Gestern habe ich mir noch einmal “From Dusk till Dawn” angeguckt. Heute las ich ein weiteres Statement vom ewigen Jörges auf seinem Kreuzzug für das Wahre, Gute und Journalistische, in der das Böse – “Blogger” – seinen festen Platz hat. Ich finde Jörges gruseliger als Tarantino, vor allem, weil er so fad humorfrei durchs Leben doziert.
Es gibt viele Pussies, wissen wir vom Türsteher des Titty-Twisters, und es gibt ebensoviele Blogger.

Wir haben
Fotoblogger, Freizeitblogger, Wirtschaftsblogger, Politiblogger, Fetischblogger, Kochbuchblogger, Metablogger, es gibt ach
linke Blogger, rechte Blogger, liberale Blogger, bürgerliche Blogger, langweilige Blogger, rüde Blogger, intelligente Blogger, saudoofe Blogger, wir haben
Amateurblogger, Samtblogger, Holzblogger, Videoblogger, Textblogger, IT-Blogger, Reiseblogger,
da sind so viele Blogs und Blogger, wir wissen gar nicht, wohin mit all denen. Wer noch mehr Blogger oder noch andere Blogger findet -
lest sie !

Das ist freilich zuviel für einen, der anderen sagen will, worüber sie zu schreiben haben, was sie dabei sagen dürfen und was nicht. Zu unübersichtlich für den Ankläger und Richter, der allein darüber befindet, wer Aufmerksamkeit “verdient” hat, und wer nicht. Jörges schwingt sich auf zum Dieter Bohlen einer publizistischen Castingshow, die nur in seiner eitlen Einbildung stattfindet. Obendrein steht schon immer vorher fest: Gewinner ist der Journalist.

Daß immer noch die Leser entscheiden, wem sie Aufmerksamkeit schenken und wem nicht, geht dem Jörges gegens Credo, da hat der Leser halt keine Ahnung und verschleudert seine Aufmerksamkeit an Nichtverdiener.
Das alles kennen wir schon, es wäre keine Zeile wert, garnierte seine Heiligkeit das Hohelied auf seinesgleichen nicht mit einer quer zum Anzug gebügelten These:

Das wertet den Journalismus auf. Das macht ihn noch unverzichtbarer. Und das verlangt nach Journalisten, die für ihr Blatt zur Marke werden – vom Leser gesucht, von der Redaktion herausgestellt, vom Verlag gepflegt. Um es anders auszudrücken: Das Autorenprinzip gewinnt im rasenden Wettbewerb um Aufmerksamkeit an Bedeutung.

Unter der Hand werden also Autoren ohne Presseausweis zu Nichtautoren erklärt. Was sonst ist ein “Journalist”? Einer wie Rainer Meyer vielleicht, der als Historiker und Ur-Onliner schreibt und sich nebenbei auch “Journalist” nennen darf? Thomas Strobl, der als streitbarer und stilsicherer Ökonom ebenfalls von der FAZ eingekauft wurde? Heribert Prantl womöglich, der sich als Jurist und publizierender Verfassungsverteidiger auch “Redakteur” nennen darf? Verdanken diese Leute ihre Autorenschaft und Autorität dem Umstand, daß sie “Journalisten” sind?

Sind die Bildungshänflinge aus den einschlägigen Ausbildungsgängen, die sich durch Kaffeekochen und das Abschreiben von Agenturmeldungen ihre Meriten verdienen, die Zukunft der deutschen Autorenherrlichkeit? Sind tausende deutscher Journalisten, deren Artikel so wiedererkennbar sind wie Eier aus der Legebatterie, journalistische “Autoren”, die Aufmerksamkeit verdient haben?

Das unerträgliche Wiederkäuen kuhjournalistischer Stupiditäten wie die Behauptung aufwendiger Recherche will niemand mehr hören. Jörges mag beim “Stern” eine Qualitätsoffensive erkennen wollen, die das Niveau der Hitlertagebücher überbietet. Daraus sollte er freilich nicht die Lizenz zum Steinewerfen ableiten.

Er hat keine Ahnung von Blogs oder sonstigen publizistischen Auftritten im Netz, die keine abhängige Redaktion und keinen profitorientierten Verlag hinter sich haben. Das wird ihn nicht davon abhalten, auch weiterhin erfolgreich unsinnige Abhandlungen zu verbreiten. Karl May schrieb auch Reiseberichte, die reißenden Absatz fanden. Vielleicht meint Jörges ja das mit dem “Autorenprinzip”.

Sollte er allerdings wollen, daß zukünftig weniger Androide mit Infrarot-Schnittstellen zu Faxgerät und Redaktionsmeinung teures Papier zerstanzen und stattdessen respektable Autoren an die Höfe der Holzmedien geholt werden, kann er sofort damit anfangen. Die Autoren wird er am leichtesten finden, wenn er sich endlich einmal mit denen beschäftigt, die er bislang ohne Ansehen der Person niederschreibt.

Ich gebe ihm gern die Chance, über sein wohlfeiles Lob der Autorenschaft eine Weile nachzudenken und neu lesen zu lernen. Vielleicht bekommen wir dann auch von ihm etwas zu lesen, das Aufmerksamkeit nicht nur erregt, sondern sie auch wert ist.