanz-und Wirtschaftspolitik, einfach alles. Kritik wird zur Leidenschaft der Journalisten und Kommentatoren, in deren Gefolge der brave Bundesbürger beginnt, sich zu fragen.
Er wird sich fragen: Wenn es dann also gilt kritisch zu sein, woher soll er wissen, welche Meinung richtig kritisch ist? Natürlich will er seinen Beitrag leisten, ein bißchen kritisch war er doch immer schon, aber er will schließlich nichts Falsches ktitisieren. Wie kann dem Volk, wenn es zum Ärgsten kommt, rechtzeitig die richtige Kritik vermittelt werden?
Ist es nicht klug in solch unsicheren Zeiten, sich schon ein klein wenig zu distanzieren? Na klar war Hans-Werner Sinn Deutschlands klügster Ökonom. Sicher war Hans-Olaf Henkel ein verdienter Mann, Ronald Koch, Friedrich Merz waren kompetente Persönlichkeiten. Baring, Raffelhüschen, Hüther – unzweifelhaft Experten, die uns in Talkshows und Interviews den Weg gewiesen haben.
Rürup und Hartz, Ackermann natürlich – Die Großen dieser Zeit, ohne die alles nichts war und nichts alles. Was, wenn eine neue Zeit anbricht und man sie zu den Unkritischen zählen wird? Man will ja nicht angefeindet werden, weil man zu lange aufs falsche Pferd gesetzt hat. “Du warst doch auch einer von denen” – solche Worte können niederstrecken.
Man muß die Augen und Ohren offenhalten. Nicht zu forsch sein mit seinen Äußerungen. Man weiß nicht, was kommt und wie es kommt, denn wie man es macht, macht man es verkehrt. Das eine wird einem als zu kritisch ausgelegt – daran haben wir uns gewöhnt -, das andere kann einem bald schon als zu unkritisch ausgelegt werden. Man kann nur hoffen, daß es nicht ganz so wild wird in den “zehner” Jahren. Und unseren Fußballern kräftig die Daumen drücken!
Juni 9th, 2010 at 00:36
ach, ich fürchte, die werden sich wieder einmal zumindest durch die vorrunde durchrumpeln.
viel interessanter wird sein, ob und wie sich die dortigen gewerkschaften nicht nur im transportsektor weiter verhalten – die haben durch die wm nicht nur ein enormes druckmittel, sondern ab freitag auch noch große teile der weltöffentlichkeit als publikum. wenn´s da richtig krachen sollte, könnte das public viewing hierzulande zu einem richtigen bildungsprogramm werden ;-) “soziale kämpfe – bei uns sitzen Sie in der ersten reihe”
Juni 9th, 2010 at 03:22
“Wie kann dem Volk, wenn es zum Ärgsten kommt, rechtzeitig die richtige Kritik vermittelt werden?”
In dem ansonsten überzeugenden Artikel stört mich hier ein bisschen die Attitüde des Erziehers, der über “dem Volk” stehend selbigem ungefragt die “richtige Kritik” beibiegen will. Klar, man könnte sagen, wenn schon manipuliert wird, dann doch bitte mit dem, was ich für richtig halte. Nur pädagogisch wertvoll ist das nicht, falls denn überhaupt der Standpunkt des Pädagogen angebracht ist. Wenn Blogs eine Macht sind, dann doch als chaotische APO als Ansporn zum Selberdenken und nicht als staatstragendes Belehrungsinstitut und Inhaber “richtiger” Kritik. Na ja, vielleicht hab ich da jetzt zu viel reingelesen und bitte schon mal um Verzeihung…
Ansonsten: Fußball ist toll, weil da kann man abends mit dem Fahrrad auf der falschen Seite über die Hauptverkehrsstraßen brettern. Viva la Revolucion! Und wie still das ist!
Juni 9th, 2010 at 06:47
was wäre denn das ärgste? Ist es nicht schon arg genug? und irgendwie noch nicht richtig?
wenn blogger u.ä. nach der zensursula-puppe schnappen und mit allem anderen zufrieden sind, wenn die griechen für auslöser der euro-krise gehalten werden, wenn die piratenpartei es noch nicht mal schafft gegen das sparpaket einzutreten… ist es dann nicht schon arg genug und kritik an sich schon wünschenswert?
machen wir uns nichts vor: die richtige kritik wird nicht kommen, aber wenn es wenigstens ein paar mehr als die üblichen verdächtigen schaffen am 12.06 auf die strasse zu gehen ist schon einiges gewonnen…
Juni 9th, 2010 at 09:13
Beim Thema Fussball denke ich an brennende Tribünen, rechtsradikale und rassistische Randale, Geschiebe und Gekungel hinter den Kulissen der Funktionäre, Schmiergelder, Polizeiübergriffe, vorsätzliche Körperveletzungen auf dem Spielfeld, Schwulenfeindlichkeit, unfähige Schiedsrichter, Frauenverachtung, debiles Gegröle “Doitschlooooond, Doitschlooooond!” usw. usw. Bei den großen Städtmarathons z. B. -ebenfalls sportliche Massenveranstaltungen- habe ich bisher keines dieser Phänomene registrieren können.
