Ich schrieb einmal einem geschätzten Kollegen, der eine (stärkere) Vernetzung von Blogs vorschlug, daß Blogs durch gegenseitige Verlinkung bereits vernetzt seien. Darüberhinaus nannte ich mich selbst einen “Ego-Shooter” in bezug aufs Bloggen. Meine Befürchtung war und ist vor allem die, daß das Scheitern einer unstrukturierten Verquickung von Einzelautoren wahrscheinlicher ist als ein relevanter Vorteil durch eine Zusammenarbeit, die nicht die Qualität echter redaktioneller Arbeit hat.
Alternativ dazu habe ich in einer kleinen Serie von Artikeln die Frage aufgeworfen, ob und wie Blogger politische Relevanz erreichen können. In diesem Zusammenhang wurde auch die Möglichkeit diskutiert, eine professionelle Redaktion für mehrere Blogger zu verwirklichen. Der neue “Freitag” ließ die Hoffnung aufkommen, Ressourcen dafür zur Verfügung zu stellen, was als gescheitert betrachtet werden darf.

In den vergangenen Monaten haben sich einige zusammengefunden, die durch Crossblogging versuchen, ein gemeinsames Auftreten zu bewerkstelligen. Ich kann dem recht wenig abgewinnen.
Viele Blogger, deren Auftritte engmaschig verlinkt sind, posten inzwischen gleichzeitig dieselben Artikel. Deren Qualität ist höchst unterschiedlich und tun einigen vielleicht gut, im Gros verwässert das m.E. allerdings stark den zum Teil mühsam erarbeiteten Charakter einzelner Blogs. Ein Konzept kann ich nirgends erkennen, im Gegenteil erscheinen mir viele Artikel von Gastautoren deplaziert. Mich persönlich stört das wenig, ich lese die Originale beim Original, und es kostet mich kaum Zeit zu erfassen, ob ein Gastbeitrag für mich lesenswert ist.

Ich glaube allerdings, daß die betreffenden Blogs in der Summe unattraktiver werden, wenn die Wiedererkennbarkeit durch Fremdbeiträge gemindert wird. Die Stärke der (allermeisten) Blogs besteht in der Schreibe und dem Denken des Betreibers. Gute Blogs sind bei aller möglichen Professionalität und Virtuosität noch immer eine Art Tagebuch. Man stelle sich ein Tagebuch vor, in dem alle paar Tage eine andere Person ihre Gedanken ablegt. Das hat etwas von Psychose, mit dem dramaturgischen Nachteil, daß sich dort keine Person aufspaltet, sondern die Stimmen, die man da hört, tatsächlich für sich sprechen.

Der Vorteil des organisierten Journalismus liegt darin, daß er es eben ist. Ein halbwegs brauchbarer Chefredakteur reibt sich die gleitsichtbrillengestärkten Augen über die Amateure im Internet.
Will er politisch Einfluß nehmen, greift er auf Organisationsstrukturen zurück, die ihm Zutritt verschaffen. Will er Vielfalt abdecken, hat er für jedes annehmbare Leserinteresse Experten, von anerkannten Dampflauderern bis hin zu Fotographen, die wissen, wie man mit Kamera und Software direkten Zugang zur Hormonproduktion der Rezipienten findet. Was haben wir dem entgegenzusetzen?

Unsere bessere Einsicht in politische Zusammenhänge leider nicht. Nicht nur ist das Talent und das Wissen der Blogger normalverteilt, die Gemeinten sind obendrein nicht homogener als die Mitglieder der Parteien, die sie offen oder heimlich wählen oder eben nicht. Und schon wieder noch schlechter organisiert als, sagen wir mal die “Linke”. Einigkeit wird nie die Stärke von Blogs sein, allein schon, weil man sich einigen kann oder eine Meinung vertreten. Beides gleichzeitig geht nicht, und selbst nacheinander bedarf es einer Basis, die erst einmal geschaffen werden muß. Wir würden auch daran scheitern, jedenfalls in der Breite des Spektrums derer, die derzeit glauben, man könnte mal eben zusammenstehen und die Welt bewegen.

Die Fähigkeit zum Kompromiß, zuvörderst die Einsicht, daß es nur ein solcher ist, den man herstellen kann, ist die Grundbedingung für ein gemeinsames Auftreten. Das können Parteien und Zeitungsredaktionen so viel besser als meine mir durchaus lieben Nachbarn, daß ich in den Keller rennen und die Konservendosen zählen könnte, wenn da bloß welche wären.
Was sich da tut, ganz privat und eben nicht öffentlich, läuft auf Pathien hinaus. Sym- Anti- und Soziopathien, die im worst case dazu geeignet sind, eine Gegenöffentlichkeit in die Winde privater Flatulenzen zu zerstreuen. Wir sind uns meist nicht einig. Wir sind nicht einmal “wir”. Es gibt lediglich eine Riege unkorrumpierter Schreiberlinge, die sich ihre Meinung nicht abkaufen lassen. Sie sollten sich tunlichst nicht darauf einlassen, für ein paar Leser mehr ihre Unabhängigkeit zu opfern. Und schon gar nicht für die “gute Sache”, die schon immer der Titel der grausamsten Dummheit war.

p.s.: Wer sich bemüßigt fühlt, den Artikel zu kommentieren, möge höchst mögliche Contenance bewahren. Ich dulde keinerlei persönliche Angriffe, geschweige denn Veröffentlichungen privater Auseinandersetzungen.