Beispielhaft für das derzeit weit verbreitete öffentliche Gestammel über Medizintechnikmißbrauch bei Leistungssportlern titelt Sport1 “Die Liste der Schande”. Es wird mittelalterlich formuliert. Versuchung, Schande, Sünder, Moral, Strafe! Das dahinter stehende Denken ist exakt auf diesem Niveau, und so werden nicht nur drastische Strafen gefordert, sondern gleich das Prinzip “Schuldig bei Verdacht” durchgezogen. Die Organisationen, die ihre Existenz und vor allem den Reichtum ihrer Anteilseigner denen verdanken, die jetzt auf den “Scheiterhaufen” geworfen werden sollen, sollten sich dringend ärztlich untersuchen lassen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, ob diese Blödheit angeboren ist oder mit der Einnahme illegaler Drogen zu tun hat.

Ähnlich geistig begrenzt wie die Funktionäre sind die erwischten Fahrer. Nicht nur, daß sie glauben, man würde sie nicht erwischen. Nicht nur, daß sie nicht den Charakter haben, von sich aus etwas gegen den unfairen Wettbewerb zu tun. Am schlimmsten wird es, wenn sie sich zu ihren Taten äußern. Dann reagieren sie wie der Kleinkriminelle mit dem talentierten Anwalt in der Familie: Erst mal leugnen, dann evtl. zugeben, was eh bewiesen ist und schließlich versuchen, sich mit sinistren Winkelzügen aus der Sache herauszuwinden.
Es ist ja richtig, daß letzlich der Fahrer entscheidet, ob er den Stoff will oder nicht. Es ist aber auch der Fahrer, der glaubt, das sei so in Ordnung. Oder der sich dazu gezwungen fühlt. Wie kommt er dazu? Wie kann man ihn eines besseren belehren?
Die nötigen Erkenntnisse und Konsequenzen, die ein Ende des Dopingalltags zeitigen können, können nur von den Fahrern selbst kommen. Von den erwischten und den nicht erwischten. Sie müssen auspacken, sich gegen den Druck wehren, der dazu führt und einen fairen Wettbewerb unter sich ausmachen.
Sie werden allerdings niemals aus der Deckung kommen, wenn man ihnen diese Chance systematisch nimmt, indem man sie zum Schweigen verdammt. Laßt sie aussagen. Gewährt ihnen Amnestie!