Maximale öffentliche Wut verbunden mit optimaler persönlicher Häme wäre in meinen Augen, wenn es das deutsche Team möglichst weit schafft, um dann kurz vor dem Ziel möglichst auch noch an einem “Fussballzwerg” im Halb- oder Viertelfinale zu scheitern. Bis dahin könnte ich an den Wochenenden in Ruhe meine großen Runden mit dem Rad drehen.
Zur “richtigen Kritik” fällt mir ein, dass es bei Aufständen, Revolutionen etc. von links immer oder oft eine intellektuelle Avantgarde gegeben hat. Doch von einer wütenden Klasse wie in Griechenland sind wir in D. weit entfernt. Hermann L. Gremlitza schrieb in einer Konkretkolumne vor kurzem, dass mit effektivem Widerstand (Modell Griechenland – gerdos) nicht zu rechnen sei, solange Deutsche ihre Aggressionen noch auf der Autobahn und bei der Parkplatzsuche ausleben können. Da ist was dran.
Juni 9th, 2010 at 09:55
“Er wird sich fragen: Wenn es dann also gilt kritisch zu sein, woher soll er wissen, welche Meinung richtig kritisch ist?”
Na, Bild wird es ihm schon erklären…*hust*
Juni 9th, 2010 at 10:24
Dabei kann es so einfach sein und doch so schwer: Kritik hat zuerst mit der kritischen Betrachtung von sich selbst zu beginnen, der eigenen Haltung und Handlung, den eigenen Wünschen und Bedürfnissen. DANN schaltet man seinen Frontal-Lappen ein (das ist der, der für Ratio und kritisches (sic!) Denken zuständig ist) und seinen gesunden Menschenverstand, lauscht den Medien und dem Internet und vergleicht alles mit der selbst erfahrenen Lebenswirklichkeit der letzten 20 Jahre.
Und wer danach immer noch den oben zitierten Damen und Herren anhängt, liegt falsch.
Juni 9th, 2010 at 10:29
Offline meint: “Wenn Blogs eine Macht sind, dann doch als chaotische APO als Ansporn zum Selberdenken und nicht als staatstragendes Belehrungsinstitut und Inhaber “richtiger”….
Sehr gut gesagt, dass kann ich vorbehaltslos unterschreiben!
Wenn wir alle mal ehrlich sind, wer überhaupt lässt sich denn gern belehren?
Menschen neigen nun mal dazu an die Dinge um so fester zu glauben, die sie selbst als richtig erkannt haben, zumindest aber von diesen überzeugt sind.
Daher ist die beste Kritik auch imer die, die andere dazu einladet, sich selbst mit gewissen Dingen zu beschäftigen, darauf verzichtet, “Weisheit” und (absolutes?) “Wissen” mit großen Kellen zu verteilen.
Juni 9th, 2010 at 10:47
Wo hab ich bloß meine Ironiehupe wieder hingelegt?
Juni 9th, 2010 at 11:20
Ja ja, es ist schwer sein Fähnlein nach dem richtigen Winde zu hängen, wenn Turbulenzen aufkommen. Aber momentan? Das FAZ-Feuilleton ist ein bisschen ans Nachdenken übers System gekommen, vielleicht auch durch Strobl/Alphonso. Aber kritisches über die genannten Personen in Spiegel, Welt, Zeit, … oder gar im TV? Die Wendehälse halten sich – noch – bedeckt. Aber Danke für die Warnung.
Juni 9th, 2010 at 11:54
tja herr feinsynn,
genau das denke ich auch seit einiger zeit. wenn ich dem feynsinn lausche ich da dem richtigen? oder dem kollegen spiegelfechter oder …. schlußendlich vertritts du auch “nur” deine meinung. und wie pflege ich immer zu sagen? “meine meinung ist nicht maßgeblich und erst recht nicht zwingend richtig”. also: was ist richtig? laut der neuen osnabrücker zeitung sind internetblogs einfach nur “ätzend”.
