Ausgehend von der Diskussion bei “Kritik und Kunst” habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Das Resultat: Eigentlich müßte ich ein Buch schreiben. Das liest dann bloß niemand.
Die Grundfrage ist die, ob es überhaupt noch Wege aus der Krise gibt und wenn ja, welche. Das ist dann quasi schon ein optimistischer Ansatz, denn da wir ja täglich zu hören bekommen, daß es gar keine Alternative(n) gibt, erscheint es müßig, solche zu erörtern.

Eines vorweg, das scheint einigen Lesern durchaus Schwierigkeiten zu bereiten, obwohl ich es immer wieder durchblicken lasse: Ich bin kein Revolutionär, da bin ich mit Finkeldey völlig einig. Ich bin zwar zutiefst der Meinung, daß sich das wirtschafltlich-politische System völlig in die Sackgasse gerammt hat, dennoch sehe ich keine Perspektive für umstürzlerische Ansätze. Dabei denke ich gar nicht daran, daß wir etwas verlieren könnten, und selbst ‘chaotische’ Übergangszustände schrecken mich nicht – die sehe ich ohnehin auf uns zukommen. Das Problem liegt vielmehr darin, daß nach einem plötzlichen Niedergang einer Kultur oder einer Systemphase die neu etablierten Machtstrukturen keineswegs Besserung versprechen.

Tatsächlich gibt es eine Verfassung mit dem Anspruch auf Demokratie und all die schönen Errungenschaften, die durch nicht verfasste Mächte unterlaufen werden. Was hätten wir nun davon, wenn auch noch der Anspruch aufgegeben würde?
Ohnehin wären die mit den besten Karten diejenigen, die sie heute schon in der Hand haben. Wer sie ihnen aus der Hand schlagen will, darf sicher damit rechnen, schon beim Ausholen eine Amputation zu erleben. Was wir brauchen, sind neue Karten, und die gibt es nur da, wo sie heute schon gemacht werden. Dabei kommt den reformwilligen zugute, daß die Mächtigen sich gerade völlig verzocken und auch Zinken nicht mehr hilft. Sie haben es noch nicht kapiert, aber die Macht des Faktischen wird sich durchsetzen. So der so.

Liquididät – das Schmiermittel der Kultur

In diesem Zusammenhang auch noch einmal kurz zum Problem der Überschuldung: Wie ich bereits im Kommentar nebenan schrieb, halte ich es für das wichtigste Ziel, Liquidität zu erhalten. Im Kapitalismus bedeutet dies, ausreichend Geld zu haben. Alle relevanten Staaten der Erde sind inzwischen in der Situation, hohe Staatsschulden zu haben. Dies bedeutet also, daß das System auf diesen Schulden aufbaut. Will man es erhalten, müssen die Staaten also entweder weiter Schulden machen dürfen oder das System zur Herstellung von Liquidität geändert werden – oder beides.

Utopisch gedacht, wäre ein wichtiger Fortschritt der Menschheit der, Liquidität ohne Geld herzustellen. Was bedeutet aber “Liquidität”? Es geht ums Fließen und Funktionieren. Im Kapitalismus ist Geld das Schmiermittel, das den Apparat am Laufen hält. Es ist das Potential, zu investieren. Solange Geld da ist, arbeiten die Menschen dafür und organisieren diese Arbeit. Fehlt das Geld, kommen diese Prozesse zum Stillstand.
Die Aufgabe des Staates besteht nun darin, diesen Stillstand zu verhindern und eine (sinnvolle) Aktivität zu erhalten: “Weder die Bäume sind weg, noch die Häuser, die Arbeitskraft oder die Bodenschätze, wenn ein Staat ‘pleite’ ist.” Das Systemversagen führt ‘nur’ dazu, daß nichts mehr daraus gemacht wird.

Wirtschaft vs. Ordnung

Die Staaten, die in einer kapitalistischen Wirtschaft dafür sorgen sollen, daß die Gesellschaften nicht kollabieren, orientieren sich also grundsätzlich daran, unter den gegebenen Bedingungen für Liquidität zu sorgen. Der dumme Fehler besteht nun darin, die Gesetze der Geldwirtschaft über die Bedürfnisse der verfassten Ordnung zu stellen. Dabei haben Staaten durch das Recht auf Besteuerung und sogar Enteignung alle Möglichkeiten, den schlimmsten Fall zu verhindern. Obdendrein besteht keinerlei Recht auf Profit, wenn damit die Ordnung gefährdert wird – im Gegenteil. Der Gesetzgeber hat das Recht und die Pflicht, sich gegen ein Wirtschaftssystem zu stellen, das seinen Bestand gefährdet.

Es ist freilich kein erfolgversprechender Ansatz, von Staats wegen ein anderes System inmitten verflochtener Beziehungen einfach anzuordnen. Jede Änderung muß so viel Rücksicht auf bestehende Strukturen – auch auf Basis ungerechter Verteilung – nehmen, daß er nicht die Zustände heraufbeschwört, die er zu verhindern trachtet. Das bedeutet aber exakt, daß er nicht mehr als unbedingt nötig zur Erhaltung dieser Strukturen veranlaßt und mindestens so viel wie nötig umsetzt, um die bestandsgefährdende Krise nicht zu verschärfen.

Gemeinwohl geht über Eigennutz

Damit sind wir mitten im Versagen der politischen Klasse, die durch Inkompetenz und Korruption genau das Gegenteil leistet: die Verschärfung der Krise “alternativlos” zu betreiben. Das Versagen des Systems ist nur durch eine weiche, aber entschiedene Abkehr vom falschen Weg zu korrigieren. Das Überleben der Kultur, die von höchst komplexen Strukturen geprägt ist, hängt davon ab. Selbst den Profiteuren kann unter rationalen Gesichtspunkten nicht daran gelegen sein, Bürgerkriege und verheerende Staatskriege zu riskieren. Der ‘Atomkrieg’ ist längst keine Dystopie mehr, sondern ein erschreckend reales Szenario.

Es ist mir durchaus bewußt, daß weder Wirtschaftsbosse noch bescheiden talentierte Staatslenker in diesen Zeiten große Hoffnungen aufkommen lassen, quasi freiwillig eine gangbare Lösung anzustreben. Es ist allerdings nur der Staat, dem diese Leistung anzuvertrauen wäre. Er ist schließlich in aller Regel so verfasst, daß er es kann und muß. Es wäre schon recht hilfreich, wenn diejenigen, die sich noch nicht vollkommen haben verblöden lassen, darauf einigen könnten: Es geht nur friedlich, und es geht nur, wenn Gemeinwohl endlich wieder über Eigennutz geht.