Juni 9th, 2010 at 13:10
Und wenn man ob der groben Ausrichtung nun sein Ohr all den von hallowach genannten und noch anderen (nds, fgh, o.w.a.i.) leiht und andächtig lauscht, zudem die kritischen Kommentare der großen, mittleren und selbst kleinen Tagesgazetten und Journalien verfolgt und dabei mitbekommt:
Nanu, ich bin ja gar nicht der Einzige. Nein! Im Gegenteil! Meine Meinung wird hier geteilt, vervielfältigt. Von Vielen, von der Mehrzahl sogar!
Dann kann man schon zu dem Schluß kommen, dass man doch (zumindest in der groben Richtung) “richtig” liegt.
Komisch allerdings in dem Zusammenhang, dass von überall auch latent Abneigung wider die eigene Meinung anschreibt. Zuweilen in vielen unterschiedlichen Medien unter den selben Namen, ähnlichen Synonymen, immer jedoch mit gleicher intensionaler Semantik.
Worauf ich hinaus will?
Vielleicht sind ja eben die wenigen “Querschreiber”, die Einpeitscher und Jubilierer (dahingestellt ob bezahlt oder überzeugt) die eigentlich kritischen Pointer und wir, die vermeintlichen Kritiker, nur Mitläufer des Systems?
Das wiederum lässt sich (für sich selbst zumindest – und auch da nur subjektiv wertend) ad absurdum führen, vergleicht man seine reale Umwelt und Existenz mit der der jeweiligen Medien und ihrer Jubler.
Was bleibt ist: Es gibt nur eine Wahrheit – ein Richtig:
die/das Eigene.
Mir völlig Wurscht, wie das andere sehen. ;)
Um so erstaunlicher, dass es doch so viele Parallelen zu anderen Meinungen gibt und man mit seiner Meinung nicht allein steht. Gibt das nicht zu denken?
Warum das bei den Blogs so ist und die anderen Medien dagegen wettern? Vielleicht liegt es ja tatsächlich an der Unabhängigkeit sowie dem noch direkt möglichen Vergleich RL vs. Schreibe, der den meisten anderen abhängigen (sowohl oder als auch und politisch, wirtschaftlich, sozial) Medien und ihrem Personal abgeht.
Aber deswegen Daumen drücken für schwarz/rot/geld? Egal ob Fußball oder Politik: Nö! Niemals! Lieber das wortwörtliche schreckliche Ende.
Juni 9th, 2010 at 14:04
Konstruktiv kritisch!
Es gab aber auch mal den Spruch: “Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!” Und ruhig ist es ja – es spielt sich doch momentan alles nur in den Medien ab, oder? Interessant wird es, wenn die “Wir sind das Volk Demonstrationen” wieder aufleben.
Juni 9th, 2010 at 18:25
Wenn du verschiedene Argumente kennst, dann kannst du eher argumentieren. Und wenn man sich kritisch mit Argumenten auseinandersetzt, dann kann es schon mal vorkommen, dass man die eigene Meinung revidiert oder sich erst einmal eine bildet. Schließlich erwarte ich ja auch von anderen, dass sie es so machen.
Ist doch gar nicht so schlimm sich zu irren, da muss man es schon drauf ankommen lassen.
Juni 9th, 2010 at 20:57
@flatter
die Ironiehupe wurde von kleinen Heinzelmännchen entwendet, die den zitierten Satz dem Stande der Journalisten und Kommentatoren entzogen und heimlich Feynsinn untergeschoben haben, in der Unterstellung, auch dieser spräche als ein solcher. Die Heinzelmännchen haben sich bei mir gemeldet und wollen die Hupe gern zurückgeben.
Juni 10th, 2010 at 00:05
Nun, gerade eben schallte es, nun werden Alle, unabhängig vom etwaigen Besitz und des Umfanges des Besitzes an Volksempfängern den gleichen, einheitlichen, brüderlichen Obulus für die Berieselung mit der geforderten kritischen Meinung entrichten dürfen.
Die Bühne für das öffentlich rechtlich unterstützte von sich selbst distanzieren mit beibehaltener Forderung und neuer Begründung, das Aussenden neuer, sich auf der Höhe des selbsterschaffenen kritischen Zeitgeistes befindlichen Forderungen, ist damit gesichert. An ihm lohnt es sich nun für Niemanden zu sparen. Meint man wohl.
PS: Entschuldigung für die Sprache, wollte schauen ob meine Kenntnisse im geschwollen Reden noch nicht Eingerostet sind.